Erstaunliche und historisch wertvolle Funde haben Archäologen auf dem Gelände der Firma Ritter in Schwabmünchen zutage gefördert. Monatelang hatten die Experten dort gegraben. Die ältesten Stücke reichen bis ins dritte oder vierte Jahrtausend vor Christus zurück. Sogar Spielzeug, das heute noch verwendet wird, haben die Wissenschaftler gefunden.
Entdeckt wurden die Spuren aus der Vergangenheit im Zuge von Bauarbeiten. Die Firma Ritter errichtet auf dem Gelände an der Kaufbeurer Straße eine neue Produktionshalle. Der Kunststoffspezialist stellt unter anderem Pipettenspitzen und Kunststoffplatten her, die für automatische Corona-Tests in den Laboren benötigt werden.
Experten rechneten mit wichtigen Funden in Schwabmünchen
Das Unternehmen wurde deshalb als systemrelevant eingestuft und konnte sich vor Anfragen kaum retten. Die Produktionsfläche, die erst im Februar dieses Jahres erweitert worden war, reichte nicht mehr. Deshalb wurde eine weitere 5000 Quadratmeter große Halle geplant.
Doch schnell war klar: Bevor diese errichtet werden kann, müssen nach Maßgabe des Landesamts für Denkmalpflege archäologische Untersuchungen auf dem Gelände östlich der bisherigen Produktionsstätten durchgeführt werden. Aufgrund der Lage rechneten Experten dort mit wichtigen Funden aus alten Zeiten.
Beim Abtrag des Bodens waren deshalb Archäologen der Firma PlanaTeam Augsburg vor Ort und die ersten Vermutungen bestätigten sich: Im Boden hatten sich umfangreiche archäologische Hinterlassenschaften erhalten, das Büro für Archäologie Neupert, Kozik & Simm aus München wurde mit den Ausgrabungen beauftragt.
Mehr als 20 Archäologen waren auf dem Gelände der Firma Ritter im Einsatz
Ab August machten sich die Münchner Experten mit Hochdruck ans Werk, um den Hallenbau möglichst wenig zu verzögern. „Wir haben uns ständig mit der Firma Ritter und dem Bauunternehmen abgestimmt, um möglichst schnell Zug um Zug die benötigten Flächen freizugeben", erklärt Firmenchef Sikko Neupert. „Deshalb konnten die Grabungen und die Bauarbeiten parallel verlaufen.“
Mehr als 20 Männer und Frauen arbeiteten zeitweise von August bis November auf der bis zu einem Hektar großen Fläche unter der Leitung von Armin Wanger, einem Experten für provinzialrömische Archäologie. Dabei förderten sie Erstaunliches zutage: In bis zu drei Metern Tiefe fanden die Archäologen Hinweise auf Siedlungen aus unterschiedlichen Epochen.
Dass sich die Funde auf etwa fünf Jahrtausende erstrecken, erklärt Neupert so: "Das Gelände war schon immer günstig für eine Ansiedlung - es gab dort Wasser, aber es lag hochwassersicher auf einem fruchtbaren Lössrücken." Es sei zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder für eine Besiedlung genutzt worden. "Da es dazwischen jeweils jahrhundertelang brach lag, müssen wir davon ausgehen, dass diese Siedlungen unabhängig voneinander und ohne Wissen um ihre jeweiligen Vorgänger gebaut wurden", sagt der Experte.
Archäologen finden in Schwabmünchen Siedlungsreste aus mehreren Epochen
Die ältesten Funde stammen aus der Jungsteinzeit aus dem dritten oder vierten Jahrtausend vor Christus. Diese Reste waren durch die jüngeren archäologischen Spuren stark gestört. Sie deuten aber darauf hin, dass bereits damals Menschen auf dem Gebiet des heutigen Schwabmünchen lebten und auch hier ihre Angehörigen bestatteten.
Darüber fanden sich Siedlungsspuren aus der sogenannten Urnenfelderkultur, einer spätbronzezeitlichen Epoche (1300-800 v. Chr.): Keramikscherben und sogar komplett erhaltene Keramikgefäße aus Hofstellen, die durch kleine Graben voneinander getrennt waren, entdeckten die Archäologen.
Aus der Keltenzeit (1 bis 2. Jahrhundert v. Chr.) stammen unter anderem Hausgrundrisse und ein etwa drei Zentimeter großes Fragment eines blauen Glasarmrings mit gelben Auflagen. Darüber freute sich Neupert beinahe ebenso wie über ein Spielzeug aus dieser Zeit: ein Spielwürfel aus Knochen mit Punkten von drei bis sechs. „Diese beiden Gegenstände sind sogenannte Verlustfunde, die sehr interessant sind“, sagt Neupert.
Darüber hinaus stießen die Archäologen auf Funde aus der Römerzeit. Die ältesten stammen aus dem ersten Jahrhundert nach Christus: Nägel und Ziegel geben Hinweise auf ein Haus ebenso wie Reste von Tuffsteinen, die im Ofen- und Hausbau verwendet wurden.
Experten müssen die Fundstücke nun wie Puzzle-Teile zusammenfügen
Doch das spannendste Fundstück ist eine versilberte Bronzeschnalle mit floralem Motiv. Sie war Teil eines Pferdegeschirrs. „Die Römersiedlung könnte zum Schutz gegen Feinde errichtet worden sein, ein Massenlager für einen Straßenbautrupp oder ähnliches, da in der Gegend Römerstraßen durchziehen“, erklärt Neupert. Darauf deutet auch ein riesiger Graben hin, den das römische Militär dort angelegt haben muss.
Doch was geschieht nun mit den außergewöhnlichen Entdeckungen? „Zunächst einmal sind es Puzzle-Teile, die es gilt zusammenzufügen", sagt Neupert. Dies geschehe anhand des Grabungsberichts und der detaillierten Aufzeichnungen, die in einer Datenbank beim Landesamt für Denkmalpflege gesammelt werden.
"Abschließend werden die Ergebnisse in Zusammenhang mit den übrigen Ausgrabungen in der Nähe gebracht, um das Siedlungsbild in Schwabmünchen und darüber hinaus aus den verschiedenen Jahrtausenden vervollständigen zu können“, erklärt Neupert.
Die Fundstücke selbst gehören laut bayrischem Recht zunächst einmal dem Eigentümer des Geländes. Wenn er sie behalten will, muss er sie allerdings fachgerecht konservieren und aufbewahren. Neupert sagt: "Wenn in diesem Fall die Firma Ritter die Gegenstände zur Verfügung stellt, dann kommen sie entweder ins Archiv oder in eine Ausstellung, zum Beispiel ins Museum der Stadt Schwabmünchen."
Lesen Sie dazu auch:
Warum die Fuggerstraße in Schwabmünchen nur fast fertig ist
Wehringer Whisky wurde in die "Whisky-Bibel" aufgenommen
Firma Siegmund in Oberottmarshausen vertreibt Millionen Corona-Masken
- Warum die Fuggerstraße in Schwabmünchen nur fast fertig ist
- Wehringer Whisky wurde in die "Whisky-Bibel" aufgenommen
- Firma Siegmund in Oberottmarshausen vertreibt Millionen Corona-Masken