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Region Augsburg: Die Kirche hat ein Problem

Region Augsburg

Die Kirche hat ein Problem

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    Fast leere Kirchen – ein Bild der Zukunft?
    Fast leere Kirchen – ein Bild der Zukunft? Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Die Kirche hat ein Problem. Immer mehr Christen treten aus ihr aus – in der Diözese Augsburg waren es im vergangenen Jahr fast 10.000 Katholiken. Das sind 3000 mehr als ein Jahr zuvor. In der evangelischen Kirche zeigt sich ein ähnlicher Trend. Das bekommen auch die Pfarreien im Landkreis zu spüren. Die Geistlichen sehen unterschiedliche Gründe für die Austrittswelle – und sie stoßen beim Kampf gegen den Trend an ihre Grenzen.

    Pfarrer Hubert Ratzinger von der katholischen Pfarreiengemeinschaft Großaitingen glaubt, einen Feind der Kirche gefunden zu haben: das Geld. „Wenn ich auf den Steuerzettel schaue und da steht die Kirchensteuer“, dann sei der finanzielle Verlust für jedermann sichtbar. Ein junger Mann habe ihm erzählt, dass alle seine Freunde aus der Kirche austreten, sobald sie einen Job beginnen – nur, um Steuern zu sparen. Die „jüngsten Vorfälle“ hätten nichts mit der Austrittswelle zu tun, sagt Ratzinger.

    Vorwürfe gegen Franz-Peter Tebartz-van Elst

    Mit den „jüngsten Vorfällen“ meint er die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche sowie die Vorwürfe gegen Franz-Peter Tebartz-van Elst und seinen sogenannten Protzbau in Limburg. Stattdessen gebe es neben der Kirchensteuer einen „Glaubensschwund“ in der Gesellschaft, der sich besonders in der Stadt zeige. In der Kirche St. Max in Augsburg hätten bereits vor einigen Jahren nur noch fünf Prozent der Christen die Gottesdienste besucht – in Großaitingen seien es immerhin 13 Prozent. Ratzinger sieht sich mit dem Trend in guter Gesellschaft mit vielen Vereinen.

    Wandervereine oder Männerchöre hätten ebenso mit einer „zunehmenden Individualisierung“ zu kämpfen – die Menschen gingen beispielsweise lieber in Fitnessstudios. Doch Ratzinger wirbt weiter für die Kirche – ob im Gottesdienst oder mit Infoflyern. Eines strebt er trotzdem nicht an: „Ich will den Trend nicht umkehren.“ Ganz anders sieht das offensichtlich die katholische Pfarrei in Königsbrunn.

    Kinderbibeltage, Taizé-Gebet, Jugendgottesdienste: Kaplan Gregory Herzel und seine Mitarbeiter scheinen vieles dafür zu tun, ihre Anhänger an die Kirche zu binden. „Wir sind an der Grenze von dem, was man machen kann“, sagt er. Trotzdem: „Wir werden weniger.“ Einen Trost sieht er darin, dass sich „niemand aus der Kerngemeinde“ abwendet – nur Menschen, die ohnehin wenig mit der Kirche zu tun haben. Herzel glaubt nicht, dass finanzielle Gründe Schuld an den Austritten sind.

    „Es kann nicht sein, dass wir uns auflösen“

    Die Enttäuschung über Tebartz-van Elst und die Missbrauchsfälle in der Kirche seien ausschlaggebend. Trotz den Skandalen glaubt Herzel nicht daran, bald in einer menschenleeren Kirche zu predigen. „Es kann nicht sein, dass wir uns auflösen“, sagt er. Davon ist Ingrid Rehner wiederum nicht überzeugt.

    Für die Pfarrerin der evangelischen Dreifaltigkeitskirche Bobingen ist es denkbar, dass irgendwann niemand mehr zu den Gottesdiensten kommt – zumindest „auf die kommenden Jahrzehnte gesehen“. Bei der jüngsten Sitzung des Kirchenrats seien fünf oder sechs Mitglieder ausgetreten. Das sei „schon nicht ganz wenig“, sagt Rehner. Die Gründe für den Austritt kennt sie häufig nicht. Das Gespräch mit den Unzufriedenen käme oft zu kurz. Kirchensteuer, Skandale, fehlende Identifikation – es könne alles sein, sagt die Pfarrerin. Und doch hofft sie, dass die 3000-köpfige Gemeinde noch lange existiert – auch wenn sich schon jetzt „nur noch 300“ von ihnen aktiv in der Gemeinschaft engagieren.

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