Dort drüben könnte sie einmal angelegt werden, die zweitgrößte Lachsfarm der Welt. Vom kleinen Ausflugsschiff MS Geirangerfjord II aus ist sie gut zu sehen, die aufgegebene Mine von Olivin-Steinen. Die olivgrünen Steine, die unter anderem in der Schmuckindustrie verwendet werden, sind typisch für das Fjordgebiet im mittleren Norwegen. Abgebaut wird dort nicht mehr. Ein Investor will sie nun als Lachszuchtbecken nutzen. "Das wäre nicht schlecht für die Gegend. Hier gibt es kaum Industrie", sagt Fjord-Ranger Ken Tschorn. Der Deutsche begleitet das Ausflugsschiff durch das Unesco-Weltnaturerbe Geirangerfjord, vor allem dann, wenn weitere Deutsche an Bord sind. An diesem Tag sind es fast ausschließlich Gäste des Kreuzfahrtschiffs Havila Capella. Das Schiff selbst fährt nämlich nur in den Sommermonaten in den Fjord ein.
Eigentlich findet Ken Tschorn die Idee gar nicht so gut, vor allem dann, wenn er an die Folgen für die Umwelt denkt. Der angehende Doktorand ist von seiner Heimatuniversität Bonn nach Norwegen gekommen, um die Luftqualität in dem weltberühmten Fjord zu untersuchen. Dort war aufgefallen, dass unter gewissen Wetterbedingungen die Luftschadstoffkonzentrationen unter anderem mit Stickoxiden, Schwefel oder Feinstaub hoch sein können.. Wie kann das sein? Immerhin leben in dem Gebiet nicht einmal 10.000 Menschen. Die Antwort ist leicht: Hinzu kommen jährlich rund eine Million Touristen und Touristinnen, ein Teil von ihnen kommt zwischen Juni und August auf 200 Kreuzfahrtschiffen bis in den winzig kleinen Hafen von Geiranger. In dem hohen und engen Fjord können Luft und Abgase der Schiffe kaum ausgetauscht werden.
Norwegen hat das mildeste Klima in Europa - unter gewissen Umständen
Dabei ist das Klima in dem Gebiet unglaublich sensibel. Der Geograf Tschorn sagt, Norwegen habe in Europa das mildeste Klima - berechne man seine nördliche Lage mit ein. Verantwortlich dafür ist der Golfstrom. So können auf südlichen Hängen im Geirangerfjord sogar Pfirsiche reifen. Für Menschen ist die Umgebung trotzdem über viele Jahrhunderte hinweg ein widriger Lebensraum geblieben. Höfe waren teilweise nur vom Wasser aus zugänglich, Lawinen sowohl aus Schnee als auch Geröll haben immer wieder für viele Todesfälle gesorgt.
Zu den natürlichen Gefahren kommen nun auch noch die von Menschen gemachten - wie die geplante Lachsfabrik. Ken Tschorn sagt, das Projekt könnte die Umwelt des Fjords mit ebenso viel Stickstoff belasten, wie die Stadt Oslo im selben Zeitraum produziert.
Seit 2015 gibt es nun ein Forschungsprojekt der Uni Bonn, um die genauen Auswirkungen der Schiffsabgase zu erforschen. Die Konsequenz der Behörden in Norwegen: Ab 2026 dürfen Schiffe, die Emissionen ausstoßen, nicht mehr in den Geirangerfjord einfahren. Das gilt sowohl für die großen Kreuzfahrtschiffe als auch für die kleinen Ausflugsboote wie die Geirangerfjord II. Was dann passiert? "Wir wissen es noch nicht", sagt Ken Tschorn. Wird das Naturwunder dieses Fjords dann nicht mehr vom Wasser aus zugänglich sein? Sicher ist: Bislang gibt es keine Lademöglichkeiten für Schiffe mit Elektromotor in dem Fjord.
Aber es gibt inzwischen immerhin schon Kreuzfahrtschiffe, die den Anspruch erfüllen könnten, den Fjord im Bereich der Weltnaturerbezone komplett ohne Emissionen zu befahren. Die Capella und die Castor gehören zur Flotte der Reederei und des Kreuzfahrtanbieters Havila Voyages und fahren seit wenigen Jahren auf der berühmten Postschiffroute, der Hurtigruten. Die feiert in diesem Jahr ihr 130-jähriges Bestehen. Die beiden Schiffe verfügen eigenen Angaben zufolge über die größten Batteriepakete für elektrische Schiffsmotoren der Welt. Im Inneren der Capella gibt es zwei Räume für die Batterien, mit denen jeweils auch 300 Autos betrieben werden könnten. "Wir können vier Stunden allein mit Strom fahren", sagt Schiffsingenieur Björn Jones. Das reicht für eine Fahrt vom Beginn der Schutzzone bis nach Geiranger und zurück.
