Der Archäologe, der am liebsten nichts mehr ausgraben mag
Schätze, Reiter und Geheimnisse: Der Bauboom sorgte für spektakuläre Funde im Augsburger Land. Chef-Archäologe Hubert Fehr erklärt, warum es jetzt eigentlich genug ist.
Der Arbeitsplatz ist schon mal eindrucksvoll. Im prächtig restaurierten Kloster von Thierhaupten hat Dr. Hubert Fehr sein Büro, ein weiterer Arbeitsplatz liegt auf der Burg zu Nürnberg. Dort ist es allerdings nur ein Schreibtisch. Der Mann kommt rum in Schwaben und Mittelfranken und die Gründe dafür finden sich meist unter der Erdoberfläche.
Der 52-jährige Fehr ist Referatsleiter des Landesamts für Denkmalpflege in Schwaben und Mittelfranken für Bodendenkmäler. Das bedeutet: Er ist mit jeder wichtigen Ausgrabung in diesem Gebiet mindestens indirekt befasst. Und gefunden wurde in den vergangenen Jahren so viel wie nie. Der Bauboom in Bayern beschert auch den Archäologen in Bayern Hochkonjunktur.
Fast 800 Grabungen im Jahr gibt es im Freistaat, allein im Landkreis Augsburg waren es zuletzt mehrere Dutzend im Jahr. Die Region rund um die alte Römerstadt, für die Fehr unter anderem direkt zuständig ist, ist für Archäologen eine wahre Fundgrube. Zuletzt sorgten die Entdeckung eines Römerschatzes in Augsburg-Oberhausen und einer mittelalterlichen Mühle bei Aichach für Aufsehen. Vor drei Jahren war das Reitergrab von Nordendorf ein Fund, der bayernweit auf großes Interesse stieß.
Im Boden der Region - da ist sich Fehr sicher - schlummert noch viel mehr. Gerade das Lechtal sei schon immer dicht besiedelt und eine wichtige Verkehrsader gewesen. Fehr: "Wir haben hier eine unglaubliche Dichte von Bodendenkmälern." Und wenn es nach dem Archäologen geht, bleiben diese Denkmäler auch genau dort - im Boden.
Ein spektakulärer Fund: ein Eisprinz
"Alles, was nicht ausgegraben werden muss, ist gut," sagt Fehr und fügt - fast ein wenig entschuldigend - hinzu: "Wir brauchen keine zusätzlichen Funde mehr." Mit der Aufarbeitung des vorhandenen Materials sei man schon vollauf beschäftigt und schließlich gebe es auch noch nachfolgende Generationen von Wissenschaftlern, denen dann vielleicht noch bessere technologische Hilfsmittel zur Verfügung stehen. "Als Archäologe ist man es gewohnt, in langen Zeiträumen zu denken," sagt der Nachfolger von Ruth Sandner, die nach Regensburg gewechselt ist.
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege sammelt seit gut 100 Jahren systematisch archäologische Informationen über das Gebiet des heutigen Freistaats. Das dabei gewonnene Wissen ist eine wichtige Basis. Bevor in einem Gebiet, das als Fundstelle verdächtig ist, gebaut wird, überprüfen es die Archäologen.
So kam es auch zu einem spektakulären Fund, den Fehrs Kollege Johann Friedrich Tolksdorf machte: der Eisprinz von Tussenhausen. Gemeint ist damit ein vollständig erhaltenes Kindergrab aus dem siebten Jahrhundert, das die Forscher schockfrosteten, um es unversehrt bergen zu können.
Man hört Fehr, der mit Familie in Augsburg wohnt, den Dialekt seiner Heimat im Schwarzwald ein wenig an, wenn er mit viel Begeisterung von derart spektakulären Funden erzählt. Fehr hat in Freiburg Ur- und Frühgeschichte studiert, Provinzialrömische Archäologie und mittelalterliche Geschichte. Sein Spezialgebiet ist die Zeit der Merowinger (fünftes bis achtes Jahrhundert), also jene Zeit, die als die Wiege des heutigen Bayern betrachtet wird.
Woher kamen die ersten Bayern?
Woher die Bajuwaren kamen, ist eine seit Jahrzehnten diskutierte Frage, auf die Spezialisten wie Fehr Antworten geben können. Ein Buch über die Völkerwanderung vor 1500 Jahren, welches er mit dem Kollegen Philipp von Rummel geschrieben hat, wurde zu einem kleinen Verkaufsschlager, weil es just zurzeit der Flüchtlingskrise 2015 auf dem Markt war. Seine Autoren waren damals begehrte Interviewpartner.
Fehrs Schlussfolgerung: Die Menschen suchten in der Vergangenheit nach Rückschlüssen für heutige Probleme und hätten Fragen an die Geschichte. Die Bodendenkmalpflege könne Antworten liefern. Seine erste Aufgabe dabei sei es, Grabungen zu managen, sich um die wissenschaftliche Auswertung und Aufbewahrung der Funde zu kümmern. Einen Großteil seiner Arbeitszeit verbringt der Archäologe deshalb am Schreibtisch, im Auto oder in Besprechungsräumen. "Am Loch stehen andere", erklärt Hubert Fehr. Ein leises Bedauern schwingt mit.
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