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Mickhausen: Hinter dieser Fassade soll sich eine Terrorzelle versteckt haben

Mickhausen

Hinter dieser Fassade soll sich eine Terrorzelle versteckt haben

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    Die Polizei durchsuchte am vergangenen Freitag dieses Anwesen im südlichen Landkreis Augsburg. Hier soll der Kopf einer rechtsterroristischen Vereinigung leben.
    Die Polizei durchsuchte am vergangenen Freitag dieses Anwesen im südlichen Landkreis Augsburg. Hier soll der Kopf einer rechtsterroristischen Vereinigung leben. Foto: Christoph Lotter

    Unauffällig und unscheinbar: So wird Werner S. nach der Durchsuchung und Festnahme in Mickhausen beschrieben. Der mutmaßliche Anführer einer neuen Terrorzelle, die offenbar Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime im Sinn hatte, passt damit genau ins Bild, das Behörden zeichnen: Viele Rechtsextreme seien heute unauffälliger.

    Zum Erscheinungsbild gehörten nicht mehr Springerstiefel, Bomberjacke und Glatze. Entscheider steckten oft hinter einer bürgerlichen Fassade. „Das ist eine gefährliche Entwicklung“, sagt Achim Liberta. Er sagt: „Rechtsradikale treten intelligenter auf. Sie versuchen ihre Arbeit zu verstecken.“

    „Niemand soll sich verunsichern lassen“

    Liberta ist Vorsitzender des Vereins „Gersthofen ist bunt“ – ein Bündnis, das sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, Meinungsfreiheit und Toleranz stark macht. Gegründet hatte sich das Bündnis 2013 aus einer spontanen Veranstaltung heraus gegen einen NPD-Auftritt in Gersthofen. Auch in Bobingen gibt es den Verein, Vorsitzender ist Bürgermeister Bernd Müller. Er bestätigt die Erfahrung von Achim Liberta: „Eine politische Einstellung lässt sich nicht an Äußerlichkeiten festmachen. Wenn sich jemand radikalisiert, dann trägt er das nicht mit einem Post-it auf der Stirn.“ Nach den ersten Berichten über die Terrorzelle, deren mutmaßlicher Anführer aus Mickhausen kommt, hatte sich Müller direkt bei der Polizei informiert. Für ihn ist jetzt wichtig, sich mit den potenziellen Opfern der Rechtsextremen solidarisch zu zeigen. Und: „Niemand soll sich verunsichern lassen, denn das ist ja das erklärte Ziel von Rechtsextremisten.“

    Nicht nur verunsichern wollte offenbar die Terrorzelle, deren Anführer in Mickhausen lebte. Die Gruppe hatte laut Generalbundesanwaltschaft Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime im Sinn. Ziel sollte es sein, „die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden“ und „bürgerkriegsähnliche Zustände“ herbeizuführen.

    Zahl der Gefährder hat sich bundesweit mehr als verdoppelt

    Die Mitglieder der Gruppe tauschten online wohl auch Fotos selbst gebauter Waffen aus – darauf war das Bundesamt für Verfassungsschutz aufmerksam geworden. Seit September 2019 hatten die Ermittler die Mitglieder und Werner S. als Anführer im Visier. Er wurde als rechtsextremer Gefährder eingestuft – also jemand, dem Anschläge zuzutrauen sind. Die Zahl der Gefährder stieg im vergangenen Jahr bundesweit von 22 auf 53.

    Die jetzt ausgehobene Terrorzelle soll sich nach Informationen des Spiegel den Namen „Der harte Kern“ gegeben haben. Die Mitglieder stehen offenbar den „Soldiers of Odin“, also den Soldaten des Göttervaters Odin nach der nordischen Mythologie, nahe – das ist eine internationale Gruppierung, die im Oktober 2015 angesichts der Asyl- und Flüchtlingsthematik in Finnland gegründet wurde und mittlerweile auch in Bayern mit der Gruppierung „Wodans Erben Germanien – Division Bayern“ vertreten ist. Deren Mitglieder unternahmen unter anderem „Streifengänge“ in bayerischen Städten, darunter auch in Augsburg. Weitere parteiungebundene Gruppen in Schwaben sind die Skinhead-Kameradschaft Voice of Anger, die Identitäre Bewegung Schwaben oder die Bürgerinitiative Ausländerstopp Augsburg.

    210 Reichsbürger sind im Bereich des Präsidiums bekannt

    Als so genannte sicherheitsgefährdende Bestrebung beobachtet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auch die Reichsbürger- und Selbstverwalterszene. Im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord – dazu zählen die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen, Donau-Ries und die Stadt Augsburg – sind mit Ende 2019 insgesamt 210 Reichsbürger bekannt. Eine lokale Aufschlüsselung, in welchem Landkreisen wie viele Reichsbürger leben, gibt es nicht. Eine lokale Konzentration lasse sich im Augsburger Land ebenso nicht feststellen wie ein möglicher Trend, dass sich rechtsextreme Gruppen Ballungsräume meiden und stattdessen das Land anpeilen.

    Bei den Parteien, die dem Rechtsextremismus zugeordnet werden, führt die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit derzeit rund 50 Mitgliedern in Schwaben und den Dritten Weg, dem in Schwaben zehn Mitglieder und Sympathisanten zugeordnet werden, auf.

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