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Grimoldsried: Spektakulärer Fund auf einem Dachboden zeigt das Dorfleben von früher

Grimoldsried

Spektakulärer Fund auf einem Dachboden zeigt das Dorfleben von früher

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    Der Grimoldsrieder Hobbyfotograf Ulrich Ammersinn hat das Dorfleben vergangener Tage festgehalten.
    Der Grimoldsrieder Hobbyfotograf Ulrich Ammersinn hat das Dorfleben vergangener Tage festgehalten. Foto: Walter Kleber (Repro)

    Es sind Geschichten wie diese, die das Herz von Heimatforschern und Volkskundlern höher schlagen lassen: Auf dem Dachboden eines ehemaligen kleinen Bauernhauses finden die neuen Hausbesitzer eines Tages einen Schatz. In einer unscheinbaren schwarzen Holzkiste schlummern – versteckt unter altem Gerümpel – über 700 Negative von Schwarz-Weiß-Fotos aus vergangenen Tagen. Authentische Zeitdokumente – Porträts, Familienfeiern, Szenen aus dem dörflichen Leben, Ortsansichten und viele Motive mehr. Eine wahre Fundgrube für Heimatforscher, in deren Hände der wertvolle Dachbodenfund schon bald nach seiner Entdeckung übergeben wurde.

    Über 700 Negative von Schwarz-Weiß-Fotos wurden auf dem Dachboden eines ehemaligen kleinen Bauernhauses gefunden.
    Über 700 Negative von Schwarz-Weiß-Fotos wurden auf dem Dachboden eines ehemaligen kleinen Bauernhauses gefunden. Foto: Walter Kleber (Repro)

    Walter Brunner und seine vor Kurzem verstorbene Frau Birke Lindner wohnen seit 1987 in dem ehemaligen kleinen Bauernhaus an der Bergstraße in Grimoldsried (Gemeinde Mickhausen). Beim Entrümpeln ihres Dachbodens stießen sie eines Tages auf die schwarze Kiste. Schnell wurde den beiden klar, welchen Schatz sie da ans Tageslicht gefördert hatten. Nicht weniger als 386 Glasplatten und fast ebenso viele Negative auf Zellulosenitratfilm hatten nahezu unversehrt die vergangenen acht Jahrzehnte überstanden. Es handelte sich um den fotografischen Nachlass von Ulrich Ammersinn, aufgenommen in den Jahren zwischen 1925 und 1939.

    Zur Person: Ulrich Ammersinn

    Ulrich Ammersinn (1906 – 1981) verdingte sich in jungen Jahren als Knecht im Allgäu und übernahm später in Grimoldsried die kleine Nebenerwerbslandwirtschaft seiner Eltern. Ein Zubrot verdiente er für sich und seine Familie mit Hilfsarbeiten, im Winter ging er ins Holz.

    Aus der Ehe mit seiner Frau Kreszenz (1936) gingen Sohn Ulrich jun. und eine Tochter hervor. Ab der Mitte der 1920er-Jahre baute er sich mit der Fotografie ein zweites Standbein auf. In den Stauden sprach sich schnell herum, dass es in Grimoldsried einen Hobbyfotografen gibt.

    Die Palette seiner Motive war vielfältig: Passfotos für Militärausweise, Porträts, Gruppen- und Familienfotos, Ausflüge, Veranstaltungen, Feste, Hochzeiten, aber auch die dörfliche Arbeitswelt, Ortsansichten mit Höfen und Gebäuden, das Dorfleben. Dazwischen auch private Motive seiner Familie und seiner Verwandtschaft. Als Hintergründe für seine Porträtfotos dienten ihm je nach Anlass einfarbige Bettlaken und eine auf Leinwand aufgemalte Landschaft, die kurzerhand am Stadeltor aufgehängt wurden. Für Auftragsarbeiten fuhr er – meistens mit dem Fahrrad – auch zu seinen Kunden in der näheren Umgebung.

    Im Zweiten Weltkrieg verschlug es Ulrich Ammersinn nach Griechenland, wo ihm schon bald seine Agfa-Kamera gestohlen wird. Nach Kriegsende verlegte er den Schwerpunkt seines Hobbys mehr und mehr auf private Anlässe und Motive: Familienfotos und Ausflüge.

