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Skifahren ohne Muskelkater, das soll mit Ski-Mojo möglich sein. Ein Test in Mayrhofen.

Mayrhofen

Skifahren ohne Muskelkater? Eine Neuheit will das möglich machen

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    Vom Penken aus hat man einen weiten Blick ins Zillertal und die umliegenden Gipfel.
    Vom Penken aus hat man einen weiten Blick ins Zillertal und die umliegenden Gipfel. Foto: Mayrhofner Bergbahnen

    Die Sonne scheint hell vom wolkenlosen blauen Himmel, das Skigebiet von Mayrhofen im Zillertal liegt vielversprechend da und wartet auf die ersten Schwünge. Wie so oft im Januar 2024 sind die Temperaturen ganz schön mild für die Jahreszeit, der morgens noch perfekte Schnee dürfte am Nachmittag deutlich sulziger werden. Ein etwas futuristisch anmutendes Gestell an den Beinen soll helfen, dass das Skifahren im suppigen Nachmittagsschnee – und auch sonst – weniger anstrengend wird.

    So sieht Ski-Mojo fertig angelegt aus. Das System erleichtert die Aufstehbewegung beim Skifahren und verbessert den Kantendruck.
    So sieht Ski-Mojo fertig angelegt aus. Das System erleichtert die Aufstehbewegung beim Skifahren und verbessert den Kantendruck. Foto: Tamara Kolland

    "Jetzt kommen die Cyborg-Skifahrer", sagt der junge Mann mit dem norddeutschen Akzent, der mit uns im Lift sitzt. Er ist einer von vielen Wintersportlern an diesem Tag, der sich nach dem merkwürdigen Beinkleid aus Stoff in schwarz-weißem Camouflage, ein paar versteckten Stangen und grauen Knöpfen erkundigt, das sein Nebenmann trägt. Jean-Marc Glaude erklärt geduldig und bei Bedarf in mehreren Sprachen, was es auf sich hat mit "Ski-Mojo". Er ist der Repräsentant der Herstellerfirma, die mit ihrem Produkt den Skisport zumindest ein bisschen revolutionieren will. Denn mithilfe von Ski-Mojo soll Skifahren nicht nur mehr Spaß machen, es soll auch deutlich weniger anstrengend und gelenkschonender werden. Hält das Gadget, was die Firma verspricht? 

    Nach dem Anlegen des Ski-Mojo macht man erst fünf Kniebeugen

    Vor dem Losfahren kommt das Anlegen: Das findet beim Test an der Talstation der Ahornbahn in Mayrhofen im Zillertal statt. Die Testperson schlüpft mit beiden Beinen in den Hüftgurt, während Jean-Marc am Gestänge das Gewicht einstellt. Dann wird ein kleiner Haken an den Skischuhen verankert, die Beingurte werden mit Klettverschlüssen befestigt und oben an den Gürtelschlaufen der Skihose oder den Hosenträgern. Das System fühlt sich ziemlich steif an, Laufen ist so schwierig, nur roboterhaftes Staksen. Doch Jean-Marc ist auch noch nicht fertig. Ein, zwei Verbindungen werden geschlossen: "Jetzt machst Du bitte fünf Kniebeugen." Die erste fällt etwas steif aus, danach lockert sich das System und am Ende klappen die Bewegungen wieder wie normal. "Wenn es einmal richtig eingestellt ist, dauert das Anlegen nur zwei Minuten", sagt Jean-Marc.

    Die ersten Testfahrten finden auf dem Ahorn statt, dem gemütlicheren der beiden Mayrhofener Skiberge. In der Gondel nach oben erklärt Jean-Marc Glaude, worum es bei Ski-Mojo geht. "Wir möchten für das Skifahren sein, was das E-Bike fürs Radfahren ist", sagt der Franzose. Das Exoskelett-System unterstützt die Hoch-und-Runter-Bewegung bei den Kurven, um die Muskulatur zu entlasten. Im Prinzip wird beim Runtergehen Energie gespeichert, die dann die Aufwärtsbewegung unterstützt. Dadurch soll der Fahrer deutlich kraftsparender unterwegs sein. Erste Zielgruppe sind daher ältere Skifahrerinnen und Skifahrer und Menschen, die nach Knieverletzungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt fahren konnten. Mittlerweile wird das System zusätzlich im Fun-Bereich beworben, dazu aber später mehr. 

