An den Wertachkliniken in Schwabmünchen und Bobingen ist für Außenstehende fast nichts mehr so, wie es einmal war. Das fängt schon an der Eingangstüre an, die sich eigentlich automatisch öffnet. Sie bleibt zu. Jeder muss klingeln und über eine Sprechanlage erklären, was er eigentlich im Gebäude will. Denn bis auf wenige Ausnahmen sind Besuche verboten.
Öffnet sich die Türe schließlich steht der Besucher an der Pforte direkt vor einem Desinfektionsspender, rechts daneben ein rot-weißes Absperrband, das verhindert, einfach seitlich ins Krankenhaus zu laufen. Linkerhand reicht einem die Mitarbeiterin an der Information einen Mundschutz. Auch der ist im Krankenhaus längst Pflicht – für alle.
Die Corona-Maßnahmen sind hier omnipräsent und bestimmen auch den Alltag der Verantwortlichen. Heute tagt zum Beispiel der Krisenrat. Der Chef der Wertachkliniken, Martin Gösele, wirft im Konferenzraum eine Grafik an die Wand. Darauf zu lesen sind Wörter wie Führungsgruppe Katastrophenschutz, Krisenstab, Lagebericht und Task Force. Die Begriffe klingen ein wenig nach Kriegsrhetorik.
Es ist zwar nicht Krieg, aber eben Krise. Und die Lage ist ernst, da sind sich alle Mitglieder des Krisenrats einig. „Aber wir haben die Lage im Griff“, sagt Gösele. Zwei mal wöchentlich tagt der Krisenrat mit den wichtigsten Fachleuten beider Häuser. Die Task Force sogar drei mal, allerdings online.
Auch Medikamente werden knapp, aber es gibt Alternativen
Und bei diesen Beratungen geht es keineswegs nur um medizinische Themen. Eine eigene Abteilung der Gruppe kümmert sich um den Einkauf. „Jede Woche kommt ein neuer Engpass“, sagt Gösele. Mal mangelt es an Schutzmasken, mal an Desinfektionsmittel oder, so wie momentan, an flüssigkeitsdichten Schutzkitteln. Was gerade die ganze Welt braucht, ist auch an den Wertachkliniken knapp und teuer. Aber noch ist es immer gelungen, rechtzeitig Nachschub zu besorgen.
Den Mangel verwalten muss das Krankenhaus auch im Medikamentenschrank. Schon vor Corona gab es Engpässe Beispielsweise bei Antibiotika aus China. „Nun fehlt auch ein Narkosemittel“, weiß Pandemiebeauftragte Marleen Pfeiffer. Kollege Andreas Weber beruhigt, es gebe für beide gute Alternativen.
Ein weiteres Problem der Krise zeichnet sich ab: Wenn ein Corona-Patient aus dem Pflegeheim wieder gesund ist und entlassen werden sollte, das Pflegeheim ihn aber nicht zurücknimmt. „Weil es dort beispielsweise räumlich keine Möglichkeit der Isolation gibt“, erklärt der zweite Pandemiebeauftragte Daniel Hierl. Deshalb bleiben einige Patienten länger im Krankenhaus als medizinisch nötig und blockieren Betten.
Das Gesundheitsamt arbeitet an einer Lösung für dieses Problem, denn im Ernstfall ist jedes freie Bett wichtig. In manchen Bereichen knirscht es also ein wenig, aber im Großen und Ganzen sei die Situation gut beherrschbar, auch Dank der strengen Maßnahmen der Politik, die alle Mediziner des Krisenstabs für gerechtfertigt halten. „Nur deshalb werden wir nicht von einer Welle überschwemmt“, ist sich Weber sicher.
Die Zahl der Erkrankten ist nicht so hoch wie befürchtet
Bislang hält sich die Zahl der schwer an Covid-19 erkrankten Patienten an den Wertachkliniken in Grenzen: 100 Personen sind an beiden Standorten getestet worden, 21 davon positiv, vier davon mussten auf der Intensivstation behandelt werden. Insgesamt drei Menschen sind „an oder mit“ dem Corona-Virus gestorben, wie es der Ärztliche Direktor Michael Küchle formuliert. Alle waren bereits etwas älter und litten unter schweren Vorerkrankungen.
„Das macht uns natürlich sehr betroffen, aber die Infektionszahlen sind nicht so hoch wie ursprünglich befürchtet“, so Gösele. Grund dafür sei, dass früh reagiert wurde und alle optimal vorbereitet seien. Mitarbeiter und Patienten tragen schon seit langem Mundschutz, so dass vom Personal noch niemand mit dem Corona-Virus infiziert worden ist.
Die Kliniken haben Beatmungsgeräte, die eigentlich ausgemustert werden sollten, wieder reaktiviert, eine eigene Isolierstation für Covid-19-Patienten eingerichtet, Hygiene-Schulungen für die Mitarbeiter abgehalten und vieles mehr. Da auch alle nicht notwendigen Operationen abgesagt wurden und die Zahl der Corona-Fälle niedrig ist, können momentan sogar einige OP-Schwestern Überstunden abbauen, obwohl im Pflegebereich schon vor und ohne Corona Personalmangel herrschte.
Mitarbeiter bekommen Sonderzahlung
Als kleine Anerkennung erhalten Mitarbeiter, die mit Covid-19-Patienten arbeiten, drei Monate lang eine Sonderzahlung in Höhe von 300 Euro.
Wie es nach der Krise wirtschaftlich aussieht? Ungewiss. Jahrelang gelang es dem Team, schwarze Zahlen zu schreiben. Ob die Ausgleichszahlungen des Freistaates ausreichen, um dieses Ziel fortzuführen, ist unklar, aber im Auge der Pandemie auch egal: „Man kann in diesen Zeiten ein Krankenhaus nicht ausschließlich aus ökonomischer Sicht betrachten“, sagt Küchle.
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