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Prozess in Augsburg: Wann dürfen Jäger Hunde erschießen?

Prozess in Augsburg

Wann dürfen Jäger Hunde erschießen?

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    Judith Jamesson steht mit einem Foto ihres erschossenen Hundes Maja vor dem Strafgerichtsgebäude.
    Judith Jamesson steht mit einem Foto ihres erschossenen Hundes Maja vor dem Strafgerichtsgebäude. Foto: Stefan Puchner, dpa

    Das Bild ihrer erschossenen Hunde auf der Wiese, so gibt Judith Jamesson vor Gericht zu Protokoll, reiße sie auch nach über einem Jahr noch aus dem Schlaf. Vor allem, wenn sie Schüsse hört – und Schüsse hört sie regelmäßig, denn ihr Haus liegt im spärlich besiedelten Südosten von Königsbrunn (Landkreis Augsburg) nahe am örtlichen Jagdrevier.

    Die Ursache für Jamessons Albträume: Am Morgen des 10. Juli 2018 hat keine 200 Meter vor ihrer Haustüre der 53-jährige Jagdpächter ihre beiden Hunde Leni und Maja erschossen, denen er unterstellte, sie würden wildern. Dafür wurde er am Mittwoch vor dem Amtsgericht Augsburg zu 90 Tagessätzen á 50 Euro verurteilt. Mehr als die Geldstrafe von 4500 Euro wird den Mann schmerzen, dass er damit auch seinen Waffenschein verliert. Laut Gesetz gilt unter anderem als „waffenrechtlich unzuverlässig“, wer zu einer Geldstraße von mehr als 60 Tagessätzen verurteilt wird.

    Der Richter ahndete auch die direkten Folgen für die Hundehalterin

    Mit dem Urteil ahndete Richter Roland Fink nicht nur die Sachbeschädigung – Hunde gelten juristisch betrachtet als Sachen – und strafbare Tiertötung, sondern auch die direkten Folgen für die Hundehalterin. Der Jäger hatte nämlich die 38-Jährige nach den ersten Schüssen zu den Hunden geholt. Als er sah, dass eines der Tiere noch lebte, schoss er ihm vor den Augen der Besitzerin in den Kopf. Judith Jamesson musste sich übergeben, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Für das Gericht eine „Abweichung vom medizinisch normalen Zustand“, der Auslöser deshalb eine fahrlässige Körperverletzung.

    Der Prozess in Augsburg lenkt den Blick auf eine viel diskutierte Frage: Wann dürfen Jäger eigentlich auf Hunde schießen. Der angeklagte Jäger (Verteidiger Gerhard Ackermann) hatte geschildert, dass die beiden Hunde, die im Herbst 2016 von einem Tierschutzverein in die Familie gekommen waren, regelmäßig durch sein Revier streunten, Spaziergänger und Reiter belästigten und auch Hasen und Rehen nachstellten. „So ist deren Jagdtrieb wiedererwacht“, behauptete der Mann. Er habe die Halter, mit denen er weitläufig verwandt ist, oft ermahnt, ihre Hunde besser unter Kontrolle zu halten, und dabei auch gedroht, er werde die Tiere sonst erschießen.

    An jenem Morgen habe er beobachtet, wie sie ein Reh in ein Maisfeld verfolgten, mit einem erbeuteten Hasen zurückkamen, sich dann aber auf den Weg nach Hause machten. Dann habe einer der Hunde eine „Vorsteher-Haltung“ eingenommen, für den Jäger ein Zeichen, dass er Wild gewittert habe und die beiden wieder jagen würden. Da habe er auf sie geschossen.

    Jäger haben das Recht, wildernde Hunde und Katzen zu erschießen

    Diese Schilderung nahm ihm das Gericht nicht ab. Denn er hatte dieses wichtige Detail weder bei der polizeilichen Vernehmung kurz nach der Tat noch bei seinem Einspruch gegen den Strafbefehl im Mai 2019 vorgebracht. Zudem widerlegten für Richter Fink die Beobachtungen eines zufälligen Zeugen auch andere Angaben des Jägers. Für den Richter stand fest, dass der – entgegen jagdrechtlichen Vorschriften – aus seinem Auto auf die Hunde geschossen und die Wirkung der Schüsse nicht kontrolliert habe, sondern gleich zur Hundehalterin gefahren sei.

    Für die juristische Beurteilung der Tat war aber letztlich ein anderer Aspekt ausschlaggebend. Jäger haben in Deutschland das Recht, wildernde Hunde und Katzen zu erschießen. Doch die Definition, wann dies der Fall ist, ist in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich, die Vorschriften können zudem interpretiert werden. Auf Hunde, die durch Feld und Wald streunen, darf ein Jäger in Bayern keinesfalls schon deshalb schießen, weil er den Verdacht hat, sie haben gewildert oder könnten es bald tun, erläuterte Richter Fink. Solch ein drastisches Einschreiten ist nur gerechtfertigt in dem Moment, in dem der Hund „erkennbar dem Wild nachstellt“. Wenn der Vierbeiner also nur hinter einem Hasen oder einem Reh herläuft, aber keine Chance hat, das Wild zu erwischen, darf der Jäger nicht schießen.

    In Bayern dürfen Hunde im Wald auch frei laufen gelassen werden. Denn das Landes-Naturschutzgesetz garantiert den Bürgern das Recht auf Naturgenuss mit ihrem Vierbeiner, auch beispielsweise in Privatwäldern. Doch solche großzügigen Regelungen gibt es nicht in allen Bundesländern, mitunter gibt es einen Leinenzwang. Katzen dürfen dagegen eher getötet werden. Hier reicht es nach dem Gesetz, wenn die Katzen mehr als 300 Meter vom nächsten Gebäude entfernt herumstreunen.

    Jäger hätte das Verhalten der Hunde melden müssen

    Im Prozess wurde auch angesprochen, warum der Angeklagte die streunenden Hunde nicht bei Polizei oder Ordnungsamt gemeldet habe. Wegen der weitläufigen Verwandtschaft wollte er keine Anzeige erstatten, so der Jäger. Eine falsche Entscheidung. Er hätte das „zweifellos vorhandene Fehlverhalten der Hundehalter“ den Behörden melden müssen, machte Richter Fink deutlich und betonte: „Es geht nicht an, dass ein Jäger sagt: ,Pass auf deine Hunde auf, sonst erschieße ich sie.’!“

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