„Das Geld liegt auf der Straße, man muss es nur aufheben“, sagt ein Sprichwort. In Königsbrunn hat die Stadtverwaltung genau dies in früheren Jahrzehnten gelegentlich versäumt. Dieser Eindruck entstand zumindest, als die Bauverwaltung jüngst im Stadtrat eine aktuelle Bestandsaufnahme präsentierte. Wiederholt wurden in der Vergangenheit die Kosten für die Herstellung von Ortsstraßen bei den Anliegern nicht genau abgerechnet. In einem Dutzend Fälle erhob die Stadt gar keine Herstellungsbeiträge, oft kassierte sie zwar Abschlags- oder Pauschalzahlungen ein, unterließ aber eine Endabrechnung. „Wir haben 130 Kilometer an Ortsstraßen“, betonte dazu Bürgermeister Franz Feigl: „Der Löwenanteil ist bezahlt oder es sind Gegenleistungen erbracht worden von den Eigentümern.“
Schlussstrich mit Beitragserlass
Die mühevollen „Ermittlungen“ im Archiv der Stadtverwaltung wurden letztes Jahr ausgelöst, als die Stadt auf eine erneute Änderung im Kommunalabgabengesetz (KAG) des Freistaats reagierte. BbK-Stadtrat Peter Sommer setzte sich dafür ein, dass die Ergebnisse in öffentlicher Sitzung präsentiert wurden. Das Thema hat zahlreiche juristische Verästelungen und eignet sich eher für ein Oberseminar im Bereich Kommunalrecht als für eine Stadtratssitzung. Aber der Königsbrunner Rat hat es jetzt auf dem Tisch. Eine große Mehrheit entschied sich für den Weg, mit einem klar definierten Beitragserlass künftig einen Schlussstrich ziehen zu können (siehe eigener Bericht auf dieser Seite). Die Bauverwaltung wird nun eine entsprechende Änderung der städtischen Satzung vorbereiten.
Wie die städtische Bauverwaltung auf Nachfrage unserer Zeitung präzisierte, wurden für sieben von insgesamt etwa 250 potenziell abrechenbaren Straßen und Straßenabschnitten, die zwischen 1953 und 1961 hergestellt wurden, keine Schlussabrechnungen erstellt. Für sie hatte die Stadt damals Herstellungskosten von umgerechnet knapp 120000 Euro verbucht. Die Stadtverwaltung weist darauf hin, dass die Rechtsgrundlage für solche Herstellungsbeiträge damals anders geregelt war als heute. „Oftmals war es wohl auch üblich, dass Grundstückseigentümer für den Bau der Straßen unentgeltlich Grund abgetreten haben und dies als entsprechende Gegenleistung gewertet wurde.“ Das neue Bundesbaugesetz verbaute 1961 die Möglichkeit, diese Straßen noch abzurechnen.
Auch fünf weitere Straßen, hergestellt zwischen 1962 und 1974, wurde bislang nicht abgerechnet. Bis zum März 2013 konnte man das noch damit vertreten, dass solche Forderungen nach dem damaligen Kommunalabgabengesetz (KAG) des Freistaats nicht verjähren. Doch dann entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Einzelfall aus Oberbayern, dass das Fehlen einer Verjährung dem im Grundgesetz verankerten Rechtsstaatsprinzip zuwiderlaufe. Der Freistaat führte im KAG 20 Jahre als Verjährungsfrist ein. Für Königsbrunn bedeutet das, dass die Stadt rund 150000 Euro nun nicht mehr einfordern kann.
2018 kam die Entscheidung hinzu, bei Straßensanierung oder -ausbau von Anliegern keine Beiträge mehr zu verlangen. Im neuen KAG wurde eine „Ausschlussfrist zur Abrechnung von sog. Altanlagen“ von 25 Jahren verankert. Sie tritt allerdings erst am 1. April 2021 in Kraft.
Teils ist nicht einmal die erste Herstellung abgerechnet
Als man in der Bauverwaltung daranging, zu ermitteln, bei welchen Straßen eventuell noch Straßenausbaubeiträge fällig sein könnten, zeigte sich, dass bei einer Reihe von Straßen noch nicht einmal die erstmalige Herstellung endgültig abgerechnet war. Nun hat man untersucht, wo das noch möglich ist. Rainhard Schöler, bis vor Kurzem Leiter der Bauverwaltung und jetzt kaufmännischer Leiter der Stadtwerke, erläuterte im Rat den komplexen Sachverhalt. Von knapp 290 Straßen und -abschnitten in der Stadt kann man 33 ausklammern, weil für sie kein städtischer Erschließungsaufwand anfiel: Das betrifft Bundes- und Landstraßen wie die Bürgermeister-Wohlfarth-, Haunstetter-, Lech- und Wertachstraße ebenso wie etwa Hofgasse, Westendstraße und Wolfsweg.
187 kann man als „in der Vergangenheit endgültig abgerechnet“ einstufen. Von den verbleibenden 68 lassen sich die eingangs erwähnten sieben aussortieren, die bis 1961 fertiggestellt waren.
Bei 44 Straßen hatte die Stadt im Zuge der Herstellung Vorauszahlungen oder Ablösebeträge kassiert, die Projekte aber nie abschließend abgerechnet. Im Gewerbegebiet Süd und im Baugebiet 14 (Rosenstraße und Umgebung) hat sie Überschüsse von 260000 und 300000 Euro erzielt, im Baugebiet 104 (Ammerseestraße und Umgebung) ein Defizit von 36000 Euro. Laut Schöler könne man diese als abgeschlossen betrachten: „Eine endgültige Abrechnung wird hier zu keinen wesentlichen Änderungen führen.“
Es geht noch um sieben Straßen
Abrechnungen bei den übrigen älteren Straßen nachzuholen wäre extrem aufwendig. Für ältere Straßen seien die entscheidenden Unterlagen nicht mehr aufzufinden, sagte Schöler. Er geht davon aus, dass von den verbliebenen noch nicht endgültig abgerechneten Straßen die meisten wohl als „endgültig technisch hergestellt“ zu betrachten sind. Bei den meisten liegt dieser Zeitpunkt wohl schon mehr als 20 Jahre zurück, sodass die Beitragspflicht verjährt sei.
Letztlich führt er sieben (zum Teil noch nicht fertige) Straßen auf, für deren Bau die Stadt noch zeitnah von den Anliegern Beiträge erheben könnte. Das sind die Angerstraße, Dieselstraße, Guldenstraße (von Föllstraße bis Hunnenstraße), Kolpingstraße (nördlicher Teil) und Stuibenstraße sowie die neueren Straßenprojekte Dr.-Heinz-Fischer-Straße und Geschwister-Scholl-Straße. Bei den beiden Letzteren konnte die Abrechnung bislang nicht erfolgen, teilte Schöler mit, weil die entsprechende Stelle durch Personalwechsel seit 2014 überwiegend nicht besetzt war.