Eigentlich schien längst alles klar. Eine für den 1. Januar anstehende Preiserhöhung für Tickets des Augsburger Verkehrsverbunds (AVV) um fast fünf Prozent soll um ein halbes Jahr verschoben werden. So sahen es nach ersten Gremiensitzungen Kommunalpolitiker in der Region bislang kommen. Ob da die anstehenden Kommunalwahlen wirklich keine Rolle spielen, blieb auch am Montag hoffen. Doch damit war noch nicht genug.
Fakt ist: Im Kreisausschuss des Augsburger Landes, der diesmal in Schwabmünchen tagte, führte dies erst zu einer langen Diskussion und dann zu einem einstimmigen „Signal“. Nämlich der zwar juristisch nicht folgenreichen, aber sprachlich deutlich weiterreichenden Aussage: Die automatische Tariferhöhung aufgrund eines seit vier Jahren wirksamen Kostenindexes solle nicht einfach nur verschoben werden, sondern vielmehr für mindestens ein halbes Jahr ausgesetzt werden.
SPD findet AVV-Tarifsystem zu kompliziert
Was andere Träger im AVV so deuten dürfen: Die politisch angestrebte Steigerung der Fahrgastzahlen und der Abos sollte Vorrang vor einer verwaltungstechnisch festgelegten Tarifanpassung haben. Die sogenannte indexbasierte Tariferhöhung aufgrund der Betriebskostenentwicklung muss nicht länger ein Automatismus sein. Im nächsten Jahr wird daher über die Form der Tarifberechnung zu reden sein.
Vielleicht lag es auch daran, dass die Stadt Schwabmünchen den Kreisausschuss am Montag auf den Michaeli-Markt eingeladen hatte und die Stimmung bei der vormittäglichen Tagung schon vor dem Bierzeltbesuch recht locker war. Jedenfalls hatten Grüne und Freie Wähler keine hohen Mauern einzureißen, als sie ihre Visionen vom AVV ansprachen, aber auch, als die SPD ihre Kritik am derzeitigen Tarifsystem kundtat: Eine ganz andere Tarifgestaltung solle her. Einfacher, für Bürger leicht zu durchschauen und einheitlich anwendbar. Da stört eigentlich schon der Augsburger Sonderweg mit einer kostenlosen Cityzone. Den trägt man freilich mit, weil er das Umland nichts kostet. Am besten wäre jedoch entweder ein für alle Bürger kostenloser öffentlicher Personennahverkehr, wie ihn Silvia Daßler von den Grünen will. Oder zumindest ein Jahresticket für ganze 365 Euro, das die SPD will und sich auch die CSU gut vorstellen kann. Immer vorausgesetzt, der Freistaat erfüllt die mit seinem Mobilitätskonzept geweckten Hoffnungen auf kräftige Zuschüsse. Diese sind allerdings derzeit auf fünf Jahre begrenzt.
AVV-Tarifreform: Mehr Klarheit soll mehr Fahrgäste bringen
Der Nahverkehr ist jedenfalls gerade im Augsburger Verbund ein Gesprächsthema mit vielen Stellschrauben, Spezialitäten und Veränderungen. Im Kreisausschuss sahen sich die Fraktionen am Ende ihrer Debatte über den langen Weg zu einer ganz neuen Struktur dann doch zu einer Klarstellung genötigt: Der AVV sei schon eine gute Sache und durch die Tarifreform von 2018 hätten gerade die Pendler auf langen Strecken viel Geld gespart.
Die Fahrgastzahlen würden steigen und auch der Verkauf von Abos nehme zu, zitierte Landrat Martin Sailer aus einem gerade erstellten AVV-Bericht. Die noch nicht einmal zwei Jahre alte Tarifreform scheine zu greifen. Da würde eine Preissteigerung um fast fünf Prozent für Bus, Bahn und Tram keiner der neuen Kunden verstehen und eine Überprüfung der Reformziele im Jahr 2020 würde erschwert.
Der Freistaat soll die steigenden Betriebskosten zum Teil zahlen
Bleibt die Frage, wer die steigenden Betriebskosten zahlt, wenn nicht die Fahrgäste. Der Justiziar und AVV-Experte am Landratsamt Augsburg Walter Michale sah dies am Montag ebenfalls locker. Es gehe insgesamt um knapp zwei Millionen Euro. Die Hälfte solle doch bitte der Freistaat als tarifstützende Maßnahme aufgrund der Reformziele beisteuern. Und wenn nicht, auch kein Problem. Vom Vorjahr habe der AVV noch zwei Millionen Euro Überschuss. Warum dann überhaupt teurere Ticketpreise? Diese Frage hat keiner mehr gestellt. Denn so was fragt sich wohl nur der Laie. Unterm Strich sind die Rechnungen ja komplizierter. Offenbar auch für Kreisräte. Fabian Mehring will jedenfalls das Tarifsystem „vom Kopf auf die Füße“ gestellt sehen und für Harald Güller war die Tarifreform von 2018 sogar schon „von Anfang an vermurkst“. Über all das werde 2020 noch zu sprechen sein.
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