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Bobingen: Wenn es für den Lehrling um die Wurst geht

Bobingen

Wenn es für den Lehrling um die Wurst geht

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    Konzentriert bei der Arbeit: Unsere Autorin beim Selbstversuch in der Metzgerei.
    Konzentriert bei der Arbeit: Unsere Autorin beim Selbstversuch in der Metzgerei. Foto: Carmen Schwab

    Im September beginnt das neue Lehrjahr. Doch viele Betriebe finden nur noch schwer Bewerber für ihre Ausbildungsplätze. In unserer Serie „Einmal Azubi sein“ begeben sich unsere Autoren auf Lehrstunde. Sie probieren verschiedene Berufe aus und berichten von ihren Erfahrungen. In dieser Folge geht es um den Ausbildungsberuf der Metzgerin:

    Mit einem mulmigen Gefühl und flauem Magen gehe ich auf das augenscheinlich sehr wohnlich wirkende Haus mit der Nummer 30 in der Poststraße in Bobingen zu. Noch habe ich nur eine vage Vorstellung von dem, was mich dort in den rückwärtigen Räumen an Arbeit erwartet.

    Umziehen in der  Hygieneschleuse

    Empfangen werde ich von einer Mitarbeiterin aus dem Büro der Metzgerei Naumann, die mir erst einmal meine Arbeitskleidung reicht. Eine Kappe, eine Bluse, eine Schürze und Schuhe, die ich in einem Umkleideraum, der gleichzeitig auch die Hygieneschleuse ist, anziehe. Gründlich Hände waschen, und dann holt mich der Chef, Rainer

    Der Wolf, der Kutter und der Füller

    Der Wolf macht das Hackfleisch. Im Kutter ist das Brät, es heißt nämlich bei der Wurst nicht „Teig“ wie beim Brot, sondern

    Peter Bihler und Jeremias Mayer sind gerade dabei, Wienerle zu machen. Das Brät ist im Füller, der eine Art Hahn vorne hat. Darüber stülpen die Metzger einen bearbeiteten Schafsdarm und lassen die Wurstmasse einfließen. Nur noch einige Handgriffe, dann können die Wiener schon in die Kammer. Dort wird man sie noch würzen und räuchern, und anschließend werden sie gekocht. Die Metzger sind so flink, dass ich gar nicht so schnell schauen kann, wie sie fertig sind. Trotzdem lassen sie sich genug Zeit, um Produkte, die nicht den Ansprüchen entsprechen, auszusortieren.

    Ich erfahre, dass die Metzger spätestens um 5 Uhr anfangen zu arbeiten. Das hätte ich nicht gedacht. Erst um halb neun stoße ich dazu. Bis dahin sind schon frische Gelbwurst, Weißwurst, Leberkäs und Lyoner hergestellt, um Viertel nach sieben wird gefrühstückt, danach geht es weiter mit der Herstellung Augsburger Debreziner.

    Es geht um Wurst und Fleisch

    Parallel zu der Wurstherstellung schneidet mein Kollege für diesen Tag, Harald Schmidt, das Rindfleisch. Er ist gerade mit einem Rinderschlegel beschäftigt, einem Teil des Hinterbeins. Er trennt sorgfältig die Knochen vom Fleisch ab, ebenso Fett.

    Ich frage ihn, ob ihm die Arbeit schwerfällt: „Ich erinnere mich an meinen ersten Tag, das war 1976. Das erste Mal die Innereien anzufassen, da hatte ich schon ein komisches Gefühl. Aber jetzt habe ich keine Scheu mehr davor.“ Glücklicherweise sind die Innereien schon am Schlachthof vom Rind entfernt worden. Bis vor zwei Jahren hatte die Metzgerei noch einen eigenen

    Neben dem Fleisch und den Knochen sieht man nur wenig Blut. Ich hatte erwartet, dass mir bei dem Anblick mulmig werden würde, doch erstaunlicherweise ist es nicht so. Alles so sauber hier, picobello. Auch im Selbstversuch, zu dem ich noch einen Schutzhandschuh bekomme, ändert sich das nicht. Doch was bei Harald Schmidt so leicht ausgesehen hat, ist echte körperliche Arbeit. Selbst nach mehrmaligen Versuchen schaffe ich es kaum, das Fleisch komplett zu durchtrennen. Ich bin ihm leider keine Hilfe. Ich gehe zurück zur Wurstproduktion. Peter Bihler ist beim Kutter und mischt Brät für einen Leberkäs. Er will mir dazu etwas erzählen, doch die Maschinen sind extrem laut. So einen Lautstärkepegel hätte ich nicht erwartet. Wie so oft ist eben alles etwas anders, als man es sich als Laie so vorstellt. Als Bihler mit dem Leberkäs fertig ist, spült er sofort die Arbeitsfläche und auch den Boden ab. Denn in der Metzgerei wird großer Wert auf Sauberkeit und Hygiene gelegt.

    Von den Vorurteilen bleibt nichts übrig

    Ich bin froh darüber, dass sich meine Vorurteile in nichts aufgelöst haben. Metzger sind offenbar keineswegs rohe Kerle mit zu viel Kraft. Rainer Naumann, der mit seinen Kameraden bei der Bobinger Feuerwehr auch aktiv Menschen in Not hilft, sagt: „Auch wenn man es sich nicht vorstellen kann, aber ich kann kein Blut sehen. Da kipp’ ich um.“ Auch durch seinen Beruf bedingt könne er sich viel zu genau vorstellen, was bei einer Verletzung im Fleisch passiert ist, und das sei für ihn zu viel. In seiner Metzgerei hilft er gewöhnlich vom frühmorgendlichen Beginn bis zum Frühstück mit in der Produktion. An diesem Tag führt er danach eine Gruppe Sechs- bis Zehnjähriger durch die Metzgerei und zeigt ihnen seinen Kräutergarten, dessen Erzeugnisse auch in der firmeneigenen Küche mitverwendet werden. Die Kinder dürfen Salate selbst vorbereiten und bekommen noch heiße Wiener und Nudeln dazu. Der Gedanke, Metzger sei ein reiner Männerberuf, hat sich nicht bewahrheitet. Die dienstälteste Mitarbeiterin in der Produktion ist bereits 17 Jahre dabei. Und auch schon einige weibliche Lehrlinge wurden hier ausgebildet. Doch insgesamt sind es offenbar nur wenige, die die dreijährige Metzgerausbildung abschließen.

    Der Ausbildungsberuf Metzger nennt sich offiziell „Fleischer“, in Süddeutschland ist aber die gleichbedeutende Bezeichnung „Metzger“ gängiger. Das ist für mich ein interessanter Ausbildungsberuf mit viel Abwechslung. „Man sieht sehr schnell, was man geleistet hat und ob es gut oder schlecht ist,“ sagt auch Rainer Naumann. Zudem brauche man mehr Wissen, als zunächst angenommen: Vorgänge im Fleisch, die unterschiedliche Zubereitung und Behandlung des Fleischs und wie man es würzen kann. Außerdem könne sich ein Metzger kreativ ausleben und selbst verwirklichen, indem er beispielsweise eine eigene Wurst erfindet. Die Arbeitszeiten haben auch etwas für sich. Selbst wenn man um 5 Uhr schon anfangen muss, hat man gegen 13 oder 14 Uhr spätestens Feierabend. Mein Fazit: Wer auch gerne körperlich arbeitet, hat in diesem Beruf gute Chancen.

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