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40 Jahre Priester: Ratzinger über Glaube & Kirchenaustritte

Großaitingen

„Sofort würde ich wieder Priester werden“

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    Hubert Ratzinger, der Pfarrer von Großaitingen, feiert sein 40-jähriges Priesterjubiläum. Das Foto zeigt ihn beim Leonhardiritt, den er immer hoch zu Ross begleitet.
    Hubert Ratzinger, der Pfarrer von Großaitingen, feiert sein 40-jähriges Priesterjubiläum. Das Foto zeigt ihn beim Leonhardiritt, den er immer hoch zu Ross begleitet. Foto: Monika Treutler-Walle

    Seit 40 Jahren üben Sie den Beruf des Priesters aus. Würden Sie heute diesen Weg erneut einschlagen?
    HUBERT RATZINGER: Auf jeden Fall! Mein Beruf ist mein Lebensinhalt und schenkt mir wirklich Lebenserfüllung. Als Priester kann ich meinen christlichen Glauben mit vielen Menschen teilen. Es ist für mich eine tiefe positive Erfahrung erleben zu dürfen, wie Menschen unterschiedlichen Alters aus dem Glauben Kraft für ihren Alltag schöpfen. Anderseits gibt es so viele Möglichkeiten, bei denen ich anderen mit gemeinsamem Gebet, Spendung der Sakramente, gerade auch mit der Feier der Krankensalbung und der Heiligen Messe die Nähe Gottes erfahren lassen darf. Als Student fragte ich zwei erfahrene Pfarrer, was denn das Wichtigste in unserem Beruf sei. Der eine sagte: „Du musst die Menschen auf den Tod vorbereiten“. Der andere meinte: „Du musst den Menschen helfen, mithilfe des Glaubens ihr Leben zu meistern“. Schnell sah ich ein, dass beide Aufgaben wichtig sind. Gerade angesichts der Endlichkeit unseres Lebens gilt es, sich seiner Verantwortung vor Gott bewusst zu werden. Wer an ein Leben nach dem Tod glauben kann, tut sich leichter, sein Herz nicht an materielle Güter zu hängen, sondern sich für das Wohl seiner Mitmenschen einzusetzen. 

    Wann stand für Sie fest, dass Sie Theologie studieren und Priester werden wollen?
    HUBERT RATZINGER: Am Ende meiner Schulzeit in Lindau reifte in mir dieser Gedanke. In meinem Elternhaus gab es eine tiefe und innige Gottesbeziehung, die uns große Geborgenheit gab. Das war für meine Geschwister und mich ein fester Anker. Als Ministrant und Gruppenleiter machte ich die Erfahrung, dass es viele Jugendliche gab, denen dies nicht vergönnt war, die deshalb Anerkennung bei anderen Menschen suchten. So waren sie bereit, schnell ihre eigene Meinung zu ändern, um anderen zu gefallen. Da ging mir auf, dass ich meinen christlichen Glauben anderen als Halt im Leben weitergeben möchte. Das erschien mir als Priester am besten möglich. 

    In Ihrer Familie sind Sie mit dem Priesterberuf keine Ausnahme?
    HUBERT RATZINGER: Nein. Ich hatte einen Onkel, der ebenfalls Pfarrer war und mein Neffe Roland, der Sohn meiner Schwester, wurde 2021 auch zum Priester geweiht.

    Den Verzicht auf eine eigene Partnerschaft und Kinder haben Sie für das Priestertum einfach in Kauf genommen?
    HUBERT RATZINGER: Ich habe dies nicht „in Kauf genommen“, sondern mich bewusst für diese Lebensform entschieden. Als Student kniete ich nach der Abendmesse im Freiburger Münster noch in der Bank und einige Bänke vor mir saß ein ganz offensichtlich verliebtes Paar, das sich tief in die Augen schaute. Zwischen beiden Gesichtern hindurch fiel mein Blick direkt auf den Tabernakel. Da überkam mich der Gedanke, dass es meine Aufgabe ist, nicht selbst eine Partnerschaft zu leben, sondern Ehepartner im Gebet vor Gott zu tragen. 

