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Kreis Augsburg: Regina Faust lässt "Tatort" und "Polizeiruf 110" atmen und leben

Kreis Augsburg

Regina Faust lässt "Tatort" und "Polizeiruf 110" atmen und leben

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    Der Schneidtisch gehört der Vergangenheit an. Hier arbeitet Regina Faust mit moderner Technik in den Räumen des Bayerischen Rundfunks.
    Der Schneidtisch gehört der Vergangenheit an. Hier arbeitet Regina Faust mit moderner Technik in den Räumen des Bayerischen Rundfunks. Foto: Siegfried P. Rupprecht

    Die Schauspieler Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl als Kriminalhauptkommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr sind die Aushängeschilder der Tatort-Fernsehserie aus München. Sie stehen an vorderster Kamerafront und sind jedem Krimi-Fan bekannt. Doch auch hinter den Kulissen einer Filmproduktion gibt es entscheidende Rollen, beispielsweise bei der technischen Realisierung. Und in dieser Riege spielt Regina Faust aus Großaitingen mit.

    Die 48-Jährige ist Cutter-Assistentin. Sie ist für die organisatorische und technische Mitarbeit bei der Herstellung von Filmen zuständig. Dies erfordert ein umfassendes Wissen über filmtechnische Abläufe und Zusammenhänge. „Hinzu kommt ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung“, sagt Regina Faust. Sie ist es, die das Bild- und Tonmaterial, das direkt vom Drehort oder von der Post-Produktionsfirma kommt, digitalisiert, anlegt und verwaltet.

    „In meinen Aufgabenbereich fallen unter anderem die technische Kontrolle des Materials im Schneideraum, die Synchronisierung von Bild und Ton nach einzelnen Szenen, Backups und das Ausgeben von Schnittlisten und Tonexport.“ Ihre Arbeit ist die fundierte Basis und Vorbereitung für Cutter und Regisseur.

    Regina Faust war für rund 100 Filme zuständig

    Ihre Filmografie ist bestückt mit Kinospielfilmen, TV-Streifen, Serien und Mehrteilern. Sie war bislang für rund 100 Filme zuständig, davon rund 20 „Tatort“- und sechs „Polizeiruf 110“-Folgen. Weiter arbeitete sie am Schneidetisch für bekannte Serien wie „Herbert und Schnipsi“, „München 7“, „Die Komiker“, „Der Kaiser von Schexing“, „Café Meineid“ und „Forsthaus Falkenau“. Ihre Liste umfasst auch zwölf Kinofilme, so „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“, „Fußball ist unser Leben“, „Erkan und Stefan“ und „Pumuckl und das Zirkusabenteuer“. Daneben schnitt sie auch als Cutterin Industrie- und Kinderfilme sowie Dokumentationen, unter anderem für die hs-Filmproduktion ihres Vaters Helmut Seehuber in Großaitingen.

    Wissenswertes zum "Tatort"

    Der ARD-"Tatort" ist die langlebigste und erfolgreichste Krimireihe im deutschen Fernsehen.

    DER ERSTE FALL: Der erste "Tatort" war "Taxi nach Leipzig", der am 29. November 1970 lief. Der Hamburger Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter) musste einen deutsch-deutschen Mordfall klären. Der 1000. Tatort heißt ebenfalls "Taxi nach Leipzig".

    DIE ERSTE KOMMISSARIN: Als erste Ermittlerin der Reihe schickt der Südwestfunk (SWF) 1978 Kommissarin Marianne Buchmüller (Nicole Heesters) mit "Der Mann auf dem Hochsitz" ins Rennen. Bis 1980 gibt es drei Folgen.

    GIFTSCHRANK: Einige wenige Folgen dürfen nicht wiederholt werden. Sie haben senderintern einen Sperrvermerk. Die Gründe sind verschieden. So spielen bei "Wem Ehre gebührt" verletzte religiöse Gefühle eine Rolle, bei "Krokodilwächter" die große Brutalität im Film.

    DER MISSGLÜCKTESTE "TATORT": Zu den Tiefpunkten der "Tatort"-Reihe zählen Kritiker die Fälle (1996 - 1998) des Berliner Kommissars Ernst Roiter (Winfried Glatzeder). Aus Kostengründen hatten die Folgen eine billig wirkende Optik. Zudem warf man den Filmen vor, zu sexistisch, brutal oder zu wirr zu sein. Die Quoten waren trotzdem passabel.

    DIE MEISTEN ZUSCHAUER: "Rot - rot - tot" sahen am Neujahrstag 1978 mehr als 26 Millionen Menschen. Das entspricht einer Quote von 65 Prozent. In heutiger Zeit wäre das undenkbar.

    DIE MEISTEN TOTEN: Die Folge "Im Schmerz geboren" mit Ulrich Tukur als Felix Murot stellt einen Leichenrekord in der "Tatort"-Geschichte auf. Experten vom "Tatort-Fundus" zählen 51 Leichen.