    Bei den ersten schnellen Schwüngen ist die Unterstützung spürbar

    Um sich an die ungewohnte Unterstützung zu gewöhnen, geht es deshalb auf die breiten blauen Pisten am Ahorn. Das Skigebiet hier ist deutlich kleiner als am Penken gegenüber und die Hänge sehr viel leichter, weshalb manche abschätzig von einem 2000 Meter hohen Anfängerhügel sprechen. Für die ersten Schwünge mit Ski-Mojo eignet sich der Berg aber perfekt. Also rauf auf die Ski, dann links und rechts einen Knopf am Exoskelett gedrückt, Beine einmal durchstrecken und das System ist bereit. Nun fühlt man wieder den Widerstand wie zu Beginn beim Anlegen. 

    Doch das ist beim Losfahren kein Hindernis mehr. Beim Geradeausfahren muss man sich an das Gefühl gewöhnen, bei den Kurven stellt sich gleich der Genuss ein. Denn der Unterschied ist sofort spürbar, wenn man mit etwas Tempo in die Schwünge geht. Die normalen Bewegungsabläufe werden überhaupt nicht behindert. Die Unterstützung in der Hochbewegung ist unverkennbar, aber so angenehm, dass man nicht aus dem Rhythmus kommt. "Vor dem Einsteigen in den Lift bitte die beiden Schalter wieder lösen", sagt Jean-Marc. Denn mit aktiviertem System ist Hinsetzen schwierig bis unmöglich. Bei Stürzen in steilem Gelände hilft Ski-Mojo auch beim Aufstehen, im flachen aber nicht. 

    Die Harakiri-Abfahrt ist die steilste präparierte Piste Österreichs mit 78 Prozent Gefälle.
    Die Harakiri-Abfahrt ist die steilste präparierte Piste Österreichs mit 78 Prozent Gefälle. Foto: Mayrhofner Bergbahnen

    Nach zwei weiteren Proberunden auf der blauen Piste hat man sich so auf Ski-Mojo eingegroovt, dass es nun an richtige Abfahrten geht. Die einzige rote Piste am Ahorn führt über angenehm steile Hänge zu einem Sechser-Sessellift. Und hier zeigt das System seine eigentliche Stärke. Denn die Verbindung des Ski-Mojo mit dem Skischuh überträgt die Kraft aus dem System auf die Skier und sorgt dafür, dass die Kanten besser greifen. Das ist der Nutzen für all diejenigen, die keine Probleme mit fehlender Muskelkraft und Gelenkschmerzen haben. Mit dem System rutscht man auf den harten Teilen der Kunstschneepiste deutlich weniger, was das Fahrgefühl deutlich verbessert und zusätzlich Kraft spart. Das zeigt sich besonders, wenn man das Ski-Mojo zwischendurch ausschaltet: Die Rutschphasen sind länger, der Schwungansatz weniger sauber. Die Proberunde hat überzeugt, nach der Mittagspause geht es auf den Penken für etwas mehr Action. Denn am Ahorn lässt es sich zwar wunderbar die Sonne genießen, die Auswahl an Pisten ist aber recht begrenzt. 

    Ski-Mojo hat die Mehrzahl seiner 23.000 Nutzer in Frankreich

    Die Talabfahrt führt über eine schwarze Piste, sodass per Mehrheitsentscheid die Gondel gewählt wird. So hat Jean-Marc noch einmal Zeit zum Erzählen. 23.000 Nutzer hat Ski-Mojo mittlerweile, die meisten davon in Frankreich: "Dort ist es mittlerweile tatsächlich relativ normal, damit herumzufahren." Zu Beginn hätten viele Nutzer das System noch unter der Skihose getragen, was genauso funktioniert. Ski-Mojo ist eine Erfindung zweier britischer Tüftler und wird mittlerweile in Behinderten-Werkstätten in

    Jean-Marc Gaude ist vor vier Jahren nach Tirol gezogen, um das Produkt auch hier bekannt zu machen. "Gerade in traditionellen Skiorten sind viele Händler skeptisch. Grundsätzlich sei das System für Skifahrer mit fortgeschrittener Skitechnik geeignet, sagt Jean-Marc Glaude: "Man muss die "Hoch-Runter-Bewegung machen können. Wer nur mit dem Oberkörper lenkt, dem bringt es nichts." 685 Euro kostet das System in der Anschaffung, manche Händler haben Miet- oder Testangebote. 

