Um auf ihre schwierige Lage aufmerksam zu machen, protestierten jüngst rund hundert Landwirte aus der Region vor dem Aldi-Logistikzentrum in Kleinaitingen. Mit Autos und Traktoren blockierten sie die Zufahrtsstraße, um ein Zeichen zu setzen und den Discounter zum schnellen Handeln aufzufordern.
Corona-Krise in der Landwirtschaft: Bauern verdienen weniger Geld
Mit dabei war Steffi Egger aus Langerringen. Seit Ausbruch der Corona-Krise gehe die Schere zwischen dem Preis, den Verbraucher zahlen, und dem Preis, den Erzeuger erhalten, immer weiter auseinander. "Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Handel die Taschen vollmacht", sagt Egger. Auf ihrem Hof in Langerringen hält sie 85 Milchkühe - gerade so viel Arbeit, wie sie als Familie noch stemmen können. Im Landkreis liegt der Durchschnitt bei 40 Kühen pro Betrieb. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten listet für dieses Jahr 516 Kuhhalter mit knapp 20.900 Tieren im Landkreis.
Für einen Liter Rohmilch erhält Egger aktuell rund 33 Cent. Der Milchpreis sei stabil niedrig. "Wir bekommen gefühlt seit 30 Jahren das gleiche Geld", sagt Egger. Dabei würden neben der Arbeit auch die Auflagen und Mehrkosten stetig zunehmen. Um die Produktionskosten zu decken, müssten Molkereien nach Ansicht der Landwirtin mindestens zehn Cent mehr zahlen. Der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) fordert eine Erhöhung um 15 Cent pro Liter Rohmilch.
Milchviehhalter protestieren bei Molkerei Müller in Aretsried
"Die Preise, die der Handel zahlt, müssen kurzfristig rauf. Langfristig brauchen wir einen Systemwechsel", betont Egger. Dafür zog sie mit anderen Landwirten vor das Aldi-Logistikzentrum. Gemeinsam übergaben sie ein Forderungspapier an den dortigen Lagerleiter. Noch vor Weihnachten sollten erste Gespräche stattfinden, weiß Egger. Ein kleiner Lichtblick. Der Protest bei Aldi war nicht die einzige Aktion.
Jüngst wandten sich Milchviehhalter in ganz Deutschland immer wieder mit Forderungen an die Molkereien. Auch Walburga Meitinger aus Dinkelscherben-Ried, Kreisvorsitzende des BDM, beteiligte sich und zog mit einer Kollegin vor die Molkerei Müller in Aretsried - eine Resonanz blieb aus. "Niemand war bereit, unser Forderungspapier entgegenzunehmen. Eine Stellungnahme haben wir bisher auch nicht bekommen", sagt Meitinger.
Molkereien sind dem Druck der Lebensmittelhändler ausgesetzt
"Corona hat die Situation verschärft", sagt Meitinger. Wegen der Pandemie seien der Bedarf in der Gastronomie gesunken und der Absatz eingebrochen. Das werde vonseiten der Verarbeiter nun als Argument genommen, die Preise nicht zu erhöhen. Denn auch die Molkereien seien dem Druck der Lebensmittelhändler ausgesetzt. Verbraucher hätten in der Krise teils weniger Geld zur Verfügung und würden eher zu günstigen Produkten greifen.
Auch Landwirt Alfred Birkle aus Hiltenfingen hat sich am Protest beteiligt. "Wir haben eine Grenze erreicht, an der es eigentlich nicht mehr geht. "Ohne ein zweites Standbein kommt man kaum noch über die Runden." Auf seinem Hof in Hiltenfingen hält er rund 70 Kühe. Neben einem Milchautomaten erwirtschaftet er über den Landschaftspflegeverband zusätzliches Einkommen.
Augsburger Land: Kartoffelpreise in der Corona-Krise im Keller
Auch Kartoffelbauern hätten es heuer schwer, weiß Karl Wagner, der Schwabmünchner Ortsobmann des Bauernverbands. Weil die Gastronomie lahmliegt, würden kaum Pommes nachgefragt. Die Kartoffelpreise seien eingebrochen. Mit der Corona-Pandemie sei auch der Preis für Schweinefleisch im Keller - teils um bis zu 50 Prozent, sagt Martin Mayr aus Kutzenhausen. Er ist der Kreisobmann beim Bayerischen Bauernverband. Für ein Ferkel bekommt Landwirt Stefan Hutter aus Großaitingen aktuell etwa 40 Euro, alle Zuschläge mit eingerechnet. Doch in der Haltung kostet ihn ein Tier rund 56 Euro. "Ich zahle momentan nur drauf, die Situation ist desaströs." Hutter hofft, dass sich die Lage im nächsten Jahr bessere: "Wir mussten häufig Niedrigpreisphasen erleben, aber der Markt hat sich immer wieder beruhigt."
In der Gastronomie fehlt Absatz von Schweinefleisch
Wegen der Corona-Krise sind die Schlachtkapazitäten gesunken. In den Betrieben fehlt es an Personal, es herrscht ein "Schweinestau". Das hat Folgen. Stefan Hutter wird seine Ferkel nicht mehr so schnell los. "Ich bin acht bis 14 Tage im Verzug", sagt der Landwirt. Normalerweise verkauft er ein Ferkel, wenn es rund 28 Kilo wiegt. Jetzt steht es länger im Stall und wiegt am Ende rund sieben Kilo mehr. Für den Landwirt bedeutet das: höhere Futterkosten, weniger Platz im Stall und am Ende weniger Geld. Denn während der Grundpreis für ein Ferkel vor der Pandemie bei bis zu 75 Euro lag, ist er inzwischen auf rund 30 Euro gesunken.
Neben den Einbrüchen im Schlachtbetrieb wirke sich auch der fehlende Absatz in der Gastronomie negativ aus, weiß BBV-Kreisobmann Martin Mayr. "Wir sind Teil eines durchgetakteten Wirtschaftssystems. Wenn ein Zahnrad nicht läuft, hinterlässt das überall Probleme", sagt der Landwirt aus Kutzenhausen. Er ist überzeugt: "Die Schweinehalter sind von der Corona-Pandemie am härtesten getroffen." Denn der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest setzt sie zusätzlich unter Druck, der Exportmarkt ist weggebrochen.
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