Eine Betreuerin berichtete vor Gericht über den Zustand der Frau. Alltägliche Aufgaben würden sie überfordern. Ein fester Freund sei für sie jemand, mit dem sie sich unterhalten, mit dem sie kuscheln und Händchen haltend durch die Stadt laufen kann. An sexuelle Handlungen denke sie nicht. Als sie einen Mann in einem Imbiss kennenlernte, lud sie ihn unverbindlich zum Reden nach Hause ein. Noch am selben Abend klingelte es an der Tür und die Frau empfing den Gast. Es war der Beginn einer unheilvollen Geschichte.
Zur Begrüßung gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. In der Wohnung wollte der Mann sexuell aktiv werden, was die Frau aber ablehnte. Dann vergewaltigte er sie. Bedingt durch ihre kindliche Sicht auf Sexualität wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte. Als der Mann die Wohnung wieder verließ, bot sie ihm an, wiederzukommen und gab ihm zum Abschied wieder einen Kuss auf die Wange.
Prozess um Vergewaltigung: Das Opfer hatte Albträume
Als wenige Tage später die pädagogische Betreuerin routinemäßig zu Besuch kam, erzählte die Frau unter Tränen von dem Vorfall. Seit der Vergewaltigung habe sie Probleme in ihrer eigenen Wohnung zurechtzukommen. Den Stuhl, auf dem der Vergewaltiger saß, habe sie entsorgt. Aus der Wohnung ausziehen konnte die Geschädigte nicht – dafür war kein Geld da. In eine Wohngemeinschaft mit anderen geistig Behinderten wollte sie nicht. „Sie ist sehr stolz auf ihre Wohnung“, sagte die Betreuerin. Schließlich wurden die Möbel umgestellt und neu gestrichen, um die Frau nicht dauernd an den Vorfall zu erinnern. Vor Gericht tat sie sich schwer, den Vorfall zu schildern: „Ich hatte schreckliche Angst in der Wohnung und hatte Albträume.“
Die Strafe für den Täter fällt vergleichsweise mild aus
Der Angeklagte legte ein Geständnis ab und zahlte bereits 5.000 Euro Schmerzensgeld. „Es tut mir Leid, was passiert ist“, sagte er. Staatsanwältin Koch und die Nebenklage-Vertreterin plädierten für eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung sowie eine Geldauflage von 2.500 Euro. Da der Täter geständig war und Schmerzensgeld gezahlt hatte, hielten sie eine mildere Strafe für angemessen. Dem schloss sich Verteidigerin Rona Narlioglu an. Sie ging noch weiter und sprach sich gegen eine Geldstrafe aus. Weil ihr Mandant durch sein Geständnis dem Opfer Details vor Gericht erspart hatte, sollte auf eine Geldauflage verzichtet werden.
Richterin Alena Weidemann und die Schöffenrichter stimmten dem zu. Weidemann sagte in der Urteilsbegründung: „Es handelt sich um eine Tat, die nicht am oberen Rand der Strafzumessung anzuordnen ist.“
Es dürften allerdings die psychischen Folgen, unter denen die Frau leidet, nicht vergessen werden. Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird, verurteilt. Außerdem muss er die Prozesskosten tragen.
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