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Reisetipp: Auf Schatzsuche an der Straße der Romanik im Burgenlandkreis

Reisetipp

Auf Schatzsuche an der Straße der Romanik im Burgenlandkreis

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    Ein Blick auf den Naumburger Dom.
    Ein Blick auf den Naumburger Dom. Foto: Adobe Stock

    Hasel- und Walnüsse, Brombeeren, Quitten und Äpfel. Der Blütengrund trägt eigentlich den falschen Namen. Am Weg wachsen vor allem Obstbäume und Nusssträucher – dazu ziehen sich Weinreben auf der einen Seite den Hang hinauf. Auf der anderen schillert die Unstrut im Licht der untergehenden Sonne wie flüssiges Gold. Ein zauberhafter Pfad, der sich an den Fluss schmiegt. Wie gemacht zum Wandern und Genießen: Straußwirtschaften locken hier auf halbem Weg zwischen Naumburg und Freyburg auch Radfahrer zu einem Glas Wein auf ihre rebenumrankten Sonnenplätze. Und dort, wo die Saale auf die Unstrut trifft, tummeln sich beim Campingplatz kleine, bunte Boote im Wasser. Auf dem lauschigen Pfad kommen Ricarda (53) und Frank (54) Könitz aus Naumburg angeradelt: „Unser Lieblingsweg hier in der Umgebung“, bestätigen die beiden. Und man sieht es ihnen schon von Weitem an, wie viel Freude es ihnen bereitet, zur goldenen Stunde diesen Abstecher in die Natur zu machen. 

    Straße der Romanik feiert ihren 30. Geburtstag

    Wir sind in Mitteldeutschland, im Burgenlandkreis, im Süden von Sachsen-Anhalt, an der Straße der Romanik, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum feiert. Und im nördlichsten der 13 Qualitätswein-Anbaugebiete der Bundesrepublik. Die Landschaft legt sich hier in grüne Wellen. Wiesen, Wälder und Rebberge, wohin das Auge reicht. Dazwischen bunte Tupfer von Dörfern und Städtchen und oben auf den Hügelspitzen, strategisch bestens gelegen, ragen mittelalterliche Burgen in den Himmel. Oder das, was von ihnen noch übrig geblieben ist: Ganze 20 sind es hier in der Region und zu den bekanntesten und schönsten gehören die Festung Wendelstein, das Schloss Moritzburg, das Schloss Neuenburg sowie das Schloss Goseck. 

    Hier entlangzuradeln oder zu wandern gleicht einer Zeitreise in die Vergangenheit in einer der geschichtsträchtigsten Regionen Deutschlands, die noch ein bisschen darauf wartet, wiederentdeckt zu werden. Weinliebhaber kommen an die Straße der Romanik, Spurensucher auf der Fährte der Europäischen Geschichte und auch Musikfans wie die beiden japanische Studentinnen, die andächtig dem Klang der berühmten Hildebrandt-Orgel in der Hauptkirche von Naumburg St. Wenzel lauschen. Nach dem Konzert sind sich die beiden einig: „Es ist schon ergreifend zu wissen, dass Johann Sebastian Bach auf dieser Orgel gespielt hat!“

    Wer ist die geheimnisvoll lächelnde Frau?

    Sie ist die einzige authentisch erhaltene Bachorgel weltweit. 1746 übernahm der deutsche Komponistenfürst zusammen mit Gottfried Silbermann die Prüfung der Orgel, die der Rat der Stadt drei Jahre zuvor beim Orgelbauer Zacharias Hildebrandt in Auftrag gegeben hatte. Von 1993 bis 2000 wurde sie aufwendig restauriert und zieht nun Enthusiasten Alter Musik in die kleine Stadt an der Saale. Zu den beliebten Mittagskonzerten „Orgel punkt Zwölf“ füllen sich die Bänke von St. Wenzel mittwochs, samstags, sonntags und an den Feiertagen jeweils um Punkt 12 Uhr mit Zuhörerinnen und Zuhörern. Einige von ihnen steigen anschließend den Turm der Kirche hinauf. Die Aussicht von hier oben ist berauschend: Man sieht den von historischen Häusern mit braunroten Ziegeldächern gerahmten Marktplatz bis hin zu den grünen Hügeln, die Naumburg umgeben. Aus dem Häusermeer stechen die Türme des Naumburger Doms heraus. Noch solch ein Schatz, den die Stadt in ihren Mauern beherbergt. Er gehört zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern aus der Zeit des europäischen Hochmittelalters und jeder, der die Straße der Romanik besucht, macht auch einen Abstecher bei Uta.

    Die berühmte Figur der Uta am Naumburger Dom.
    Die berühmte Figur der Uta am Naumburger Dom. Foto: Foto Graupner/Adobe Stock

    „Schauen Sie mal, wie geheimnisvoll sie lächelt“, sagt die in mittelalterliche Gewänder gehüllte Domführerin und begleitet Interessierte zum Altar des Doms St. Peter und St. Paul. Dort im Westchor üben die zwölf lebensgroßen Stifterfiguren aus der Mitte des 13. Jahrhunderts eine ganz besondere Anziehungskraft aus. Eine von ihnen ist Uta. „Sie wird auch die schönste Frau des Mittelalters“ genannt, sagt Diana Stier im roten Umhang und ähnelt ein wenig der geheimnisvollen Frau aus Grillenburger Sandstein, die da an der Wand hängt. Aber es ist nicht nur Uta, die wie ein Magnet wirkt. Seit 2018 gehört der Naumburger Dom zum UNESCO-Welterbe und es ist das einzige Gotteshaus weltweit mit zwei reich geschmückten Lettnern, die die Chöre räumlich vom Kirchenschiff trennen. 

