Der ältere Mann sitzt im Schneidersitz auf seinem Stuhl hinter der Anklagebank. So saß er bereits vor der Verhandlung draußen neben der Tür zum Gerichtssaal, so lauscht er jetzt den Plädoyers von Staatsanwältin und Verteidiger. Diese Sitzhaltung, so scheint es, verschafft ihm innere Ruhe und Sicherheit. Es ist nicht das einzig Ungewöhnliche in dieser Verhandlung vor Richterin Rita Greser am Amtsgericht Augsburg, in der es um gefährliche Körperverletzung mit einem Küchenmesser geht.
Die Tat, die sich im August letzten Jahres in einem Haus in Königsbrunn ereignete, hatte die Polizei offenbar nicht als gravierend eingestuft. Die Beamten, das zeigt sich im Laufe der Verhandlung, stellten die Tatwaffe nicht sicher und fertigten nur einen knappen Bericht über den Vorfall an. Der ging erst vier Monate später an die Staatsanwaltschaft, nachdem das Opfer des Angriffs nachgehakt hatte.
Königsbrunner streitet mit Verwandten wegen schmuddeliger Wohnung
Zwischen dem 57-jährigen Angeklagten und dem Lebensgefährten der Tochter seiner Lebensgefährtin war es an jenem Morgen zum Streit gekommen, nicht zum ersten Mal. Es sei um den schmuddeligen Zustand der Wohnung gegangen, sagen die Zeugen. Der Angeklagte, der mit 15 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen war, sah dahinter aber vor allem Vorurteile gegen Ausländer. Als aus Versehen ein Glas Honig kaputtging, das unter einem Stuhl am Boden stand, spitzte sich die Lage zu. Der Angeklagte gibt vor Gericht zu Protokoll, er habe sich durch die Vorwürfe provoziert gefühlt, aber nicht gewusst, wie er sie erwidern sollte. Er erwähnt psychische Probleme. Sein Verteidiger legt medizinische Belege für Panik- und Angststörungen vor. Vor allem in den Morgenstunden sei er schlecht ansprechbar. „Ich habe ein Messer genommen und gesagt: Bitte lass mich in Ruhe“, sagte der Angeklagte.
„Er ist auf mich los, hat mich am T-Shirt gerissen“, berichtet der Angegriffene. Mit einem Küchenmesser mit neun Zentimeter langer Klinge habe er fünf „leichte Schnitte“ an Hals und Kinn erhalten. Seine Freundin zog den Angreifer zu Boden. „Als er dalag, schaute er mich an, wie wenn er aus einem Traum erwacht“, schildert sie dem Gericht: „Er war ruhig und ließ das Messer fallen.“ Gegenüber den Polizisten habe er sich dann entschuldigt.
Richterin verhängt eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten
Zehn Monate auf Bewährung lautet das Urteil von Richterin Rita Greser am Ende. Dazu eine Geldauflage von 800 Euro, zahlbar in Raten. Denn ein Messer sei ein gefährliches Werkzeug. Wenn sich der Angegriffene gedreht hätte, dann hätte das ganz schlimm enden können, betont sie in der Begründung.
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