    1981 starb Ulrich Ammersinn nach einem Schlaganfall im Krankenhaus Schwabmünchen. (wkl)

    Spektakulärer Fund auf einem Dachboden in Grimoldsried

    Der Landwirt hatte sich in seiner Freizeit als Autodidakt ganz der Fotografie verschrieben und in seinem Bauernhaus sogar eine kleine, nur knapp vier Quadratmeter große Dunkelkammer eingerichtet. Weil sie als „Zugezogene“ mit den Fotos nicht viel anfangen konnten, entschlossen sich Birke Lindner und Walter Brunner, den kompletten Bestand in professionelle Hände zu übergeben, um ihn dauerhaft zu sichern und zu erhalten. Rasch wurde der Kontakt zum Museum Oberschönenfeld hergestellt. Museumsleiterin Dr. Beate Spiegel und Tina Burkhardt, die sich um die Bestände und Sammlungen kümmert, nahmen das unverhoffte Geschenk mit leuchtenden Augen entgegen.

    In der aktuellen Ausstellung „Zum Fressen gern? – Tiere und ihre Menschen“, die im Museum Oberschönenfeld noch bis zum Jahresende gezeigt wird, sind einige der Ammersinn-Fotos jetzt erstmals öffentlich zu sehen. Eine Fotowand am Beginn der Schau mit großformatigen, gestochen scharfen Vergrößerungen seiner Aufnahmen heißt die Besucher willkommen und führt sie in die Tier-Ausstellung ein. Eine Ausstellung, in der den vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen und Tieren in historischen und gegenwärtigen Lebenswelten nachgespürt wird, stand schon länger auf der Agenda des Museums Oberschönenfeld. Da waren die zahlreichen Tierfotos, die sich im Ammersinn-Nachlass fanden, eine willkommene Ergänzung – und der letzte Anstoß, das Projekt in die Tat umzusetzen.

    Walter Brunner aus Grimoldsried übergab den Dachbodenfund mit über 700 Fotonegativen des Hobbyfotografen Ulrich Ammersinn an Dr. Beate Spiegel (links) und Tina Burkhardt vom Museum Oberschönenfeld.
    Walter Brunner aus Grimoldsried übergab den Dachbodenfund mit über 700 Fotonegativen des Hobbyfotografen Ulrich Ammersinn an Dr. Beate Spiegel (links) und Tina Burkhardt vom Museum Oberschönenfeld. Foto: Walter Kleber

    Ulrich Ammersinn war Landwirt und Hobbyfotograf

    Bis die Dachboden-Fotos allerdings „präsentabel“ waren, hatten Tina Burkhardt und ihr Team alle Hände voll zu tun. Die Wissenschaftlerin spricht von einem sehr guten Bestand mit hohem Erhaltungsgrad, dessen Reinigung mit speziellen Ziegenhaarpinseln deshalb recht unproblematisch gewesen sei.

    Ulrich Ammersinn in den 1970er-Jahren.
    Ulrich Ammersinn in den 1970er-Jahren. Foto: Museum Oberschönfeld (Repro)

    Nach eingehender Sichtung und Katalogisierung übernahm Lieselotte Fischer, die in Oberschönenfeld ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) mit Schwerpunkt Kultur absolvierte, die Digitalisierung und die fachgerechte Verpackung der Objekte – eine zeitaufwendige Arbeit. Bei der Recherche der abgelichteten Personen und Motive bekam Tina Burkhardt von dem im vorigen Jahr verstorbenen Siegfried Schmid in Grimoldsried, einem Nachbarn Ammersinns, hilfreiche Tipps.

    Ein enger Kontakt besteht bis heute zum Sohn des Hobbyfotografen. Ulrich Ammersinn jun., Jahrgang 1938, der heute in der Nähe von Stuttgart lebt, steuert bis heute viele Informationen über seinen Vater und die auf den Fotos festgehaltenen Orte und Personen bei.

    Die Ausstellung in Oberschönenfeld

    Die Ausstellung „Zum Fressen gern? Tiere und ihre Menschen“ im Museum Oberschönenfeld ist noch bis zum Sonntag, 4. Oktober zu sehen. Sie ist Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 17 Uhr sowie an allen Feiertagen geöffnet. Derzeit – und solang die Corona-Bedingungen gelten – ist im Museum freier Eintritt.

    Besucher müssen eine Maske tragen. Ursprünglich sollte die Schau am 29. März eröffnet werden. Seit der Eröffnung am 19. Mai sind rund 130 Besucher gekommen, so Kuratorin Johanna Feige, die sich auf reges Interesse an der Schau freut.

    An einigen Mitmachstationen der Schau steht noch der Hinweis auf eine „Corona-Baustelle“. Hier können Besucher nur bedingt selbst aktiv werden. (pks)

    Martin Reitmaier aus Zusmarshausen war ein Kollege von Ulrich Ammersinn.

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