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Bobingen: Corona-Krise: Was vom Applaus für die Pfleger geblieben ist

Bobingen

Corona-Krise: Was vom Applaus für die Pfleger geblieben ist

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    Christine Bihler links und Anja Pfänder arbeiten im Bobinger Krankenhaus. Sie fordern Reformen in der Pflege und vor allem mehr Personal statt einmaliger Bonuszahlungen.
    Christine Bihler links und Anja Pfänder arbeiten im Bobinger Krankenhaus. Sie fordern Reformen in der Pflege und vor allem mehr Personal statt einmaliger Bonuszahlungen. Foto: Carmen Janzen

    In der Corona-Krise hatten Pflegekräfte aus Altenheimen und Krankenhäusern die mediale Aufmerksamkeit wie kaum eine andere Berufsgruppe. Wenn jemand systemrelevant war, dann sie. Weltweit klatschten Bürger wochenlang täglich von Balkonen. Forderungen nach mehr Personal und besserer Bezahlung wurden laut. Der Staat versprach Boni. Doch was ist geblieben von der Begeisterung der Bürger und von den Versprechen der Politik? Zwei Mitarbeiterinnen der Wertachklinik Bobingen erzählen, wie sich die Situation bis heute verändert hat.

    „Was übrig geblieben ist? Nicht viel“, weiß Christine Bihler, Bereichsleiterin der Pflege an der Wertachklinik in Bobingen. Zunächst scheint Anfang des Jahres alles rosig. „Wir sind schon ein bisschen hofiert worden“, sagt sie.

    Blumen, Essen und Kuchen für die Krankenschwestern

    Der Blumenhändler bringt Veilchen vorbei, das Mittagessen ist lange Zeit kostenlos für die Mitarbeiter, und die Angehören der Patienten spendieren Kuchen, weil sie dem Personal dankbar sind, wenigstens über das Telefon Kontakt zu ihren Lieben halten zu können. Und über den Fernsehbildschirm bekommen die Pfleger allabendlich Applaus von den Balkonen der Welt in den Nachrichten zu sehen.

    Politiker versprechen großzügig Sonderzahlungen und eine Reform in der Pflege. „Wir bekamen viel Aufmerksamkeit und zahlreiche Nettigkeiten“, fasst die Pflegeleiterin zusammen.

    Mehr Personal wäre wichtiger als ein Bonus

    Doch die Stimmung schlägt schnell um. Gesundheits- und Krankenpflegerin Anja Pfänder erinnert sich: „Ich kenne einige Leute, die im privaten Umfeld ausgegrenzt worden sind, weil sie im Krankenhaus Kontakt zu den Covid-19-Patienten hätten haben können.“ Die 28-Jährige arbeitet in der Wertachklinik eigentlich auf der akut geriatrischen Station. Aber seit Corona ist alles anders. Zunächst kümmert sie sich auf der Isolierstation um Covid-19-Patienten, jetzt ist sie in der Patientenaufnahme tätig. Klar freue sie sich über die Aufmerksamkeit und den Bonus des Freistaats in Höhe von 500 Euro, sagt sie.

    Auch ihr Arbeitgeber zeigte sich, im Gegensatz zu anderen Einrichtungen, großzügig. Drei Mal 300 Euro extra stehen Mitte des Jahres auf dem Lohnzettel, weil sie direkt auf der Corona-Station arbeitete. „Aber was wir seit Jahren fordern und wofür wir streiken, das wurde nicht gehört“, sagt Anja Pfänder. Mehr Personal würde mehr helfen als eine Einmalzahlung, ist sie überzeugt. „Ich muss in meiner Freizeit oft Angst haben, doch einspringen zu müssen. Man kann nichts planen. Das geht allen so“, versucht sie die Personalknappheit zu verdeutlichen.

    Die Solidarität im Team ist groß

    Ihre Chefin Christine Bihler bringt es auf den Punkt: „Warum funktioniert Pflege? Weil das Pflichtbewusstsein und die Solidarität im Team so groß sind. Würden wir alle Dienst nach Vorschrift machen, würde das ganze System bundesweit zusammenbrechen.“ Es sei schön, wenn die Mitarbeiter mehr Geld bekämen, aber bessere Arbeitsbedingungen seien noch schöner.

    Wer einen Bonus will, muss bürokratische Hürden nehmen

    Besonders kritisiert die Pflegeleiterin die vollmundigen Versprechen der Politik mit den Bonuszahlungen, die letztendlich in einem bürokratischen Wirrwarr geendet hätten. Jeder Mitarbeiter muss den Bonus des Freistaates einzeln beantragen, über eine App, was zahlreichen älteren Mitarbeitern Schwierigkeiten bereitet. Dann passiert monatelang nichts und oft wird der Antrag dann noch nicht einmal genehmigt. „Wir mussten nachweisen, wer wie viele Stunden am Pflegebett gearbeitet hat. Ein Medizinstudent im Praktikum sollte zum Beispiel keinen Bonus erhalten, obwohl er in der Corona-Zeit ausschließlich unentgeltlich bei uns in der Pflege arbeitete. Wir legten Widerspruch ein. Das war ein wahnsinniger Schriftverkehr“, so Bihler.

    Letztendlich erhält auch der Student sein Geld. Doch viele verzichten, weil ihnen die Bürokratie und der Schreibkram zu viel sind, weiß Bihler. Das sorgt bei den Mitarbeitern für Verärgerung und Resignation. „Jeder, der in der Pflege arbeitet, hätte einfach einen Bonus verdient, ganz unbürokratisch.“ Vielleicht klappt das ja beim Bonus des Bundes. Denn Pflegekräfte mit besonderen Belastungen wegen der Corona-Krise sollen nun auch in Krankenhäusern einen Bonus von bis zu 1000 Euro bekommen - wie Beschäftigte in der Altenpflege.

    Die Anspruchshaltung ist wieder die alte

    Mittlerweile herrscht ansonsten für die beiden Frauen gefühlt wieder (fast) Normalbetrieb. Von der anfänglichen allgemeinen Wertschätzung sei nicht viel geblieben. „Die Anspruchshaltung der Patienten ist wieder die alte“, sagt Bihler. Anja Pfänder sieht das genauso: „Das Motto scheint zu sein, ,Jetzt hast Du Deinen Bonus bekommen, sei zufrieden‘.“

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