Es könnte alles so unbeschwert sein. Die Sonne versinkt gerade bei Capri im Meer, der Cocktail in der Hand könnte die Ouvertüre zu einem entspannten Abend sein, an dem man Pläne für den Landausflug am nächsten Tag schmiedet. Kreuzfahrten sind wieder beliebt, bescheren den Reisekonzernen nach dem Corona-Stillstand Wachstum. Jedes Jahr erobern mehr Schiffe die Meere. Im Februar ist mit der Icon of the Seas das größte Kreuzfahrtschiff der Welt mit Platz für über 7500 Gäste in See gestochen. Der Haken an all dem: Die Schiffsreise ist nach wie vor eine der umweltschädlichsten Reiseformen. Die Kreuzfahrtindustrie setzt deshalb auf alternative Kraftstoffe, viele Schiffe fahren deshalb mit Flüssiggas, statt mit Diesel. In den Häfen soll Landstrom für die Energie an Bord sorgen. Bemühungen, die ähnlich wie beim Fliegen, das grundsätzliche Problem nicht lösen können. Das Zauberwort der Zukunft heißt deshalb für die Reisebranche Dekarbonisierung, also der Einsatz von alternativen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels oder erneuerbare Energien, um den Verbrauch von klimaschädlichem Kohlendioxid reduzieren zu können.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat nun Klage gegen den Kreuzfahrtanbieter Tui Cruises wegen unzureichend begründeter Netto-Null-Ziele für die Zukunft eingereicht (Az LG Hamburg: 315 O 9/24). Mit der Begründung: Der Konzern kündigt vollmundig einen „dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb“ bis 2050 an und begründet dies unter anderem mit realitätsfremden Annahmen über die zukünftige Verfügbarkeit derzeit völlig unausgereifter Technologien wie E-Fuels. Darüber hinaus erläutert das Unternehmen laut Deutscher Umwelthilfe nicht ausreichend, woher die für die Schifffahrt benötigten Mengen alternativer Kraftstoffe kommen sollen. Aktuell werden E-Fuels nicht kommerziell produziert und auch die bis 2035 angekündigten Anlagen sind zum größten Teil nicht sicher finanziert. Selbst wenn, könnten mit der weltweit produzierten Menge nicht einmal zwei Prozent des heutigen fossilen Kraftstoffverbrauchs in der weltweiten Schifffahrt ersetzt werden, erklärt die Umwelthilfe in einer Pressemitteilung.
Auch von Tui: Deutsche Umwelthilfe lässt Werbung überprüfen
Damit lässt die DUH erstmals Werbeaussagen eines Unternehmens gerichtlich überprüfen, das mit unrealistischen Annahmen die zukünftige Dekarbonisierung einer Dienstleistung verspricht.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Der Kreuzfahrtriese Tui begründet seine utopische Ankündigung auf seiner Webseite mit der kühnen Behauptung, seine Kreuzfahrtschiffte ab 2050 mit grünem Methanol, anderen E-Fuels und LNG zu betreiben. Unabhängig von der Tatsache, dass LNG ein fossiler Kraftstoff ist, verlegt TUI sein tatsächliches Engagement um 26 Jahre in die Zukunft.“ Bei den heute angesteuerten Reisezielen, wie kleinere Inselgruppen in Südostasien und Mittelamerika, stelle sich darüber hinaus die Frage, ob dort der für einen „dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb“ eingeplante grüne Landstrom bereitstehen wird. Der Konzern gehe laut Resch von Annahmen aus, die weltfremd sind und wäscht die Klimaschädlichkeit seines Geschäfts grün. Resch sieht in den Aussagen der Tui über eine angeblich ‘klimaneutrale’ Zukunft der Kreuzfahrten eine „dreiste Täuschung von Verbraucherinnen und Verbrauchern“, die er gerichtlich beenden möchte.
DUH klagt Greenwashing bei Kreuzfahrten an
Agnes Sauter, Leiterin ökologische Marktüberwachung: „Unternehmen, die ankündigen, ihre Produkte oder Dienstleistungen in den nächsten Jahrzehnten ‘CO2- oder klimaneutral’ anzubieten, verschaffen sich schon heute einen grünen Anstrich. Notwendige Maßnahmen zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes werden ihrer Ansicht nach in die Zukunft verlagert und sind im Hier und Jetzt nicht oder nur schwer überprüfbar. Solche Werbeaussagen müssen glaubwürdig begründet und für Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbar dargestellt werden. Alles andere ist nach unserer Auffassung massives Greenwashing und muss umgehend unterbunden werden.“
Bei Tui wird die Klage als unbegründet angesehen. Man werde sich in der gebotenen Weise verteidigen. Die dargestellten Klimaschutzpläne für den Bereich Kreuzfahrt stellten zutreffend die aktuellen und zukünftigen Maßnahmen dar, so ein Sprecher des Reisekonzerns. Der Konzern habe sich realistische Ziele gesetzt und darüber die Öffentlichkeit informiert. Grundsätzlich ist die Schifffahrt seit Januar in das Emissionshandelssystem der EU integriert. Das heißt, Reedereien müssen Zertifikate für ihre Emissionen erwerben. Es gibt also ein grundsätzliches Interesse der Kreuzfahrtindustrie, den Kohlendioxid-Ausstoß der Schiffe und damit Kosten zu reduzieren.