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Kriegsende: Helden, Henker und die Amerikaner - das Kriegsende in der Region

Kriegsende

Helden, Henker und die Amerikaner - das Kriegsende in der Region

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    Das Kriegsende 1945: Das Foto zeigt den Einmarsch der Amerikaner in Krumbach.
    Das Kriegsende 1945: Das Foto zeigt den Einmarsch der Amerikaner in Krumbach. Foto: Sammlung Hilber (Symbol)

    Erst die Corona-Krise hat das Ritual unterbrochen. Tag für Tag trafen sich bis vor wenigen Wochen Frauen aus Baiershofen (Gemeinde Altenmünster) in der Pfarrkirche, um einen Rosenkranz zu beten. Sie dankten dafür, dass ihr Dorf in den letzten Kriegstagen vor 75 Jahren nicht zerstört wurde. Der kleine Ort im Nordwesten des Augsburger Landes war einer von wenigen hochmodernen Radarstandorten des Dritten Reiches und geriet deshalb am 25. April 1945 ins Visier der amerikanischen Artillerie. Ein Kind starb, mehrere Häuser wurden beschädigt. Doch ein Großteil der Geschütze schoss über das Dorf hinweg - und deshalb erinnern noch 75 Jahre nach Kriegsende die Frauen aus dem Dorf daran, dass damals der „Gottesmantel über Baiershofen ausgebreitet wurde“.

    Andere hatten weniger Glück: In Emersacker, ganz im Norden des heutigen Landkreises Augsburg starben am 26. April noch neun Einwohner, auch ein Kind und mehrere Frauen, durch eine verirrte Granate der US-Truppen.

    Der Zweite Weltkrieg endete

    Vor 75 Jahren ging mit dem Einmarsch der US-Truppen für die Menschen im Augsburger Umland der Zweite Weltkrieg zu Ende. Es kam zu letzten sinnlosen Kämpfen und Gräueln, von denen sich manche tief ins Gedächtnis der Bevölkerung eingegraben haben. Zeitzeugen gibt es nur noch wenige.

    In Baiershofen beten Frauen auch nach 75 Jahren noch täglich einen Rosenkranz zum Dank.
    In Baiershofen beten Frauen auch nach 75 Jahren noch täglich einen Rosenkranz zum Dank. Foto: Archiv Michael Kalb

    Zu ihnen gehört der Gersthofer Ehrenbürger Josef Schuler. Er erlebte als 14-Jähriger mit, wie US-Flieger in Aystetten einen Nahverkehrszug der Weldenbahn angriffen. 40 Menschen kamen in dem Inferno am 10. April 1945 ums Leben. Getroffen werden sollten, so die Vermutung, Arbeiter, die auf dem Weg zu einer der geheimen Rüstungsfabriken im Augsburger Umland waren. An die Blechschmiede bei Horgau und das Waldwerk Kuno, in dem Zwangsarbeiter Hitlers Wunderwaffen bauten, wird heute an Ort und Stelle erinnert.

    Zwangsarbeiter ziehen nach Klimmach

    Vier Tage lang zogen Ende April 1945 bis zu 1500 Zwangsarbeiter durch den heutigen Landkreis, anscheinend von Pfersee aus in Richtung Stadtbergen über Straßberg und weiter bis nach Klimmach, wo der Trupp am Morgen des 27. April auf amerikanische Truppen stieß. Für manche kam die Befreiung zu spät: Bis Ende Mai starben 26 von ihnen an Erschöpfung oder auch Typhus. Anscheinend hatten eine ganze Reihe in Schwabmünchen ein Lager mit giftigem Methylalkohol gefunden - woraufhin weitere 40 gestorben sein sollen.

    Brücken, die mit Sprengladungen versehen waren, und Straßen, die in einen Hinterhalt führten: So sah es in vielen Orten im heutigen Landkreis in den letzten Tagen des April 1945 aus. Es war die Stunde beherzter Zivilisten, die vielerorts durch Überredung noch obrigkeitstreue Wehrmachtssoldaten, SS-Truppen oder den Volkssturm davon abhielten, das Unglück zu verlängern.

    An diesem Baum starb kurz vor Kriegsende ein junger Mann.
    An diesem Baum starb kurz vor Kriegsende ein junger Mann. Foto: Archiv Michael Kalb

    Einer dieser Helden war Karl Gaa in Zusmarshausen. Der Spenglermeister verhinderte, dass die Zusambrücke gesprengt wurde, an der bereits die Sprengladungen hafteten. Um die deutschen Soldaten abzulenken, sollen sie mit Bier, Wurst und Brot im Anwesen Zech bewirtet worden sein. Spenglermeister Gaa konnte derweil an der Brücke unbemerkt die Zündkabel durchschneiden. Als er dann mit seinem Fahrrad auf dem Heimweg in der Ulmer Straße war - vermutlich gegen 1.30 Uhr - detonierte eine Artilleriegranate neben ihm und verletzte den Vater von vier Kindern tödlich.

    In Neusäß gelang es dem späteren Landrat Albert Kaifer, ein friedliche Übergabe des Ortes zu vermitteln. Kuriere zeigten den amerikanischen Truppen den Weg um die Sperren herum. In Schlipsheim hatte es noch Tote unter der Zivilbevölkerung gegeben. Das war am 27. April. Am 29. April gegen 4 Uhr morgens waren die Amerikaner schließlich auch in Stadtbergen eingerückt.

    Auch Kinder mussten noch in den Krieg

    Selbst Kinder im Alter von kaum 16 Jahren wurden in den letzten Wochen vor Kriegsende in Gersthofen als Flak-Helfer eingesetzt. Ein aus vier Kompanien bestehendes Volkssturmbataillon hatte die aussichtslose Aufgabe, mit Panzerfäusten den Feind am Ausgang des Langweider Forstes auf der Donauwörther Straße aufzuhalten. In den letzten Kriegstagen hatte sich aus dem nahen Augsburg auch Waffen-SS in Gersthofen festgesetzt.

    Bevor am 27. April 1945 die Amerikaner den Ort einnahmen, überschlugen sich für die Einwohner die schrecklichen Ereignisse. Tiefflieger griffen den nahe gelegenen Gablinger Flugplatz an, am 27. April traf es Gersthofen selbst. Tieffliegerangriff: 32 kleinere und größere Brände wurden gezählt.

    Auch Thierhaupten wurde Ziel von Tieffliegern, mehr noch aber hat sich ins Gedächtnis des Dorfes der Tod zweier junger Flakhelfer eingebrannt, die nur nach Hause wollten. SS-Schergen erhängten die Jugendlichen vor den Augen entsetzter Dorfbewohner an den Kastanien an der Ostseite des Klosters. Seit fünf Jahren erinnert ein Stahlmantel um einen der Bäume an dieses Verbrechen. (AZ/cf)

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