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Königsbrunn: Königsbrunner Verein zahlt mit Talenten statt mit Geld

Königsbrunn

Königsbrunner Verein zahlt mit Talenten statt mit Geld

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    Der Vorsitzende der Zeitbörse Königsbrunn Jürgen Müller am Warentauschtag. Bezahlt wird beim Verein aus Königsbrunn in der regel mit der eigenen Währung, den "Talenten".
    Der Vorsitzende der Zeitbörse Königsbrunn Jürgen Müller am Warentauschtag. Bezahlt wird beim Verein aus Königsbrunn in der regel mit der eigenen Währung, den "Talenten". Foto: Claudia Deeney

    "Zeit ist Geld“ dieser Ausspruch wird Benjamin Franklin (1706-1790), einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten, zugeschrieben. Genauer gesagt definierte er in seinem Ratgeber für junge Kaufleute, dass Zeit so wertvoll wie Geld ist, und deshalb genutzt werden sollte.

    In Königsbrunn setzt die Zeitbörse diesen alten Grundgedanken auf eigene Weise um. „Wir setzen Zeit und unsere Talente ein und sparen damit Geld“, sagt Jürgen Müller, Vorsitzender der Zeitbörse.

    Vor rund 21 Jahren gründeten eine Handvoll Königsbrunner die Initiative mit der Zielsetzung, einen Tauschring für aktive Nachbarschaftshilfe ins Leben zu rufen. Was sich für viele Bürger erst einmal gewöhnungsbedürftig anhörte, hat sich bestens etabliert. Heute hat sich der lose Bund, mit ursprünglich 20 Interessierten zu einem eingetragenen Verein mit über 300 Mitgliedern gemausert.

    Tauschbörse trifft sich einmal im Monat

    Einmal im Monat treffen sich die Börsianer zu einem Stammtisch und bringen dazu Gegenstände mit, die sie gerne „verkaufen“ wollen. Nur, dass diese Dinge wie neuwertige Kochtöpfe, Kosmetikartikel oder auch Kleidung nicht mit Euro-Preisschildern versehen sind, sondern mit „Talenten“ bezahlt werden. Denn das ist die Währung der Tauschbörse. Eine Bluse kann also beispielsweise 20 Talente kosten und diese hat der Kaufinteressent nicht im Geldbeutel dabei, sondern auf dem Konto der Zeitbörse. Von Kontoführerin Claudia Wichnalek werden die Talente dem Käufer abgezogen und dem Verkäufer gutgeschrieben – ein Vorgang der heute elektronisch per Computer ganz schnell zu bewerkstelligen ist. Wichnalek wird wiederum für ihre Buchhaltung und ihren Zeitaufwand mit Talenten bezahlt. Und diese kann sie dann anderweitig für Sach- oder auch Dienstleistungen ausgeben. Denn das ist das zweite, inzwischen wesentlich größere Betätigungsfeld der Königsbrunner Zeitbörse.

    „Alle unsere Mitglieder können ja irgendetwas, das ist bei uns ganz bunt gemischt“, erklärt Vorsitzender Jürgen Müller. So gibt es zum Beispiel eine ganz Reihe von Frauen, die gerne und gut Kuchen backen. Dann gibt es Mitglieder, die zwar gut mit dem Computer umgehen können oder begeisterte Handwerker sind, aber wenn sie Gäste bekommen, keine selbst gebackenen Torten anbieten könnten. Sie nehmen Kontakt zu den Back-Expertinnen auf und fragen nach, wer bitte am besagten Tag einen Kuchen liefern kann.

    Das kostet den Gastgeber des Kaffeeklatsches die festgelegte Menge an „Talenten“ die seinem Konto abgebucht werden. Er selbst hat sich die Talente erarbeitet, indem er beispielsweise einem anderen Mitglied bei der Gartenarbeit oder bei einem Umzug geholfen hat. So geht das im Verein immer hin und her, wobei es meistens keinen direkten Tausch gibt.

    Jede Tätigkeit wird je nach Zeit- und Arbeitsaufwand mit Talentpunkten bewertet. Diese sind festgelegt, sodass jedes Mitglied genau weiß, wie viel Talentpunkte ihm gutgeschrieben werden oder wie viel man ausgeben muss. Und natürlich sparen die Mitglieder dabei auch Geld.

    Wobei es darauf ankommt, wie aktiv das jeweilige Mitglied im Verein ist, denn das kann ganz unterschiedlich sein, so Vorsitzender Jürgen Müller: „Es gibt auch berufstätige Männer und Frauen, die sich aus Zeitmangel eher sporadisch einbringen.“ Im Jahr gibt es rund 10.000 Kontobewegungen, schätzt er. Auch können Familienmitglieder helfen beim Aufstocken des Kontos. Beim jährlich stattfindenden Warentauschtag sind erwachsene Kinder oder Enkelkinder von Mitgliedern im Einsatz und deren Engagement wird dem Konto von Oma und Opa gutgeschrieben.

    Bargeldloses Modell hat sich gut bewährt

    Dieses bargeldlose Modell hat sich so gut bewährt, dass die Zeitbörse ihr Netzwerk immer weiter ausgedehnt und engmaschiger gesponnen hat. So gibt es Kooperationen mit dem Carsharing-Projekt Königsbrunner Autoteiler. Mitglieder der Zeitbörse können das Angebot in Anspruch nehmen und zahlen mit Talenten.

    In Königsbrunn gibt es viele Vereine und Initiativen, die sich der Zeitbörse als Mitglied angeschlossen haben, wie beispielsweise die Bürgerinitiative „Königsbrunn - mein Garten“. Wenn die fleißigen Stadtgärtner die Beete bearbeiten, sorgen Mitglieder der Zeitbörse fürs leibliche Wohl. Auch der Generationenpark gehört zum Netzwerk, ebenso die Arbeiterwohlfahrt, der Tierschutzverein Augsburg/Gut Morhard, das Fritz-Felsenstein-Haus und der Gartenbauverein. Das Netzwerk geht inzwischen weit über die Grenzen Königsbrunn hinaus, so haben sich die Tauschringe europaweit verknüpft.

    Geld sparen ist das eine, aber noch wichtiger sind vielen Mitgliedern die persönlichen Treffen, wie Müller sagt: „Unsere Zeit und unsere Talente sind gut investiert im sozialen und gesellschaftlichen Miteinander“.

    • Weitere Informationen zur Zeitbörse gibt es hier
    • Weitere Folgen unserer Serie zum Thema Geld:

    Wie Kinder unter den Schulden ihrer Eltern leiden

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