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Wandern auf dem Adlerweg in Osttirol

Österreich

Zur Ruhe kommen auf dem Adlerweg in Osttirol

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    Auf 2500 Metern und höher lässt man die Baumgrenze hinter sich. Die Natur wird rauer, die Ausblicke werden dafür imposanter.
    Auf 2500 Metern und höher lässt man die Baumgrenze hinter sich. Die Natur wird rauer, die Ausblicke werden dafür imposanter. Foto: Claudia Stegmann

    Hoch oben, auf 2521 Metern über dem Meeresspiegel, ist der Blick weit und klar. Er geht hinweg über das Timmeltal, durch das sich der Timmelbach in unzähligen Windungen schlängelt, und bleibt an der Lasörlinggruppe hängen. Auf der Eisseehütte unweit des Großvenedigers in Osttirol ist man ganz weit weg: von den Menschen im Tal, vom Alltag daheim, von überlaufenen Wanderrouten. In exponierter Lage thront sie auf einem Felsvorsprung und verschwindet am trüben Tagen im Grau-Braun-Grün ihrer Umgebung. Von hier oben betrachtet, erscheint vieles relativ. Und das ist auch der Grund, warum manche Besucher länger bleiben als nur für eine Brotzeit oder eine Übernachtung.

    Hüttenwirtin Bianca Islitzer kennt sie zur Genüge, die Geschichten von der persönlichen Krise, von dem Bedürfnis nach Selbstfindung, nach einem Reset. Raus aus der Tretmühle, rauf auf den Berg, wo es kein Handynetz gibt und WLAN teuer gekauft werden muss. Stattdessen gibt es einen sagenhaften Ausblick, der Augen und Geist weitet und eine Stille, die während der Schneeschmelze nur von dem beständigen Rauschen des Timmelbachs durchbrochen wird. Wenn (meist) Frauen für einige Wochen als Hilfskraft auf die Eisseehütte kommen, dann haben manche auch einen imaginären Rucksack dabei, in dem Fragen stecken, die sie zweifeln lassen. Dort oben, in der Einsamkeit und Einfachheit der Bergwelt, erhoffen sie sich Antworten.

    Die Eisseehütte liegt auf 2541 Metern und bietet Tagestouristen als auch Übernachtungsgästen einen gemütlichen Platz.
    Die Eisseehütte liegt auf 2541 Metern und bietet Tagestouristen als auch Übernachtungsgästen einen gemütlichen Platz. Foto: Claudia Stegmann

    Die Eisseehütte liegt am Adlerweg, einer der vielen Weitwanderwege Tirols. Er verläuft von Osten nach Westen durch ganz Tirol und seine Route gleicht der Silhouette eines Adlers, der mit weit ausgebreiteten Schwingen in den Lüften schwebt. Die 413 Kilometer sind in 33 Etappen eingeteilt, auf denen insgesamt 31.000 Höhenmeter zu bewältigen sind. Der Adlerweg ist dabei in zwei Routen unterteilt: 24 Tagesetappen führen quer durch die Bergwelt Nordtirols, die zweite Route durchquert auf neun Tagesetappen die Glockner- und Venediger-Gruppe in Osttirol, wo auch die Eisseehütte liegt.

    Vorsicht ist geboten, wenn man Bäche über Schneefelder überquert.
    Vorsicht ist geboten, wenn man Bäche über Schneefelder überquert. Foto: Claudia Stegmann

    Diese ist Ziel einer anspruchsvollen Etappe. Der Schwierigkeitsgrad ist mit schwarz deklariert, weshalb gute alpine Erfahrung, gute Kondition sowie absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit vorausgesetzt werden müssen. Das gilt für mindestens drei der neun Streckenabschnitte in Osttirol und neun weitere im restlichen Verlauf. Ein Großteil der Wege wird als mittelschwierig eingestuft.

    Wandern auf dem Adlerweg: Natur pur in Tirol

    Der Adlerweg ist ein hochalpiner Weitwanderweg, weshalb die Saison kurz ist. Frühestens Mitte Juni kann man ihn begehen, will man nicht größere Schneefelder überqueren oder auf gesperrte Wege stoßen. Anfang September kann es möglicherweise schon wieder schneien. Wanderer sind deshalb in den Monaten Juli und August auf der sicheren Seite, wobei selbst dann gilt: Handschuhe, Mütze und eine warme Jacke dürfen auf dieser Tour im Rucksack nie fehlen, weil das Wetter in den Bergen schnell umschlagen und der Wind auf 3000 Metern Höhe empfindlich kalt sein kann.

