Um 9 Uhr morgens klingelt das Telefon. Es meldet sich ein Mann, der sich als Michael Steinbeck von der Augsburger Kriminalpolizei ausgibt. Er erzählt der Frau, in ihrer Nachbarschaft sei eingebrochen worden und sie befinde sich in Gefahr. Es ist die übliche Masche der "falschen Polizisten". Doch in diesem Fall ist eines anders als bei so vielen anderen: Der Täter wurde geschnappt und musste sich vor Gericht verantworten.
Rückblick. Die 49-jährige Königsbrunnerin ist skeptisch. Herr Steinbeck sagt der Frau, sie solle die 110 in ihr Telefon eintippen. Die Signalnummer ist glaubwürdig, und tatsächlich: Es meldet sich ein Mann, der seinen Kollegen bestätigt. Die Königsbrunnerin müsse nun zu ihrer Bank und ihre dort eingelagerten Ersparnisse von 31.000 Euro herausholen, um sie der Polizei auszuhändigen.
Die Königsbrunner Krankenschwester fährt zur Bank und holt das Geld. Der Anrufer ist die ganze Zeit in der Leitung. Die Frau gibt ihm auf Nachfrage Informationen zu ihrem Aussehen, zu ihrem Aufenthaltsort und zu ihrem Auto. Sie soll das Geld zu einem Supermarktparkplatz in Kaufbeuren bringen.
Betrugsversuch in Königsbrunn: Die Frau geht zur richtigen Polizei
Auf dem Weg zu dem Treffpunkt zweifelt die Königsbrunnerin wieder, sie fährt bei der Polizeiinspektion in Bobingen vorbei und schildert den Vorgang. Die Polizei ist alarmiert: Es handelt sich um Betrüger.
Die Polizisten benachrichtigen das Polizeipräsidium Schwaben-Nord, das sich um solche Fälle kümmert. Das Geld bleibt zunächst in der Inspektion. Mit der Unterstützung der Beamten fährt die Frau nach Kaufbeuren, den falschen Polizisten wieder am Telefon. Nachdem der sich wundert, warum die Frau so lange braucht, sagt sie, sie habe ein Medikament holen müssen, tatsächlich war sie jedoch bei der Polizei.
Geldübergabe in Kaufbeuren: Täter ist zehnfach vorbestraft
Um 12.43 Uhr fährt sie auf den Parkplatz und hängt eine Tüte an einen Zaun. Kurz darauf kommt ein Mann und nimmt sie ab. Er schaut kurz hinein, merkt, dass kein Geld drin ist, und lässt sie fallen - dann wird er festgenommen. Der Mann sagt, er habe keine Ahnung, was genau passiert, das beteuert er nun vor dem Amtsgericht Augsburg. Hier muss er sich wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs verantworten.
Der 44-Jährige sitzt mit starrem Blick auf der Anklagebank. Vor Gericht kennt er sich aus, er ist zehnfach vorbestraft wegen Drogenbesitzes und Diebstahls. Im Juli wurde gegen ihn ein Haftbefehl erlassen, er sitzt zurzeit in der Justizvollzugsanstalt in Gablingen. Seine Drogensucht hat ihn auch auf den Parkplatz nach Kaufbeuren gebracht: Der Lagerist ist rückfällig geworden und brauchte Geld, er verdiente nicht viel. Bekannte fragten ihn, ob er sich etwas dazuverdienen möchte, 2500 Euro, um eine Tüte abzuholen. Ein Bekannter aus alten Tagen machte ihm die Aufgabe schmackhaft. Ein anderer Mann, so schildert es der Angeklagte, meldete sich kurze Zeit später am Telefon.
Falscher Polizist in Königsbrunn gehört zu einer kriminellen Bande
Der Mann ist laut den als Zeugen geladenen Polizisten Teil einer Bande. Mit einer Masche versuchen Kriminelle, Menschen zu bestehlen, und zwar im großen Stil: In einem Callcenter in der Türkei sitzen Menschen, die gut Deutsch sprechen und bundesweit Telefonate mit authentischen Nummern führen, so auch mit der Königsbrunner Krankenschwester. Dazu kommen sogenannte Logistiker, die auch in der Türkei sitzen und die Vorgänge organisieren. Einer von ihnen hatte den Angeklagten kontaktiert und in Chatnachrichten über den Abholungs-Ort der Tüte informiert.
