Die Beschleunigung knallt wie eine Faust auf den Brustkorb, drückt den Körper in den Sitz und schnürt fast die Luftröhre ab. Der Magen schnürt sich zusammen. Nach gut einer Minute ist alles schon wieder vorbei. Und auf dem Fahrersitz lächelt Fabian Vettel, der Bruder des vierfachen Formel-1-Weltmeisters Sebastian. Er kutschiert an diesem Sonntag Besucher beim Bergrennen von Mickhausen im Landkreis Augsburg vom Start ins Ziel, allerdings ohne Wertung. Normalerweise fährt Vettel Rundstreckenrennen, etwa beim ADAC GT Masters. „So ein Bergrennen ist schon anders, da hat man quasi nur einen Versuch, um alles richtig zu machen“, sagt er.
Das Rennen findet bereits zum 38. Mal statt. Für den 200-Einwohner-Ortsteil Münster bedeutet das Ausnahmezustand. Dann sind wohl mehr Rennfahrer im Dorf als es Anwohner gibt.
Unten an der Startlinie steht ein roter Lancia Delta wie ein Stier, der mit den Hufen scharrt. Drei Sekunden, zwei Sekunden, eine. Die Zuschauer lärmen – Rennfahrer Felix Pailer drückt das Gaspedal durch. Der Motor des Lancias heult auf, quietschende Reifen durchbrechen den Lärm der jubelnden Zuschauer und Pailer rast um die erste Kurve.
Der Krach der Motoren und der 15000 Besucher an der Rennstrecke ist ein paar hundert Meter weiter beim Haus von Dietmar Müller nicht verflogen. Hier liegt sogar noch ein leichter Benzingeruch in der Luft. Müller hat für dieses Wochenende seine Garage geräumt, kostenlos, für einen Rennfahrer und dessen Team. So machen es viele Anwohner. Die Carports und Stellplätze im Ort sind vollgeparkt mit aufgemotzten Autos, von Mini Coopern mit Rennreifen, Heckspoilern und Überrollkäfigen bis hin zu Formel-1-ähnlichen Sportwagen. „Das ganze Dorf steht hinter dem Bergrennen von Mickhausen. Das ist das besondere“, sagt Müller.
Das merkt auch der Rennfahrer Felix Pailer. In wenigen Wochen wird er 70 Jahre alt. Er sagt von sich, dass sein ganzes Leben in seinem Rennwagen steckt. Vor dem Start seines ersten Laufs überprüft er seinen roten Lancia Delta in einer Hofgarage eine Straße von der Startlinie entfernt. Besucher tummeln sich vor dem Auto und machen Fotos. „In Mickhausen bin ich bekannter als in meinem Heimatort“, schwärmt der Österreicher von der hiesigen Atmosphäre. Er wirkt gelassen, wohlgemerkt wenige Minuten bevor er an den Start geht. In seinem Innern sieht es ein bisschen anders aus. „Die Angst vor einem Unfall spielt immer mit“, sagt er, auch mit fast 50 Jahren Rennerfahrung. Für Müller und Peiler spielt sich das Rennwochenende hauptsächlich im zum Fahrerlager umfunktionierten Dorf statt.
Dort seien über die Jahre Freundschaften zwischen Bewohnern und Fahrern entstanden. Diese enge Verbindung bekommen die Zuschauer am Fuße von Münster nur teilweise zu spüren. Sie pilgern wegen der PS-Biester auf den Straßen zum Bergrennen. Aber auch um das Adrenalin der Fahrer zu spüren. Wenn sie mit fast 200 Stundenkilometern über die Landstraße den Berg hochbrettern, abbremsen, und die Kurven schneiden.
So wie Eric Berguerand. Der Tagessieger raste der Konkurrenz in den drei Wertungsläufen davon. Seine Gesamtzeit: 1 Minute und 42,910 Sekunden.
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