    Mitte Juni kann es am Adlerweg auch noch so aussehen. Dann sind Steigeisen für die Bergschuhe von Vorteil.
    Mitte Juni kann es am Adlerweg auch noch so aussehen. Dann sind Steigeisen für die Bergschuhe von Vorteil. Foto: Claudia Stegmann

    Weil der Adlerweg nicht für jeden „Flachland-Tiroler“ das Richtige ist, hält sich der Ansturm in Grenzen. Wer die Bergwelt für sich allein haben möchte, findet sie dort. In Osttirol ist Massentourismus ohnehin ein Fremdwort. Die einen schätzen die Ruhe, andere sagen, Osttirol hat den Tourismus verschlafen. Wie auch immer: Wer in diesen Teil Österreichs fährt, muss sich bewusst sein, was ihn erwartet: In Orten wie Matrei reiht sich nicht eine Bar an die andere, das abendliche Flanieren endet mit der vergeblichen Suche nach einer Eisdiele. Dafür sind die Hoteliers und Wirte herzlich und zuvorkommend und der Service ist von hoher Güte.

    Touristenströme gibt es auch auf der Eisseehütte nicht. Weil dorthin kein Lift fährt und deshalb keine Sandalenträger den Weg herauf finden, bleibt es auch in der Hochsaison auf der Panoramaterrasse vergleichsweise exklusiv. Für die Wanderinnen und Wanderer, die eine Tour zum höher gelegenen Eissee oder zur Seewandspitze machen, gibt es auf dem Rückweg zur Belohnung einen warmen Apfelstrudel. Und für die Übernachtungsgäste kocht Ongghus Revier, der in seinem Heimatland Nepal als Sherpa arbeitet und seit einigen Jahren die Sommermonate als Koch auf der Eisseehütte verbringt, am Abend Momos – das sind mit Fleisch gefüllte nepalesische Teigtaschen, die den schwäbischen Maultaschen ähnlich sind.

    Die Stille Osttirols: Ein Ort, wo man zu sich selbst finden kann

    Wenn abends die Küche sauber, die Gäste satt und der letzte Meisterwurz ausgetrunken ist, liegt über der Eisseehütte wieder jene Stille, die durchaus inspirierend sein kann. Denn Hirnforscher haben herausgefunden, dass das Gehirn geräuschlose Phasen nutzt, um Informationen auszuwerten und zu sammeln. Beim Nichtstun oder beim Tagträumen springt nämlich das sogenannte Default Mode Network an - eine Gehirnregion, die reizunabhängiges Denken ermöglicht. Wie Puzzleteilchen, die sich zu einem Bild fügen, können in diesen Momenten Gedanken klarer werden. Sie fügen sich, machen Sinn und im besten Fall kommt man zu einem Einfall, an dem man zuvor so lange herumgegrübelt hat.

    Eine Landschaft wie auf einem Gemälde. Der Blick von der Eisseehütten-Terrasse hinab ins Timmeltal.
    Eine Landschaft wie auf einem Gemälde. Der Blick von der Eisseehütten-Terrasse hinab ins Timmeltal. Foto: Claudia Stegmann

    Bianca Islitzer konnte so eine „Erleuchtung“ mehr als einmal beobachten. „Da kommen Frauen zu uns, die in einer Krise stecken, überlegen hier oben und wenn sie gehen, haben sie die Lösung“, fasst sie den Selbstfindungsprozess nüchtern mit wenigen Worten zusammen und muss bei dem Gedanken schmunzeln, dass ihre Hütte offenbar eine esoterische Wirkung hat. Aber irgendwas muss wohl dran sein an den Bergen, an der Ruhe und an dem Weitblick, den man von dort oben hat.

    Die Autorin recherchierte auf Einladung des Tourismusverbands Osttirol.

    Weitere Infos:

    Anreise: Der Osttiroler Abschnitt des Adlerwegs startet in der Gemeinde Prägraten. Wer mit dem Auto fährt, braucht für die Anreise keine Vignette, passiert aber den kostenpflichtigen Felbertauerntunnel.

    Unterkunft: In Prägraten gibt es beispielsweise das Hotel „Heimat - das Naturresort“. Von dort aus sind zahlreiche Touren möglich, unter anderen zu den Umbal-Wasserfällen. Das Hotel bietet aber auch einen Transfer-Service, wie etwa zur Joahnnishütte, von wo aus die Tour zur Eisseehütte startet.

    Genusswandern: Wer es in Osttirol gemächlicher angehen möchte, kann auch den neuen 74 Kilometer langen Iseltrail entlang des längsten noch frei fließenden Gletscherflusses der Alpen erwandern. Er führt an den imposanten Umbalfällen sowie an der neuen Hängebrücke über die Iselschlucht vorbei.

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