Der Angeklagte ist Mittäter und muss zwei Jahre länger in Haft
Nach seiner Festnahme hatte der Angeklagte den Polizisten seine Informationen über die Hintermänner weitergegeben. Die Polizisten gingen davon aus, dass der Angeklagte das erste Mal als Mittelsmann für die Bande gearbeitet hatte.
Aktuelle Fälle: Mit diesen Tricks arbeiten Kriminelle
Falscher Polizist verbreitet Angst vor Einbrechern: Die Opfer – oft Senioren – werden angerufen. Der Anrufer gibt sich als Polizist aus und teilt mit, dass Einbrecher festgenommen worden seien. Ein Täter sei flüchtig. Bei den Einbrechern sei eine Adressliste gefunden worden, auf der auch der Name des Opfers stünde. Dem Opfer wird erklärt, dass ein Einbruch drohe und er alle Wertgegenstände bereitlegen soll. In Kürze komme ein Kollege, der die Sachen „vorsorglich sicherstellt.“ Es gibt noch eine ähnliche Masche: Hier wird dem Opfer erklärt, dass in seiner Hausbank ein „Maulwurf“ sitze und sein Geld dort nicht mehr sicher sei. Das Opfer wird angewiesen, die Konten abzuräumen und das Geld danach einem – natürlich falschen – Polizisten zu übergeben.
Betrug beim Autokauf über das Internet: Das Opfer findet eine Internetanzeige für ein günstiges Auto. Die Kommunikation mit dem Verkäufer findet meist nur per E-Mail statt. Der Täter gibt vor, dass der Wagen im Ausland stehe und von einer Spedition nach Deutschland gebracht werde. Das Opfer könne sich den Pkw dann in Ruhe ansehen. Der Kaufpreis soll vorab auf ein Treuhandkonto des Spediteurs überwiesen werden. Der genannte Spediteur ist oft eine tatsächlich existierende Firma, das Konto gehört aber nicht zu dieser Firma.
Angebote für Immobilien, die es gar nicht gibt: Es ist das gleiche Spiel wie beim Autoverkauf. Nur wird dieses Mal eine günstige Wohnung angeboten. Der Täter gibt vor, im Ausland zu sein und nicht zur Wohnungsbesichtigung kommen zu können. Er verlangt eine Anzahlung auf Kaufpreise oder Miete auf ein Treuhandkonto und will dann die Schlüsselübergabe für die Wohnungsbesichtigung arrangieren. Dafür werden auch echte Anzeigen einfach kopiert und mit neuen Kontaktdaten versehen.
Ein Job als Finanz- oder Paketagent: Die Betroffenen stoßen meist im Internet auf Jobangebote – versprochen werden einfache Arbeit und angemessener Verdienst. Ein persönlicher Kontakt zwischen dem Betroffenen und der angeblichen Firma kommt in aller Regel nicht zustande. Alles läuft übers Netz. Der „Paketagent“ übernimmt Versandaufgaben für die im Ausland sitzenden Täter. Diese bestellen Waren auf den Namen des „Agenten“ und lassen sie zu dessen Adresse liefern. Er sendet die Pakete an eine ausländische Anschrift, meist in Osteuropa, weiter. Die Ware wird von den Tätern nie bezahlt, der „Agent“ bleibt auf den Rechnungen sitzen. „Finanzagenten“ werden von den Tätern benutzt, um an Geld zu kommen, das sie für fingierte Verkäufe im Internet erhalten. Die Täter lassen sich das Geld auf ein Konto ihres „Agenten“ überweisen. Er hebt es ab und leitet es per Bargeldtransferdienst ins Ausland weiter. Den Betroffenen droht dafür auch ein Verfahren wegen Geldwäsche.
Die Chatverläufe auf dem beschlagnahmten Handy des Angeklagten zeigten aber, dass er keine genauen Anweisungen und Informationen vom Planer in der Türkei benötigte. Weil er den Ort der Übergabe bestimmte, ist er laut Rechtsprechung ein Mittäter.
Richterin Sandra Dumberger ging deshalb davon aus, dass der Angeklagte Bescheid wusste über die Vorgänge. Das Schöffengericht verurteilte den Mann wegen Mittäterschaft bei einem versuchten Betrug zu einer Haftfortsetzung von zwei Jahren.
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