    Sie sind nahbar, bei den Menschen beliebt und strahlen Lebensfreude aus. Woher nehmen Sie diese Energie?
    HUBERT RATZINGER: Meine größte Energiequelle sehe ich in meiner Gewissheit, von Gott geliebt zu sein. Natürlich kommt dazu auch die Verbundenheit mit vielen Menschen, die mich tragen und auch ertragen. Freude und Energie tanke ich auch, wenn ich mich körperlich betätige und meinen Atem spüre, wenn ich in der Gemeinschaft mit anderen beim Gebet, Gesang und in der Feier der Heiligen Messe eine tiefe Gebets- und Glaubensgemeinschaft erfahre.

    Titel und Karriere in der Institution Kirche reizen Sie offenbar nicht?
    HUBERT RATZINGER: Titel, amtliche Würden oder materielle Güter – das ist nicht mein Ding. Wenn ich das gewollt hätte, dann hätte ich ja Chemiker werden und eine naturwissenschaftliche Karriere anstreben können, was meine Alternative als Abiturient damals gewesen wäre. Nein, nein – für mich hatte die Beziehung zu den Menschen oberste Priorität. Hier wollte und will ich meinen Beitrag leisten.

    Im Jahr 2023 haben mehr als 400.000 Menschen die Kirche verlassen. Schockiert Sie die Zahl der Kirchenaustritte?
    HUBERT RATZINGER: Die Säkularisation nimmt immer mehr zu. Die Vertikale, die Gottesbeziehung, geht verloren. Leider! Das ist bitter und tut mir weh. Dabei braucht die Welt dringend die Werte, die die Kirche vermittelt. Selbst Gregor Gysi, dem niemand den christlichen Glauben nahe gebracht hat, formulierte das in etwa so: „Ich fürchte eine gottlose Gesellschaft. Werte, die nicht in der Transzendenz verankert sind, stehen auf tönernen Beinen“. Ohne Gottesbeziehung ist der Mensch seiner Unersättlichkeit ausgeliefert. Er kommt damit in der begrenzten Welt nicht zurecht. Er wird sich nicht die notwendige Begrenzung im Konsum materieller Güter auferlegen können. Wie sagt es der Schweizer Nationalheilige und Friedensstifter, der Heilige Bruder Klaus so deutlich: „Frieden ist allzeit in Gott.“

    Wie feiern Sie Ihr 40-jähriges Priesterjubiläum?
    HUBERT RATZINGER: Am Sonntag, 14. Juli, feiern wir in St. Nikolaus in Großaitingen um 10 Uhr den Gottesdienst mit der Pfarreiengemeinschaft. Priesterkollegen habe ich zur Konzelebration eingeladen und Dr. Christian Hartl, Leiter des Exerzitienhauses in Leitershofen, den ich als Student kennengelernt habe, wird die Predigt halten. Die Familien meiner beiden Geschwister werden auch da sein können. Etliche Vereinsabordnungen aus unserer Pfarreiengemeinschaft und aktive Gemeindemitglieder aus meinen früheren Wirkungsorten werden mitfeiern. Anschließend werde ich mit geladenen Gästen noch das Mittagessen einnehmen.

    Zur Person: Pfarrer Hubert Ratzinger. Er wurde 1958 in Lindau geboren und empfing 1984 die Priesterweihe. Schon während seiner Kaplanszeit konnte Ratzinger seine besondere Begabung als Regionaljugendseelsorger der Region Augsburg entfalten. Ab 1993 leitender Pfarrer in der Augsburger Kirche Sankt Max wurde er 1998 Leiter der überhaupt ersten Pfarreiengemeinschaft (PG) im Bistum, der PG St. Maximilian und Sankt Simpert. 2010 wechselte Ratzinger nach Großaitingen, wo er seitdem als Pfarrer tätig ist. Darüber hinaus wirkt er seit 2011 als Geistlicher Beirat im Diözesanverband der DJK, des kirchlichen Verbands für Leistungs- und Breitensport. Vergangenes Jahr erhielt Ratzinger den päpstlichen Ehrentitel Monsignore.

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