Die Abendsonne taucht die Baumwipfel in ein goldrotes Licht. So gut wie nichts durchbricht die spiegelglatte Oberfläche des Sees bis auf die paar Paddel, die die letzten auf dem See verbliebenen Boote und Boards Stück für Stück zurück an Land bringen. Die Anspannung und Hitze des Sommertags sind einer tiefen Ruhe gewichen. Mitten auf dem See wirkt es, als wäre man vollkommen allein.
Allein ist man an heißen Tagen am See, Fluss oder Meer aber praktisch nie. Klar – wenn sich die Temperaturen im Sommer in die Höhe schrauben, hat Abkühlen oft die Priorität Nummer eins. Ein beinahe menschenleerer See in den frühen Abendstunden, der so gefühlt auch in der schwedischen Wildnis liegen könnte, ist da die Ausnahme. Im Hochschwarzwald gibt es ihn noch – und auch sonst viele Möglichkeiten, sich abzukühlen. Eine Reise am Wasser entlang.
Im Hochschwarzwald ist es kühler als in Freiburg
Gut 50 Autominuten von Freiburg und viele Kurven später spannt sich der Schluchsee in seiner ganzen Weite auf. Segelboote ziehen vorbei, ein paar Menschen halten beim Stand-up-Paddling inne. Die Sonne wird nur von ein paar Wolken leicht gebremst. Der perfekte Sommertag für Zeit am See – und eine Auszeit von der Hitze. Denn heiß ist es zwar auch im Hochschwarzwald, aber im Schnitt vier bis fünf Grad kälter als im Tal.
"Viele Freiburger flüchten sich im Sommer hier hoch, um der Hitze zu entfliehen", sagt Raphael Kuner. Er leitet das Schwarzwaldcamp, das seine Zelte im Schatten des Waldes direkt am Schluchsee aufgeschlagen hat. Die Bäume senken die Temperatur dann gleich noch etwas mehr, der Waldboden schluckt leicht federnd die Geräusche der Schritte. Versteckt zwischen den Bäumen kommt man hier mal an einem Baumzelt vorbei, mal an einem Tipi. Kuner und sein Team sind sehr darauf bedacht, das man in ihrem Camp wirklich das Gefühl hat im Wald zu sein – und die Ruhe genießen zu können.
Weil das gut ankommt, hätten sie gerne die Fläche des Camps erweitert, erzählt Kuner vor dem Holzhäuschen, das als Rezeption dient. Nach einem langen Ringen mit dem Landratsamt und vielen Gutachten seien sie davon allerdings abgerückt. "Der Naturschutz hat einen sehr hohen Wert im Schwarzwald und das ist auch gut so", sagt er dazu. Aber es grenze den Tourismus auch massiv ein.
Die Wellen schwappen leise an den Sandstrand. Vom Boot sind es nur noch ein paar Schritte. Das Wasser ist mild – genau so, dass man sich schnell die Temperatur gewöhnt, sich aber trotzdem erfrischt fühlt. Vielleicht noch eine Runde schwimmen gehen?
Wenn man sich mit den Zehen im nassen Sand verbuddelt und den Blick über den Wald am anderen Ufer schweifen lässt, sieht man es dem Schluchsee nicht an. Doch seit bald 100 Jahren ist er nicht mehr nur ein Gletscher-, sondern ein Stausee. Seit dem Bau der Staumauer in den 1930ern ist der Schluchsee deshalb deutlich größer, doppelt so tief und Teil eines Wasserkraftwerks - "der größten Batterie Deutschlands", wie es der Naturschutzbeauftragte Friedbert Zapf ausdrückt.
Der Schluchsee zur Erholung da – aber auch die Energiewirtschaft braucht ihn
Zapf hat sich historischen Recherchen verschrieben und kennt so gut wie alle Sagen, die sich um den Schluchsee ranken – aber auch die historischen Details. Er braucht demnach auch nur einen Spickzettel, um stundenlang auf einer großen Wiese vor dem 200 Jahre alten Unterkrummenhof unweit des Ufers untermalt mit vielen Gesten über den See zu erzählen. So lernt man etwa, dass die Nazis Arbeitslose unter schrecklichen Arbeitsbedingungen zum Bau der Staumauer verpflichteten. Dass die Grundmauern der Häuser, die für den Stausee abgerissen wurden, teilweise bei einem tieferen Seespiegel wieder zum Vorschein kommen. Und dass es eine "große Katastrophe für die Fische" gab, als der See 1983 um 40 Meter abgesenkt wurde.
Die Höhe des Seespiegels ist auch heute noch ein großes Thema. Bei jeder Infotafel am Ufer des Schluchsees wird sie angezeigt. "Wir sind verpflichtet immer zu sagen, wie viel Wasser grade drin ist", sagt Peter Steinbeck von der Schluchseewerk AG. Hinter ihm ragt die graue Stausee-Betonmauer gut 40 Meter in die Höhe. Aus energiewirtschaftlicher Sicht wäre am besten, einen möglichst niedrigen Pegel zu halten.
Aus touristischer hingegen nicht: Je tiefer das Wasser steht, desto mehr kommt unansehnlicher Schlamm zum Vorschein. Ist es zu hoch, schrumpfen allerdings die Strände. Ein Balance-Akt zwischen den verschiedenen Interessen. Seit 2021 gibt es deswegen eine Einigung: Von Mitte Juni bis Mitte September bleibt der Wasserpegel stabil – und vor allem so, dass der See im Sommer Badegäste, Seglerinnen und Angler anzieht.