    Auf dem Penken in Mayrhofen gibt es steile Pisten und viel Partyvolk

    Oben auf dem Penken zeigt sich, dass hier vor allem ein gutes Auge bei der Pistenauswahl gefragt ist. Denn anders als am Ahorn ist hier eine Menge los – was an einem normalen Dienstag Ende Januar durchaus überraschend ist. Die blauen Abfahrten sind voller Menschen, bei den roten Pisten gibt es mit etwas Warten ein freies Fenster, sodass man das System vernünftig testen kann: kurze Schwünge, lange Schwünge, größere Schräglage in den flachen Passagen – Ski-Mojo macht alles mit. "Wir ermahnen alle Tester und Käufer, dass sie ihre Geschwindigkeit kontrollieren sollen. Denn die Unterstützung durch das System gibt manchen etwas zu viel Selbstvertrauen", sagt Jean-Marc. Das ist bei einigen Menschen ohnehin schon ausgeprägt. Mehrmals zischen Skiläufer an uns vorbei, deren Technik so gar nicht zu der Geschwindigkeit passt, mit der sie unterwegs sind. Jean-Marc schüttelt den Kopf: "Ich liebe Geschwindigkeit, aber auf vollen Pisten muss man vorsichtig sein." Vor Stürzen schützt auch Ski-Mojo nicht. 

    Wissenswertes über Mayrhofen

    Das Skigebiet Mayrhofen liegt im Zillertal und bietet 60 Lifte mit 142 Pistenkilometern. Über eine Gondel ist der Penken auch mit den Bahnen im Tuxertal verbunden. Ein kostenloser Skibus bringt die Touristen auch bis zum Hintertuxer Gletscher. Ein Tagesticket kostet für einen Erwachsenen 72,50 Euro, ein Drei-Tages-Skipass kostet 211 Euro.

    Die Anreise ist über die Zillertalbahn auch mit dem Zug möglich. Mit dem Auto kommt man über die Tauernautobahn (Ausfahrt Wiesing) und die Zillertalbundesstraße nach Mayrhofen. Mautfrei geht es über Bad Tölz und die Achensee-Bundesstraße. 

    Ski-Mojo gibt es in ausgewählten Partnerbetrieben in Augsburg, Neu-Ulm und Aichach. Eine Liste findet sich online unter ski-mojo.de.

    Solche Auswüchse kommen leider in den Skigebieten vor, die verstärkt auf Party setzen. Mayrhofen hat in den vergangenen 20 Jahren einiges dafür getan, um unter dem Markennamen "Mountopolis" den Skiurlaub zum Spektakel zu machen. Im Skigebiet lockt die "Harakiri"-Abfahrt mit bis zu 78 Prozent Gefälle zur Mutprobe, auf der Skimovie-Strecke kann man sich bei der Abfahrt filmen lassen und auf verschiedenen Funrides durch Steilkurven und Spiel-Elemente flitzen. Und rund um die Bergstation der Penkenbahn locken große Hütten mit lauter Musik das Partyvolk zur Einkehr. Im Tal setzt sich das fort: Rund um die Gondelstationen reiht sich Gaststätte an Gaststätte – von der edlen Bodega bis zu den Après-Ski-Discos, die schon vor dem Ende des Skibetriebs bestens gefüllt sind. Das Publikum ist international – man spricht deutsch, englisch und niederländisch. 

    Nachfragen zu Ski-Mojo kommen am Testtag in allen Sprachen. Jean-Marc Glaude beantwortet sie alle geduldig. Und wie fällt das persönliche Fazit nach dem Testtag aus? Ski-Mojo bringt richtig Freude, auch wenn Kraftmangel oder Gelenkschmerzen kein Problem sind. Die zusätzliche Kraft auf den Kanten gleicht auch mittelprächtige Pistenbedingungen und Sulzschnee aus. Ausprobieren lohnt sich in jedem Fall. Die 685 Euro für den Kauf sollte man aber nur ausgeben, wenn man einige Skitage pro Winter ansammelt. 

    Der Autor recherchierte auf Einladung von Ski-Mojo und den Mayrhofner Bergbahnen.

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