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Augsburg/Königsbrunn: Wie Menschen mit und ohne Behinderung in Augsburg zusammenleben

Augsburg/Königsbrunn

Wie Menschen mit und ohne Behinderung in Augsburg zusammenleben

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    Frank Rathke ist als erster Mieter in das gemeinschaftliche Wohnprojekt „Fritz & Jack“ eingezogen. Unterstützt wird er im Alltag von Daniela Wesiak.
    Frank Rathke ist als erster Mieter in das gemeinschaftliche Wohnprojekt „Fritz & Jack“ eingezogen. Unterstützt wird er im Alltag von Daniela Wesiak. Foto: Silvio Wyszengrad (Archiv)

    Wer das Wohnprojekt Fritz & Jack in der Augsburger Altstadt besuchen will, sollte genau wissen, wo er klingeln muss. Denn an der Glasschiebetür weist nur ein kleiner Aufkleber neben den vielen Namen auf den Klingelschildern darauf hin, dass sich dahinter eine besondere Hausgemeinschaft verbirgt. Im ehemaligen Altenheim im Jakobsstift leben meist junge Menschen mit und ohne Behinderung nicht nur neben-, sondern miteinander. Hinter dem Projekt stecken eine simple Idee und viel Planung.

    Wie profitieren die Bewohner voneinander?

    Der Grundgedanke hinter dem inklusiven Wohnprojekt Fritz & Jack ist schnell erklärt: Menschen mit Behinderung bekommen eine Wohnung in der Innenstadt und werden in ihrem Alltag von ihren nicht behinderten Hausgenossen unterstützt. Diese erhalten im Gegenzug eine Wohnung mit bezahlbarer Miete und können sich mit Assistenzdiensten ein bisschen Geld dazuverdienen. Im Jahr 2018 hat das Fritz-Felsenstein-Haus in Königsbrunn den Umbau des historischen Gebäudes angeschoben. Daher kommt auch der Name: „Fritz“ kommt vom Fritz-Felsenstein-Haus, „Jack“ von Jakobsstift.

    Seit März stehen alle 24 Wohneinheiten zur Verfügung. Bereits im vergangenen Jahr sind die ersten Bewohner eingezogen. Eine von ihnen ist Teresa Wagner. Die junge Frau suchte im vergangenen Jahr nach einer Wohnung in Augsburg. Nach längerer Online-Suche stieß die 24-jährige Lehramtsstudentin auf Fritz & Jack und war angetan von dem Konzept: „Man bekommt seinen Nebenjob mit null Arbeitsweg mit der Wohnung dazu. Gerade in Corona-Zeiten ist das Gold wert.“ Für elf Euro pro Stunde hilft die Studentin einer Hausgenossin bei den Einkäufen, unterstützt beim Kochen und organisiert Ausflüge. Jedem nicht behinderten Bewohner wird mindestens ein Mieter mit Unterstützungsbedarf zugeteilt. Wie viele Stunden pro Monat man leisten will, entscheidet jeder selbst. Für die pflegerischen Aufgaben gibt es fest angestellte Assistenten des Felsenstein-Hauses.

    Der Corona-Lockdown hat die Gemeinschaft getroffen

    Ein zentraler Punkt bei Fritz & Jack ist, dass die Menschen mit Behinderung selbst über ihr Leben bestimmen, sagt Daniel Dietrich, der als sozialpädagogischer Betreuer dabei hilft, das Zusammenleben in der Wohnanlage zu organisieren: „Sie entscheiden, was sie machen wollen, und sagen, wenn sie Unterstützung brauchen.“ Entsprechend wurden Mieter ausgewählt, die intellektuell dazu in der Lage sind.

    Für Thomas Vögele war das Augsburger Wohnprojekt Fritz & Jack die Chance auf die erste eigene Wohnung. Der 21-Jährige ist fit im Kopf, braucht aber Menschen, die ihn körperlich unterstützen. Er lebte bei seinen Eltern und begann im Frühjahr 2018 eine eigene Wohnung zu suchen. Über eine Bekannte kam er auf Fritz & Jack und ist begeistert: „Es ist tatsächlich mehr, als ich mir erwartet hatte. Die Mischung der Leute passt, man kann sich ein soziales Umfeld aufbauen.“

    Genau das falle vielen Menschen mit Behinderung schwer, sagt Sozialpädagoge Daniel Dietrich: „Viele leben von der Grundsicherung. Geeignete Wohnungen zu finden ist nicht leicht, und wenn es sie gibt, liegen sie oft am Rand der Orte.“ Von dort für ein Treffen mit Freunden in die Stadt zu fahren sei sehr beschwerlich. Auch diesem Problem wollte man mit dem Wohnprojekt in der Innenstadt begegnen.

    Teresa Wagner und Thomas Vögele leben im Wohnprojekt Fritz & Jack. Die Corona-Krise hat die Bewohner weiter zusammengeschweißt.
    Teresa Wagner und Thomas Vögele leben im Wohnprojekt Fritz & Jack. Die Corona-Krise hat die Bewohner weiter zusammengeschweißt. Foto: Adrian Bauer

    Geht es nach den Verantwortlichen, könnte es noch etwas mehr Leben sein

    Der Corona-Lockdown hat auch die Gemeinschaft hart getroffen, unterkriegen lasse er sich aber nicht, sagt Thomas Vögele: „Wenn man sieht, dass die anderen sich auch an die Regeln halten, macht es das leichter, die Zeit zu überstehen.“ Er selbst nutzte die Monate, um mehr Struktur in seine Haushaltsführung zu bringen. Beispielsweise plant er die Einkäufe am Freitag bereits am Donnerstag: „Dann muss ich mit den Assistenten nicht mehr alles einzeln diskutieren.“ Und seit die Hygienevorschriften gelockert wurden, kehrt in den Gemeinschaftsbereichen wie der Dachterrasse mit Blick aufs Rathaus immer mehr Leben ein.

    Geht es nach den Verantwortlichen, könnte es noch etwas mehr Leben sein: Im März wurden die letzten fünf Wohneinheiten fertiggestellt. Wegen des coronabedingten Lockdowns konnten keine Besichtigungen stattfinden. Jetzt sollen sich die restlichen Appartements füllen. „Wenn es komplett voll ist, bekommt das Haus noch eine ganz andere Dynamik“, sagt Thomas Vögele.

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