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Bundestagswahl 2021: Bei Sami Baydar liegt die Rote Fahne neben der Bild-Zeitung

Bundestagswahl 2021

Bei Sami Baydar liegt die Rote Fahne neben der Bild-Zeitung

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    Sami Baydar, der für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands/Internationalistische Liste kandidiert, in seinem Kiosk in Lechhausen.
    Sami Baydar, der für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands/Internationalistische Liste kandidiert, in seinem Kiosk in Lechhausen. Foto: Marcus Merk

    Die Tür geht auf in einem Kiosk im Augsburger Stadtteil Lechhausen. "Hallo Christian, wie geht es dir", begrüßt Sami Baydar den Mann, der eine Bild-Zeitung und zwei Rubbellose kauft. Eine ganz normale Szene in einem ganz normalen Kiosk, könnte man meinen - wenn nicht zwischen Zeitschriften und Getränken zahlreiche kommunistische Publikationen liegen würden. Denn der Betreiber des Kiosks ist Sami Baydar, der für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)/Internationalistische Liste für den Bundestag kandidiert. Der 30-Jährige ist Direktkandidat für den Wahlkreis Augsburg Land und steht auf Platz drei der Landesliste Bayern

    Die MLPD-Zeitschrift Rote Fahne neben der Bild-Zeitung? Baydar hat damit keine Probleme. "Gerade die Bild-Zeitung regt doch zu Diskussionen und Auseinandersetzungen an. Viele Menschen lesen die, und mit denen möchte ich ins Gespräch kommen", sagt der 30-Jährige, der Mitglied und Sprecher des Volksrats der Suryoye, einer christlichen Volksgruppe aus dem Nahen Osten, ist.

    Kiosk mehr als ein Arbeitsplatz

    Der Kiosk ist für Baydar mehr als nur ein Arbeitsplatz: "Ich wohne auch hier in dem Viertel und habe viele Stammkunden", berichtet er. Seit knapp fünf Jahren betreibt er den Kiosk: "Viele kommen einfach nur vorbei, um zu reden, auch über gesellschaftliche Probleme. Der Kiosk ist ein Zentrum für die Menschen im Viertel geworden, es kommen Leute aus allen Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten." Bei allen auch kontroversen Diskussionen sei ihm wichtig, dass man respektvoll miteinander umgeht, sagt Baydar.

    Fragebogen Bundestags-Kandidat Sami Baydar

    Welches Musikinstrument würden Sie gerne spielen können?

    Ich würde gerne Saz spielen, eine orientalische Laute. Das erinnert mich an meine Wurzeln und ich mag die Musik.

    Was kommt bei Ihnen auf den Grill?

    Gerne Lammfleisch, aber auch Geflügel.

    Welches Auto fahren Sie?

    Vor fünf Jahren habe ich mein Auto abgeschafft und fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln - auch, um die Umwelt zu schonen.

    Hatten Sie als Kind einen Spitznamen und wie lautete dieser?

    Der Revolutionär.

    Ihr aktueller Lieblingsfilm?

    Es gibt eine Serie, die auf Türkisch "Hatirla Sevgili" heißt, was man mit "Erinnere dich, Liebling" übersetzen kann. Da geht es um die Linken-Bewegung in der Türkei, eingebettet in eine Romanze.

    Wenn Sie wählen müssten, in welchem Jahr würden Sie gerne leben: 1880, 1950, 1980 oder 2021?

    2021.

    Welchen Luxus gönnen Sie sich?

    Ich lebe nach meinem Bedürfnissen und brauche keinen Luxus.

    Wenn Sie auf das vergangene Jahr zurückblicken: Auf welches persönliche Erlebnis könnten Sie verzichten?

    Auf die Morddrohungen gegen mich.

    Der Großteil der notwendigen Unterschriften für seine Kandidatur sei denn auch aus Lechhausen gekommen. "Auch bei den Morddrohungen von türkischen Faschisten gegen mich habe ich hier viel Unterstützung bekommen", so der 30-Jährige.

    Trotzdem weiß natürlich auch er, dass seine Chancen für den Einzug in den Bundestag sehr gering sind. Bei der letzten Bundestagswahl kam die MLPD auf 0,1 Prozent. "Jede Stimme zählt", versichert Baydar, der keine Zahl als Wahlziel nennen will. Wichtig sei erstmal, das Volk zu gewinnen, und nicht, ins Parlament einzuziehen. "Parlamentarische Erfolge stellen sich dann langfristig ein."

    Vom Kommunismus überzeugt

    Sami Baydar ist Kommunist, und trotz des Zusammenbruchs des Ostblocks, nach dem nur noch wenige Staaten dieser Welt dieses Gesellschaftsmodell anstreben, ist der 30-Jährige von der Idee überzeugt: "Den Kommunismus in Reinform, die klassenlose Gesellschaft, die gab es noch nie", sagt Baydar und vergleicht das mit der christlichen Vorstellung des Paradieses: "Was es gab und gibt, sind sozialistische Staaten, in den es Erfolge gab, aber auch Fehler, aus denen man lernen muss. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, damit sich in der Gegenwart diese Fehler nicht wiederholen und es in Zukunft besser wird."

    Schon in seiner Kindheit habe er erfahren, wie es ist, zu einer Minderheit zu gehören, auch wenn er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und längst die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. "Ich war von klein auf viel in Kulturzentren und Kirchen unterwegs. Da wächst man hinein und macht sich Gedanken, wie man politische Probleme löst."

    Auf die Frage, was er in seinem Wahlkreis ändern möchte, bleibt Baydar eher allgemein: bezahlbare Mieten, mehr Umweltschutz, die Situation der Rentner und der Arbeiterschaft verbessern, gegen die Unterdrückung von Gruppierungen kämpfen und der wachsenden Kriegsgefahr entgegentreten.

    Viel Zeit hat Baydar neben seinem Job im Kiosk, in dem er an sechs Tagen in der Woche steht, nicht. Vor seiner Tür hängt ein Wahlplakat mit seinem Konterfei, und auch in Augsburg Stadt und Land sind Plakate von ihm zu sehen, die er teils selber geklebt hat. Auch an Infoständen ist er vertreten. "Aber ich kann beim besten Willen nicht sagen, wie viel Zeit ich für den Wahlkampf verwende", sagt er und widmet sich dem nächsten Kunden, der seinen Kiosk betritt.

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