Der Lech? Das war für Eberhard Pfeuffer nicht mehr als ein Name, als er 1978 erstmals nach Augsburg kam, um im Univiertel möglicherweise eine Arztpraxis zu übernehmen. Das Areal am Eiskanal gefiel ihm und seiner Frau Renate spontan, bald genossen sie auch die Spaziergänge im Stadtwald. Aber der Lech? „Ich wusste vom Lech nichts“, räumt er im Gespräch mit unserer Zeitung offen ein. „Ich hatte keine Ahnung vom Wildfluss, der er war.“ Das änderte sich schlagartig einige Monate später.
Schlüsselerlebnis an der Staumauer
Das Schlüsselerlebnis, das sein Interesse am und sein Engagement für den Lech befeuerte, kann Pfeuffer genau benennen. Er war bereits ein paar Mal zum Hurlacher Felsen, einem Tuffstein direkt am Lech, gewandert. „Es war noch ein schöner Fluss mit Strömung“, erzählt Pfeuffer. „Die Staumauer war sicher schon im Bau, aber das wussten wir nicht.“ Dann kam der Tag, an dem er dort erstmals am aufgestauten, trägen, gezähmten Lech stand. „Es war ein Schock“, erinnert sich der 76-Jährige. „Ab da hat mich der Lech interessiert.“
Dieses Interesse hat sein Leben außerhalb von Familie und Beruf geprägt. Es hat ihn zur Lech-Allianz und in den Naturschutzbeirat der Stadt Augsburg geführt, ab 1996 für 16 Jahre an die Spitze des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben.
Es hat ihn zum Experten für Heuschrecken, vor allem die an den Ufern des Lech, gemacht, es hat ihn auf die Spur des Lech-begeisterten Naturforschers Heinz Fischer (1911-1991) gebracht – und es führt nun dazu, dass die Stadt Königsbrunn Dr. Eberhard Pfeuffer mit ihrem Kulturpreis 2019 auszeichnet. Sie würdigt damit seinen intensiven Einsatz, den Nachlass Fischers zu sichern und für das neugestaltete Naturmuseum der Stadt nutzbar zu machen.
Aufgewachsen ist Pfeuffer im Spessart
Der Lech ist, wenn man so will, der dritte große Fluss in Pfeuffers Leben. Seine Wiege stand am Main, in Würzburg. Aufgewachsen ist er aber in einem abgelegenen Forsthaus im Spessart. Zum Spielen, so erzählt er, zog er oft in den Wald, etwa um dort Molche zu beobachten.
In den späten 1950er Jahren besuchte er ein Gymnasium in Regensburg, wo ihn die Donau faszinierte: „Wenn wir bei unserem Training im Ruderklub Pause machten, dann konnte man vom Boot aus hören, wie der Kies knirschte, den die Strömung mittrieb.“
Nach dem Schlüsselerlebnis am Hurlacher Felsen suchte er Kontakt zu Menschen, die sich mit dem Lech und der Natur an seinen Ufern auskannten. Zum Beispiel zum „Wasser-Sepp“: Der habe auf Vorträgen berichtet, wie er auf dem Lech in drei Tagen von Tirol nach Augsburg gepaddelt ist. Pfeuffer lernte Dr. Fritz Hiermeyer kennen, einen Arzt und engagierten Hobby-Botaniker, der ebenfalls noch den ursprünglichen Lech gesehen hatte. Und Norbert Müller, genannt „Lech-Müller“. Der war von 1979 bis 1998 erst wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Leiter des Dezernates für Landschaftsökologie und Naturschutz der Stadt Augsburg und übernahm dann eine Professur für Landschaftspflege und Biotopentwicklung an der Fachhochschule Erfurt. Pfeuffer erlebte auch noch Dr. Fischer, als der bei einem Vortrag seine Fotos des alten Lech zeigte. „Ich war sehr beeindruckt, konnte danach gar nicht schlafen“, erinnert er sich. Mit Fischer und dessen Arbeiten über den Lech befasste sich Pfeuffer denn intensiv, als er Ende der 1990er Jahre daran ging, ein umfassendes Buch über den Lech zusammenzustellen. „Über die Isar gab es damals fünf oder sechs Bücher, über den Lech nur ein einziges – und das war eher eine Sammlung von Sagen und Anekdoten“, erläutert Pfeuffer sein Motiv.
Der Lech als Paradebeispiel für einen Wildfluss
Der Lech sei damals im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht verankert gewesen, stellt er fest, – jedenfalls nicht in der Bedeutung, die ihm zukomme. Denn der ursprüngliche Lech sei „das Paradebeispiel für einen Wildfluss“. Gleichzeitig war er seit der Römerzeit auch ein wichtiger Transportweg – die Stadt Augsburg habe dem Lech fast alles zu verdanken.
Pfeuffer interessiert sich in erster Linie für die Natur an den Ufern des Lech, von Fischer übernahm er die Begeisterung für Heuschrecken. Weil jede Art sehr spezifische Standortfaktoren habe, könne man am früheren Vorkommen einzelner Arten, das Fischer dokumentiert hat, die damalige Uferlandschaft bis in kleine Räume rekonstruieren.
Wer mit Dr. Pfeuffer eine Weile über sein Lieblingsthema spricht, der spürt neben dessen Begeisterung für die Natur rasch einen weiteren Wesenszug – seine Bescheidenheit. So stellt er nicht sein Fachwissen über den Lech und die Heuschrecken heraus, sondern betont, wieviel er Hiermeyer, Müller und Fischer verdanke. Er selbst sei da „eigentlich nur ein Trittbrettfahrer“.
Auf die vier Bücher, die er neben seiner Arbeit als Arzt herausgebracht hat – drei zum Lech und eines über Augsburger Naturforscher – muss man ihn gezielt ansprechen.
Eine Erholung vom Arztberuf
So will er auch seinen Einsatz bei der peniblen Digitalisierung der 998 Fotos, die Fischer vor 1952 vom unregulierten Lech anfertigte, nicht hoch hängen. „Das war doch ein Geschenk, eine Erholung vom Arztberuf, da konnte ich jeden Abend nach der Arbeit in eine andere Welt eintauchen.“
Diese Fotos vom ehemals ungebändigten Lech nennt Pfeuffer den „Schatz meines Lebens“. Das Lob, diesen Schatz gesichert und für die Öffentlichkeit aufbereitet zu haben, will er nicht alleine annehmen.
Er freue sich über die Auszeichnung mit dem Kulturpreis der Stadt Königsbrunn, betont Pfeuffer zum Abschluss des Gesprächs mit unserer Zeitung: „Ich möchte das aber auch als Anerkennung verstanden wissen für die viele Arbeit, die für das Naturmuseum geleistet wurde, für alle, die immer dazu geholfen haben.“