    DER VORSPANN: 30 Sekunden mit spannender, hastiger Ohrwurmmusik, zwei Augen in Nahaufnahme, das rechte im Fadenkreuz, ein Mann, der abwehrend die Arme hebt, rennende Beine auf nassem Asphalt und ein Fingerabdruck, dessen Linie den Flüchtenden einkreist.

    Wichtige Grundlagen für Regina Fausts Arbeit seinen ein gutes Einfühlungs- und Analysevermögen. Bildästhetisches Urteilsvermögen sind ebenso notwendig wie dramaturgische Kenntnisse und ein sensibles Empfinden für Rhythmus und Tempo, verdeutlicht sie.

    Unter den besten zehn Auszubildenden Deutschlands

    Nach dem Abitur studierte die 48-Jährige mehrere Semester Alte Geschichte, Psychologie und Kommunikationswissenschaft. Zwischendurch arbeitete sie im Altenheim in Bobingen, um ihr Studium zu finanzieren. Dann absolvierte sie eine Ausbildung zur Fotografin. Damals gehörte sie zu den besten zehn Auszubildenden in Deutschland. Bei einem international vom Zentralverband deutscher Berufsfotografen ausgeschriebenen Wettbewerb belegte sie den zweiten Platz. Nach der Lehre ging sie für ein Jahr als Praktikantin zum Bavaria-Kopierwerk in Grünwald. Über dieses Praktikum im Schneideraum kam sie zur Cutter-Assistenz, schnitt zunächst Nachrichtenbeiträge für Pro7 und die „Rundschau“ des Bayerischen Rundfunks (BR).

    Als Schnittassistentin muss Regina Faust immer den Überblick behalten, die Fäden zusammen halten. „Das ist nicht immer einfach, da ich wegen der Zuarbeit immer auf andere angewiesen bin“, betont sie. Der Beruf sei mit Familie oft schwer vereinbar. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei Söhnen, die neun und 14 Jahre alt sind. „Nicht selten sind zwölf und mehr Stunden am Stück, Nacht- und Wochenendarbeit verbunden“, erzählt sie. „Die gedrehten Szenen müssen am nächsten Tag fertig zusammengestellt sein.“

    Schauspieler Jan Josef dreht im Mai 2017 einen ZDF-Dreiteiler, unter anderem in der ehemaligen JVA im Hochfeld. Der Film wird 2018 ausgestrahlt.
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    Immer wieder steht Augsburg im Fokus von Dreharbeiten. Für welche Filme Produktionsteams und Schauspieler schon in die Fuggerstadt kamen.

    Ihre freiberufliche Tätigkeit geht mit dem zweiten oder dritten Drehtag einer Produktion los. In der Regel wird ein TV-Spielfilm in rund 24 Tagen abgedreht. Ein Kinofilm dauert meist etwas länger. Wenn der Schnitt abgenommen wurde, kommt sie erneut ins Spiel: „Dann fertige ich Fassungen für den Vertoner, den Komponisten und für die Post-Produktionsfirma.“

    Analoger Schnitt gehört der Vergangenheit an

    Cutter-Assistenz ist ein Bereich, der sich durch die schnelle technische Entwicklung in den letzten Jahren sehr verändert hat. Der analoge Schnitt am Schneidetisch gehöre längst der Vergangenheit an, so Regina Faust. „Heute läuft fast alles digital am Computer ab.“ Dadurch gebe es auch viele Quereinsteiger aus der IT-Schiene. Dies alles erschwere eine kontinuierliche freiberufliche Arbeit.

    Eine ständige Weiter- und Fortbildung ist daher unabdingbar. Zuletzt besuchte die Großaitingerin den Lehrgang „Multimedia-Design“. Ebenso wichtig ist für sie eine gute Vernetzung in der Szene. Übrigens: Die Gage für die Cutter-Assistentin wird für jeden Film neu verhandelt.

    Seit 2014 ist Regina Faust auch im Archiv des BR aktiv. Dort restauriert sie alte Filme wie die „Café Meineid“-Serie. Seit Kurzem ist sie darüber hinaus als Cutterin für die Kurzfilme „Ene Mene Bu“, eine Mitmachsendung für Kinder im Kinderkanal (KiKa), tätig.

    Demnächst sind gleich zwei TV-Filme mit ihr als Cutter-Assistentin zu sehen. Die Ausstrahlung der schwarzhumorigen Komödie „Falsche Siebziger“ ist im Rahmen des „FilmMittwochs“ im Ersten geplant. Und dann kommt ebenfalls im ersten Programm noch der 75. Fall der „Tatort“-Kommissare Batic und Leitmayr. „Die Liebe, ein seltsames Spiel“ ist ein Krimi über tödliche Liebesbeziehungen.

    „Der Schnitt ist einer der emotionalsten Momente des Filmemachens“, zitiert Faust den italienischen Filmregisseur Federico Fellini. Es sei ungemein aufregend zu sehen, wie ein Film zu „atmen und zu leben“ beginnt. Dem sei nichts mehr hinzuzufügen, meint sie.

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