Es muss das Jahr 1988 gewesen sein, als die letzte gekaufte Nudelpackung aus dem Schrank von Familie Kratzer verwendet wurde. Bereits früh habe seine Mutter angefangen, mit der Küchenmaschine im Keller Nudeln zu machen, erinnert sich Andreas Kratzer an seine Kindheit. Mit den Jahren sind die Maschinen größer geworden, erklärt der 46-Jährige und präsentiert stolz seine kleine Nudelfabrikation mitten in Gablingen. Dort stehen italienische Maschinen, die gerade die richtige Größe für die Nudelproduktion auf dem Kratzerhof haben.
Dienstags und freitags laufen die Maschinen buchstäblich heiß, denn an diesen beiden Tagen werden Nudeln gefertigt – pro Produktionstag 700 Kilogramm Nudeln.
Die Nudelproduktion beginnt in den sogenannten Grieß-Silos. Einer ist mit Hartweizengrieß aus Landshut gefüllt, der zweite mit Dinkelgrieß aus Friedberg. Verarbeitet wird das Grieß in 25-Kilogramm-Chargen. Pro Produktionstag wird 28 Mal eine 25-Kilogramm-Charge Grieß in den Mischer geblasen. Dort mischt Andreas Kratzers Mitarbeiter acht Liter Eier dazu und ergänzt die Grieß-Ei-Mischung mit den nötigen Gewürzen. 20 Minuten lang knetet die Maschine die Zutaten zu einem Eiernudelteig. Ausgeglichen wird der Teig mit maximal 200 bis 600 Milliliter Wasser.
Grünen Nudeln wird Spinat zugesetzt
Aus dem Mischer wird der Nudelteig in die Presse gekippt. Der Pressvorgang erfolgt in einem Vakuum, sodass keine Lufteinschlüsse im Nudelteig sind und „damit die Nudeln nicht reißen“, erklärt Kratzer. Der Abschluss des Presskanals ist eine von insgesamt zehn unterschiedlichen Matrizen, die je nach gewünschter Form eingesetzt werden. „Am beliebtesten sind Spaghetti“, verrät der 46-Jährige. Doch auch Spirelli, Bandnudeln, Gabelspaghetti, Hörnchen, Rigatoni, Wellenband-, Schnitt-, Fadennudeln und Riebele gibt’s aus dem Hause Kratzer. Aus den zehn Matrizen werden etwa 25 verschiedene Sorten, denn einige Nudeln gibt es auch in „bunt“: Die grünen Nudeln erhalten durch die Zugabe von Spinat ihre Farbe, dem roten Teig wurden Tomaten zugesetzt.
Eine weitere Spezialität aus Gablingen, die Dinkelnudeln, werden nicht etwa aus Dinkelmehl und Wasser hergestellt, sondern aus Dinkelgrieß. „Das macht die Nudeln viel bissfester“, erklärt der 46-Jährige. Und auch eine wahrlich ungewöhnliche Spezialität steht im Ladenregal: Khorasan-Nudeln. Einige kennen den Khorasan-Weizen auch als Kamut. Dabei handelt es sich um eine alte Sommerweizen-Sorte. Ein Kollege von Kratzer hat angefragt, ob sich aus Khorasan-Grieß nicht auch Nudeln fertigen lassen – und das Resultat steht nun im Hofladen.
Sobald der Teig die formende Matrize durchwandert hat, landen die fertig geformten Nudeln auf einem Förderband, das sie direkt in den Vortrockner bringt. Dort werden die Nudeln bei etwa 60 Grad Grad vorgetrocknet bevor sie auf einem Netz gelagert und in den Trocknungsraum gebracht werden, wo sie eine Nacht bleiben. Anschließend werden die Nudeln in einen Trichter gekippt, der zur Waage führt. Hier werden die Nudeln abgewogen.
Spaghetti erfahren eine Sonderbehandlung
Am Ende des Rohrsystems ist dann wieder Handarbeit gefragt. Hier werden per Fußpedal je 500 Gramm Nudeln in Papiertüten abgefüllt und dann manuell verschlossen. Eine Sonderbehandlung erfahren nur die Spaghetti, die hängend getrocknet werden und eineinhalb Tage im Trocknungsschrank bleiben, bevor sie verpackt werden.
Die Zutat, die den unvergleichlichen Kratzer-Nudelgeschmack ausmacht, ist der hohe Anteil an Eiern. Kratzernudeln bestehen zu 29 Prozent aus Eiern. Reguläre Eiernudeln haben maximal 20 Prozent Ei-Anteil. Produziert werden die Eier von 3000 Legehennen, die aktuell in drei Ställen in Volierenhaltung untergebracht sind. Geht es nach Andreas Kratzer, sollte sich das bald ändern. Schon für den nächsten Sommer wünscht er sich einen neuen Stall für seine Legehennen. Ein Freilandstall schwebt ihm vor – und zwar mit einem ungewöhnlichen Finanzierungskonzept, bei dem die Kunden, die Interesse haben, sowohl mitfinanzieren als auch später bei der Haltung mitsprechen dürfen. Um diesen Ansatz umzusetzen, braucht es aber noch einen genauen Fahrplan zum bereits ausgearbeiteten Konzept – und ein passendes Grundstück.
Kooperation spart Kratzer viel Geld
Bis es soweit ist, ist der innovative Unternehmer keineswegs untätig. Er setzt auf Kooperation, Innovation und das Internet. Eine Kooperation, die Kratzer bares Geld spart, ist die Maschinengemeinschaft, in der alle landwirtschaftlichen Geräte verfügbar sind, die er auch braucht, um die 15 Hektar Land zu bestellen, auf denen Mais, Weizen, Sojabohnen und Gras wachsen.
Seinen Innovationsgeist hängt er selten an die große Glocke, doch nahm er erst kürzlich an einem Coaching-Programm zum „Unternehmer der Zukunft“ teil und macht gerade eine Fortbildung zum Thema „Landerlebnisreisen“, um seine Kunden noch besser hinter die Kulissen seines Betriebes blicken zu lassen.
Auch für seinen Betrieb hat er einen klaren Fokus: Er will genau die Lebensmittel herstellen, die sich seine Kunden wünschen. So lautet das erklärte Ziel des 46-Jährigen. Und das funktioniert aktuell bereits ganz gut: In seinen Hofladen nach Gablingen kommen etwa 500 Kunden. Auch können die Kratzer’schen Nudeln bei einigen Wiederverkäufern erstanden werden. Darüber hinaus hat er den Online-Handel für sich entdeckt. Bereits jetzt sind seine Nudeln bei Amazon zu bekommen.