    In den Gassen von Naumburg tummeln sich derweil die Fußgänger, entdecken Hübsches in den Läden der Altstadt, schauen neugierig ins Schaufenster von Domglas-Naumburg, wo Lutz Gärlich und seine Tochter Martina mit Licht und Farbe spielen, oder essen ein Stück Kuchen in einem der vielen kleinen Cafés, die ihre Stühle und Tische in die Gassen gestellt haben. „Naumburg ist wie Deutschland und Italien in einem“, schwärmen Larissa Vasilyeva (44) und Klaus Knese (37), die aus Berlin für ein Wochenende nach Sachsen-Anhalt gekommen und total begeistert sind.

    Ideales Terrain für Weiß- und Rotweine

    Naumburg ist Verwaltungssitz des Burgenlandkreises und ein perfekter Ausgangspunkt zu zahlreichen Entdeckungen in der kulturhistorisch und von der Natur so reich gesegneten Saale-Unstrut-Region. Von Naumburg an der Saale bis Freyburg an der Unstrut ist es gerade mal eine halbe Stunde mit dem Rad und schon landet man im Zentrum des Weinanbaugebiets Saale-Unstrut. Kein Wunder, der Fluss bildet an dieser Stelle ein tief eingeschnittenes Tal. Es gibt geschützte Südhänge und zusammen mit den kalkhaltigen Böden ist das Terrain ideal für wunderbare Weiß-, aber auch Rotweine. Freyburg, das schon 1261 das Stadtrecht erhielt, kann auf eine 1000-jährige Weinanbaugeschichte zurückblicken.

    Fast genauso alt ist das Schloss Neunburg, das hoch über dem Winzerstädtchen thront. Unten tummeln sich die Paddler auf dem Fluss und machen gern Halt in dem einen und anderen Weingarten, wo Winzer ihr Können glasweise ausschenken. Im Bier- und Weingarten Thüringer Pforte backt Jana Loebelt (56) jeden Morgen frische Kuchen für ihre Gäste: „Wir arbeiten hier, wo andere Urlaub machen“, schmunzelt die Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt. Die gedeckte Apfelsahnetorte mit Eierlikör ist der Renner. „Der ist immer gleich als Erstes weg“, sagt die Freyburgerin. Wer lieber Herzhaftes möchte, findet Bockwurst oder Flammkuchen auf der Karte. Die Gaststätte direkt an der Unstrut hat eine lange Tradition; es gibt sie schon seit 1848. Während der DDR-Zeit war hier eine Gartenanlage. Jetzt ist der Wein- und Biergarten besonders bei Kanutouristen beliebt, die gleich nebenan haltmachen können.

    Kaiserpfalz Memleben – eine Schatztruhe der Geschichte

    Eine halbe Autostunde weiter westlich öffnet sich die Schatztruhe der Geschichte mit dem Kloster und der Kaiserpfalz Memleben. Die war unter den ostfränkischen Königen Heinrich I. und seinem Sohn Otto I. im 10. Jahrhundert ein bedeutender Stützpunkt für reisende Könige und Kaiser, die im Mittelalter noch nicht in einer Hauptstadt residierten, sondern von wechselnden Orten aus regierten. Von Otto dem Großem bis Heinrich II. zog es eine ganze Herrscherdynastie in die Kaiserpfalz nach Memleben. Die Historikerin Steffi Kleiß (38) führt durch die beeindruckende Anlage, in der noch Mauerreste des Klosters, die Krypta und die Umrisse der Monumentalkirche aus dem 10. Jahrhundert zu sehen sind: „Das war ein ungewöhnlich großer Bau, vergleichbar mit dem Kölner Dom.“ Ein stiller Klostergarten lässt die Besucherinnen und Besucher das Mittelalter duftend erleben. Er wurde nach Vorbildern aus dieser Zeit mit Hochbeeten und beliebten Pflanzen des 10. Jahrhunderts angelegt.

    Zur Abwechslung wird es quirlig und laut in der Hafenanlage Marina Mücheln, denn es ist gerade Hafenfest und alle Restaurants und Cafés rund um die Quai-Anlagen sind bis zum letzten Tisch besetzt. Kaum zu glauben, dass es gar nicht so lange her ist, als hier noch Bagger standen und Lkw schwer beladen davonruckelten: Der Geiseltalsee, der heute ein beliebtes Revier für Wassersportfans ist, entstand durch Rekultivierungsmaßnahmen eines ehemaligen Braunkohleabbaugebiets. Bis zum Jahr 2014 lief er voll mit dem Wasser der Saale. Palmen säumen heute die Uferpromenade, Segel- und Motorboote schaukeln im Wasser des neu angelegten Hafens, Ferienhäuser reihen sich mit Blick aufs Blau aneinander. Dazu umschließen Radwege auf einer Länge von 30 Kilometern die Wasserfläche und geben immer wieder die Sicht auf den mit fast 19 Quadratkilometern größten, künstlichen Binnensee Deutschlands frei. Er wirkt wie der Beginn eines ganz neuen Kapitels, das nun im Geschichtsbuch der Straße der Romanik aufgeschlagen wird. 

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