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Schwabmünchen: Warum Störche Schwabmünchen einst berühmt machten

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Warum Störche Schwabmünchen einst berühmt machten

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    Wer am Wochenende in den Himmel über Schwabmünchen blickte, konnte auch hier wieder ein Storchenpaar vorbeiziehen sehen. Es klapperte über der Innenstadt und suchte auf dem Kirchendach und anderen Gebäuden am Schrannenplatz nach einer Brutstätte.
    Wer am Wochenende in den Himmel über Schwabmünchen blickte, konnte auch hier wieder ein Storchenpaar vorbeiziehen sehen. Es klapperte über der Innenstadt und suchte auf dem Kirchendach und anderen Gebäuden am Schrannenplatz nach einer Brutstätte. Foto: Archiv Radloff

    Ein Storch mit eigenem Bankkonto – gibt es so etwas? Ja, zumindest gab es das, und zwar in Schwabmünchen im Jahre 1966. Die Geschichte dazu ist wohl weltweit einmalig. Schauplatz war ein alter Kamin an der Mühlstraße.

    Die Firma Kraft Käse hatte dort ein Kesselhaus, in dem das Unternehmen Dittrich+Co. bis 1974 produzierte und es nach dem Umzug in die Krumbacher Straße als Lager nutzte. Zum Gebäude gehörte ein 26 Meter hoher Kamin, der seit vielen Jahren nicht mehr genutzt wurde. Weil er durch Stürme baufällig geworden war und ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung darstellte, sollte er 1976 abgerissen werden. Dafür wurden damals Kosten in Höhe von 3000 Mark veranschlagt.

    Mit der Aktion Storchennest wollte der Firmenchef helfen

    Der Kamin war ein beliebter Nistplatz. Über dessen Rettungsaktion berichtete damals nicht nur die Schwabmünchner Allgemeine.
    Der Kamin war ein beliebter Nistplatz. Über dessen Rettungsaktion berichtete damals nicht nur die Schwabmünchner Allgemeine. Foto: Archiv Radloff

    Weil aber auf dem Kamin immer wieder Störche nisteten und diese schon zu einer Art Wahrzeichen von Schwabmünchen geworden waren, überlegten die Verantwortlichen, wie sich der Abriss verhindern ließe. Einer der beiden Firmenchefs, Rudolf Dittrich, hatte eine Idee: Er wollte die luftige Storchenheimat mit der „Aktion Storchennest“ retten. Gemeinsam entschieden Dittrich und der damalige SPD-Bürgermeister Adolf Lettenbauer, dass dies am besten mit einem Spendenkonto bei der Sparkasse Schwabmünchen möglich wäre.

    Die Stadt selbst hätte die Störche wohl kaum retten können, immerhin zählte Schwabmünchen damals zu den am höchsten verschuldeten Gemeinden in Bayern. Der damalige Bankangestellte Ludwig Müller richtete also das Spendenkonto mit der Nummer 3200 ein und ließ in der Schalterhalle ein Storchenpaar samt Kamin und Storchennest aus Pappe aufstellen. Das wirkte.

    Bürger spendeten 10.000 Mark für die Erhaltung des Kamins

    Die Firma Dittrich+Co. spendete spontan 3000 Mark. Auch zahlreiche Bürger, veranlasst durch einen Aufruf in der Schwabmünchner Allgemeinen, beteiligten sich an der Aktion. So kamen knapp 10.000 DM zusammen. Mit diesem Geld gelang es einer Baufirma, den Kamin komplett zu ummanteln und zu stabilisieren. Als alle Arbeiten abgeschlossen waren, bedankte sich ein Storchenpaar für den großen Einsatz und nistete wieder auf dem Kamin.

    Die Aktion erregte so viel Aufsehen, dass nicht nur die Schwabmünchner Allgemeine darüber berichtete. Auch das bayerische Fernsehen drehte einen Film. Darin erzählt ein Storchenpaar während eines Rundflugs über Schwabmünchen die einmalige Geschichte. Der nette Film dazu wurde am 6. Juni 1967 in der Abendschau gesendet.

    Doch das war nicht die einzige Storchenerzählung, die in Schwabmünchen die Runde machte. Spannend war auch die Geschichte, die der damalige Rektor der Bubenschule, Martin Stuhler, immer wieder zum Besten gab: Ein Storch spazierte auf der Hauptstraße in Schwabmünchen – sie war noch ungeteert und wenig befahren – auf Futtersuche umher, ging dann zur Metzgerei Ulzhöfer, hüpfte zwei Stufen hoch, klopfte mit dem Schnabel an und wurde gefüttert. Viele Jahre bewohnten Storchenpaare immer wieder den alten Kamin von Dittrich+Co und sorgten dort für Nachwuchs.

    Ab den 1980er Jahren kehrten die Störche nicht wieder

    Doch ab dem Jahr 1981 kehrten die Vögel plötzlich nicht mehr wieder. Ob ein Unfall, bei dem ein Storch beim Auffliegen aus dem Straßengraben nahe der Ficklermühle überfahren wurde, der Grund dafür war, ist nicht bekannt. Klar ist nur, dass die Schwabmünchner das Fehlen der Störche sehr bedauerten. Das Nest auf dem Kamin war zur damaligen Zeit das einzige im ganzen Landkreis Augsburg.

    Um das Jahr 2000 wurde der jahrelang unbewohnte Turm dann doch abgerissen – für rund 50.000 DM auf Kosten der Firma Dittrich+CO. Doch die Aktion zur Rettung der Storchenheimat ist in Erinnerung geblieben. Eckhard Henke, damals geschäftsführender Beamter im Schwabmünchner Rathaus, verfasste zum Thema „Storchenkonto“ eine eigene umfassende Broschüre, die ins erste Heimatbuch Schwabmünchens eingeflossen ist. „Die Aktion war damals eine große Sache, von der in der Stadt und darüber hinaus noch lange gesprochen wurde“, sagt Henke. Selbst in der Presse in Teheran und Philadelphia war von den Schwabmünchner Störchen zu lesen – mit Überschriften wie „Der reichste Vogel der Welt“.

    Die Erinnerung an die Rettungsaktion ist bis heute lebendig

    Auch Firmenchef Armin Dittrich erinnert sich nach so vielen Jahren gerne an die Storchengeschichte zurück. „Ich bin noch heute sehr stolz darauf, dass unsere Firma damals so eine tolle Aktion angestoßen hat“, sagt er. Auch wenn die Firma am Ende nicht die ursprünglichen 3000 Mark, sondern 50.000 Mark für den Abriss des Kamins bezahlen musste.

    Seit den 1980er-Jahren waren dort keine Störche mehr beheimatet. Bekannte Nester in der Umgebung gibt es derzeit noch in Gennach und Hiltenfingen. Doch wer am Wochenende in den Himmel über Schwabmünchen blickte, konnte auch hier wieder ein Storchenpaar vorbeiziehen sehen. Es klapperte über der Innenstadt und suchte auf dem Kirchendach und anderen Gebäuden am Schrannenplatz nach einer Brutstätte.

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