Freunde, Verwandtschaft, enger Familienkreis, Nachbarn: Das soziale Umfeld vieler Menschen im Augsburger Land hat sich während der Corona-Pandemie verändert. "Wir ziehen uns auf das Nahfeld zurück", sagt Prof. Jens Luedtke, Leiter des Lehrstuhls Soziologie an der Uni Augsburg. „Die Menschen sind zusammen, aber sie sind in Kleingruppen gewissermaßen verinselt. Der Kontakt dazwischen bricht möglicherweise etwas ab.“ Der Soziologe sieht darin eine Gefahr.
Soziologe zu Corona: "Lebenssituation für längere Zeit anpassen"
"Ich kann das Virus eindämmen, aber es kann sein, dass die Gesellschaft kaputtgeht, wenn die Menschen keine Kontakte mehr untereinander haben“, sagt Luedtke. Er kritisiert: Die Politik hätte besser kommunizieren müssen, wie gefährlich Covid-19 ist. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, die Bevölkerung von Anfang an auf längere Maßnahmen einzustellen. Mit kurzfristigen Regeln wie einem "Lockdown light" gebe man den Menschen immer wieder die Hoffnung, nur kurz durchhalten zu müssen. Luedtke sagt: „Ich fürchte, damit wird es nicht getan sein. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass wir unsere Lebenssituation für eine längere Zeit den veränderten Bedingungen anpassen.“
Dazu gehört, sich an die geltenden Corona-Vorschriften zu halten. Geht es nach der Statistik der Polizei, haben die Menschen im Augsburger Land das verinnerlicht. Das
Corona bedrückt die Menschen und fördert Ungleichheiten
Restaurants, Freizeitmöglichkeiten oder Schulen wurden damals geschlossen. So etwas gehe ganz allgemein an den Menschen nicht spurlos vorbei, sagt Soziologe Luedtke. Die Zufriedenheit mit dem Leben und der Partnerschaft sinke und bei Eltern steige die Belastung. Kinder und Jugendliche bedrücke die Unsicherheit, ob man überhaupt zur Schule gehen könne. „Für sie hat es Folgen, wenn sie von ihren Kontakten ausgesperrt werden. Sie sind für die Entwicklung enorm wichtig“, sagt Luedtke.
Eine weitere Belastung: soziale Ungleichheiten. Die sind durch Corona gestiegen: Mütter hätten auch bei gleicher Arbeitszeit wie die Väter ihre Betreuungszeit erhöht, sagt Luedtke. „Frauen haben eine höhere Belastung, das gilt auch in vielen Familien, wo die Arbeitsteilung vor Corona ausgeglichen war.“ Die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen sei aber nicht der einzige Unterschied: Die Arbeitslosigkeit steige im Vergleich zum Februar bis Jahresende an. Luedtke: „Je länger die Pandemie dauert, desto mehr stehen wir vor ganz erheblichen gesellschaftlichen Umbrüchen."
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