Es sind nur ein paar Schritte, aber eine gefühlt andere Welt: Statt drückender Hitze sorgt die Gischt des kleinen Wasserfalls für einen (zumindest) kurzfristigen Hitze-Schutzfilm auf der Haut. Ein Mann stellt sich kurz komplett darunter und schüttelt seine Haare aus den Augen, ein paar Leuten füllen ihre Wasserflaschen auf. Man lächelt sich sichtlich erleichtert zu – das tat gut.
Wasser fließt, plätschert oder stürzt sich auch an anderen Orten im Hochschwarzwald in die Tiefen. Wasserfälle gibt es in groß – wie etwa den Todtnauer Wasserfall, den man seit diesem Frühjahr über die Hängeseilbrücke "Blackforestline" auch von oben bestaunen kann – und in klein. Und an so einem kleinen Wasserfall – genauer gesagt dem sogenannten Mooswasserfall an der Dietfurt – startet Martin Schwenninger seine Tour durch die Wutach-Schlucht. Er arbeitet hier als Ranger und kümmert sich unter anderem darum, dass die Menschen hier der Natur nahe kommen können. Aber eben nur so nahe, dass sie Tiere nicht stören oder das Naturschutzgebiet beschädigen.
"Viele würden am liebsten hier einfach irgendwo direkt in der Wildnis zelten", sagt Schwenninger während er an den schroffen Felswänden entlangführt. Das Problem: Wenn alle denken, dass ja nur sie hier übernachten würden, sind das insgesamt wirklich viele. Erlaubt ist Zelten und auch das Baden in der Wutach, die sich durch die Schlucht schlängelt nur an ganz bestimmten Orten.
Der Fluss fließt an dieser Stelle leise rauschend über kleine Steine. Der Sommerwind rüttelt leicht an den großen Blättern der Uferpflanzen und den Ästen der Waldbäume. Überall in der Schlucht dominiert vor allem eine Farbe: Grün.
Nicht immer war die Wutach-Schlucht so sehr von Wald geprägt. Heute spenden hier unter anderem Fichten, Tannen, Buchen und Eschen Schatten, am Ufer breitet die Gewöhnliche Pestwurz ihre Blätter aus. Und auch im restlichen Hochschwarzwald kommt zum Blau des Wassers viel Grün dazu. Nicht ohne Grund bezeichnen viele Gäste die Landschaft in der Gegend als "Grünes Paradies", wie Benjamin Albiez, Geschäftsführer des "Waldhotels am Notschreipass" erzählt. "Das ist schon etwas, das die Region auszeichnet", sagt Albiez. Zwar gebe es hier auch Waldsterben, aber lange nicht so viel, wie an anderen Orten.
Einige Hotels im Hochschwarzwald beziehen nur Wasser aus eigenen Quellen
Eine weitere (Wasser-)Besonderheit des Hochschwarzwalds: Einige Hotels, wie das Waldhotel, haben ihre eigenen Quellen. Das Quellwasser gibt es zum Trinken – aber es wird zum Beispiel auch für den Wellness-Bereich aufbereitet. Bisher habe die Quelle immer hergegeben. Nur einmal hatte ein Sturm ein Rohr abgerissen – dann musste Wasser mit einem Tankwagen geliefert werden, erzählt Albiez. Angeschlossen an das lokale Wassernetzwerk, ist das Hotel nämlich nicht.
Wenn man früh genug aufsteht, wirkt der See wie riesiger Spiegel, der in der Morgensonne ein wenig glitzert. Ein Vogel flattert auf den Steg, lauwarmes Wasser umspielt die Knöchel.
Auch am frühen Morgen kann man es im Hochschwarzwald haben: Das Gefühl, so allein im See zu sein, dass man das Wasser nur mit den Fischen teilt und den Steg mit ein paar Vögeln. Die Luft ist noch ziemlich kühl – auch das ist typisch für die Gegend – das Wasser hingegen angenehm warm. Ein guter Auftakt für einen Sommertag.
Tourismus im Hochschwarzwald
Anreise: Vom Freiburger Hauptbahnhof sind viele der Seen und besonderen Orte des Hochschwarzwalds mit dem Auto gut innerhalb kurzer Zeit erreichbar. Unter anderem zum Schluch- und Titisee kann man allerdings auch mit dem Zug fahren.
Unterkünfte: Wer direkt in Seenähe wohnen möchte, kann sich zum Beispiel im Hotel Alemannenhof einquartieren. Das Hotel hat einen eigenen Naturbadestrand und liegt direkt am Westufer des Titisees. Den Besitzern gehört auch das benachbarte Nature Titisee Hotel, das gezielt auf jüngere Zielgruppen ausgerichtet ist.
Kulinarik: Wer sich für die Forellen-Spezialitäten des Schwarzwalds begeistert, wird unter anderem beim Hotel und Gasthof Tannenmühle in Grafenhausen fündig. Der Familienbetrieb bereitet die Gerichte mit den eigenen Forellen fangfrisch zu.
Diese Recherchereise wurde unterstützt von Hochschwarzwald Tourismus GmbH.