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Rückblick auf 2020: Ihr Sohn starb bei einem Ballonunglück - jetzt wollen die Eltern helfen

Rückblick auf 2020

Ihr Sohn starb bei einem Ballonunglück - jetzt wollen die Eltern helfen

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    Andreas Kindler war leidenschaftlicher Ballonfahrer. Im August starb er nach einem dramatischen Unfall.
    Andreas Kindler war leidenschaftlicher Ballonfahrer. Im August starb er nach einem dramatischen Unfall. Foto: Familie Kindler

    In den Worten steckt der Schmerz der Eltern, die ihren Sohn verloren haben. „Er hätte es so gewollt“, sagt Hermann Kindler und meint damit seinen Sohn Andreas. Der 35-Jährige ist vor drei Monaten bei einem Ballonunglück bei Koblenz tödlich verunglückt.

    Die Familie und enge Freunde verzichteten auf Grabschmuck und sammelten stattdessen Geld, das jetzt die damals beteiligten Rettungskräfte erhalten sollen. „Andreas hätte es gewollt, dass mit dem Geld anderen geholfen wird. Er hat auch immer geholfen“, sagt sein Vater Hermann Kindler.

    Andreas Kindler ist in Walkertshofen aufgewachsen

    Wo er nur konnte, packte Andreas Kindler in Walkertshofen mit an. In der Gemeinde wuchs er auf, spielte Fußball, baute den Bayern-Fanclub mit auf. Er ging auf die Leute zu, war redselig und fand mit seinem unkomplizierten Wesen immer Freunde. Auch in seiner neuen Heimat im Hunsrück hatte er schnell Anschluss.

    Der Liebe wegen war er vor einigen Jahren an den Mittelrhein gezogen. Beruflich wollte der IT-Experte, der zuletzt Berufssoldat an der Rommelkaserne in Dornstadt war, nach der Corona-Krise durchstarten. Gleichzeitig betrieb er sein Ballonfahrt-Unternehmen.

    Über 500 Starts und Landungen hatte er hinter sich gebracht, knapp 30 davon allein in diesem Jahr. Hunderten Passagieren brachte er die Faszination für das leise Dahinschweben nahe. Am 16. August kam es anders.

    Er war mit sechs Passagieren am Abend in der Luft

    Wie vereinbart trafen sich die sechs Passagiere gegen 18 Uhr auf einer Wiese nahe der Ortschaft Ney. Namen und Gewicht der Gäste wurden schriftlich festgehalten, Andreas Kindler klärte über das richtige Verhalten während der Fahrt und bei der Landung auf. Über eine Wetter-App informierte er sich mehrfach über die aktuelle Wettersituation. Über der Eifel waren Wolken zu erkennen. Kindler wollte vor dem Eintreffen von Gewittern wieder am Boden sein. So steht es im Bericht des Luftfahrtbundesamts, für den mehrere Zeugen befragt wurden. Gegen 18.45 Uhr hob der Ballon ab.

    Am Rheinufer gegenüber dem Loreley-Felsen verfing sich der abgestürzte Heißluftballon.
    Am Rheinufer gegenüber dem Loreley-Felsen verfing sich der abgestürzte Heißluftballon. Foto: Thomas Frey/dpa

    20 Minuten ging es in langsamer Fahrt in südwestliche Richtung. Als der Ballon die A61 passierte, kam offenbar Wind auf. Ein Zeuge sagte später aus, dass der Ballon weggetrieben sei. Zwei Passagiere erinnerten sich, dass der Ballon über der Autobahn und einem Waldstück immer schneller wurde. Andreas Kindler habe seinen Sicherheitsgurt angelegt und den Passagieren erklärt, dass er schnell eine Landefläche finden müsse. Etwa eine Minute vor der Landung sei der Ballon noch in einer Höhe von 100 bis 150 Metern geflogen. Kindler wies die Passagiere um 19.53 Uhr an, die Landeposition einzunehmen – alle gingen in die Hocke. Dann schrie er: „Festhalten, festhalten, festhalten.“

    Er kann sich noch an einer Leine festklammern

    Beim harten Aufschlag wurden zwei Passagiere aus dem Korb geschleudert, zwei weitere stürzten heraus. Der Ballon, den wohl eine Böe erfasst hatte, hob wegen des fehlenden Gewichts wieder ab und überquerte in etwa 20 Metern Höhe den Rand der Ortschaft Biebernheim. Die dramatischen Sekunden sind in einem Bericht des Luftfahrtbundesamts genau rekonstruiert. Der Korb knallte wieder auf den Boden. Andreas Kindler stürzte heraus. Irgendwie bekam er noch eine Leine zu fassen. Ein Augenzeuge beobachtete, wie eine Person etwa fünf bis sechs Meter unterhalb des Korbes hing.

    Mit einem Spezialkran bergen Höhenrettungskräfte den  abgestürzten Heißluftballon am Rheinufer gegenüber dem Loreley-Felsen.
    Mit einem Spezialkran bergen Höhenrettungskräfte den abgestürzten Heißluftballon am Rheinufer gegenüber dem Loreley-Felsen. Foto: Thomas Frey, dpa

    Der Korb schlug noch ein weiteres Mal auf dem Acker auf, ehe er dann von einer Böe über die Kante des Steilhangs hinunter zum Rhein gezogen wurde. Fast zwei Kilometer nach der missglückten ersten Landung verfing sich der Ballon oberhalb eines Tunnelportals bei St. Goar im steilen, unwegsamen Hang in den Bäumen. Die Höhenretter der Stadt Boppard befreiten die zum Teil Schwerverletzten.

    Die aufwendige Rettungsaktion, bei der über hundert Helfer von Feuerwehr, Rettungsdienst, THW, Bahn-Notfallmanager und Polizei im Einsatz waren, wurde zudem durch das aufziehende Unwetter erschwert. Alle Verletzten wurden mit Hubschraubern oder Rettungswagen in die Krankenhäuser nach Koblenz gebracht.

    Das Luftfahrtbundesamt rekonstruiert das Unglück

    Die sechs Passagiere überlebten zum Teil schwer verletzt. Andreas Kindler starb kurz nach dem Transport in eine Koblenzer Klinik. Das Luftfahrtbundesamt hat den Unfall genau untersucht. Im jüngst veröffentlichten Zwischenbericht geht es nicht um die Schuldfrage, sondern um eine sachliche Zusammenfassung der Ereignisse, um weitere Unglücke zu verhindern.

    Die Familie von Andreas Kindler und seiner Lebensgefährtin sowie Freunde sammelten in den vergangenen Wochen 5600 Euro, die jüngst den Rettungskräften überwiesen wurden. Die Angehörigen hätten die Spende gerne selbst übergeben und wären mit den Verletzten, denen es wieder besser geht, gerne ins Gespräch gekommen. Doch wegen der Pandemie ist das nicht möglich. Den Eltern bedeutet die Spende viel. Sie ist auch ein Vermächtnis für einen geliebten Menschen.

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