Die Schiffe sollen so umweltfreundlich wie möglich fahren
In den großen Häfen entlang der Postschiffroute können die Batterien mit Strom aus Wasserkraft wieder aufgeladen werden. Im täglichen Betrieb funktioniert das aber zumeist anders. Die Schiffsmotoren der Capella werden nicht mit Diesel, sondern mit Erdgas betrieben. Das senkt die Emissionen um 25 Prozent. Erst an Bord wird das LNG, also Flüssiggas, wieder in seinen normalen Aggregatzustand zurückversetzt. "Wir fahren im Normalbetrieb mit beiden Motorentypen, sowohl mit den Gas- als auch den Elektromotoren", erklärt Jones. In diesem Fall laden Generatoren die Batterien des Elektromotors immer wieder auf. Björn Jones, dessen Vater aus England stammt, fährt seit 1974 zur See.
Die Capella wurde erst 2021 in Betrieb genommen. Es ist das erste Mal, dass Jones ein Schiff mit dieser Art von Antrieb begleitet. Kein Problem für den alten Hasen. "Ich habe eine gute Mannschaft", sagt er. Zu der gehört auch Per-Aksel Nors, der erst 22 Jahre alt ist. Auch der junge Elektriker hat schon einige See-Erfahrung. Elektromotoren sind für ihn seit Jahren tägliches Geschäft. Die Capella tut übrigens noch mehr, um eine möglichst geringe Umweltbelastung zu erreichen. "Hier ist unsere Biogasanlage", zeigt Björn Jones. Als ob man das nicht gerochen hätte. Hier werden die organischen Abfälle des Schiffs gesammelt, verwertet und in Wärme umgewandelt.
Für organische Abfälle gibt es an Bord eine Biogasanlage
Abfälle, das ist auch so ein Thema auf den Postrouten-Schiffen von Havila. Oben im Bordrestaurant suchen die Gäste das sonst übliche und beliebte Büffet vergebens. Alle Mahlzeiten, ja sogar jede Scheibe Brot und jeder Teelöffel Butter werden extra bestellt. "Wir haben das Ziel, pro Tag und Passagier nur 70 Gramm an Lebensmitteln wegzuwerfen", beschreibt Havila-Deutschland-Chefin Pia Kuusisto das Konzept. Im Jahr sollen so auf den Schiffen der Flotte 60 Tonnen an Lebensmitteln eingespart werden. Nachhaltigkeit und Energieeinsparung gehen dabei ins Detail: "Die Capella hat gerade einen neuen Anstrich bekommen, der die Gleiteigenschaften auf dem Wasser verbessert. Damit werden noch einmal drei Prozent weniger Energie für die Fahrt verbraucht", sagt Magnus Riebandt, für Havila in Deutschland für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Vier Schiffe soll die Flotte einmal umfassen. Bislang fahren jedoch erst die Capella und die Castor auf der Strecke zwischen Bergen und Kirkenes als Konkurrenz zu den bekannten Schiffen des Anbieters Hurtigruten. Der setzt inzwischen übrigens auch auf Hybridmotoren, allerdings mit Diesel und Elektro, nicht mit Erdgas. Im Laufe des Jahres sollen die Pollux und die Polaris bei Havila hinzukommen. Unter anderem gibt es Verzögerungen, weil auf der Tesan-Werft in der Türkei, wo die Schiffe gebaut werden, nach dem schlimmen Erdbeben im Februar für einige Zeit nicht mehr gearbeitet wurde: "Viele Mitarbeiter sind in die Erdbebengebiete gegangen, um zu helfen", beschreibt Pia Kuusisto.
Die teuersten Kabinen sind ganz schnell ausgebucht
Und so beginnt das Jubiläumsjahr von 130 Jahren Postschiffroute durch die norwegischen Fjorde kleiner als zunächst erhofft. Die neuen Schiffe sind beliebt und schon zu mehr als 50 Prozent für das gesamte Jahr ausgebucht, heißt es von Havila. Die allermeisten der insgesamt knapp 180 Kabinen haben vor dem gemütlichen Sofa ein Fenster, mit dem auch aus der Kabine die Fjordlandschaft betrachtet werden kann. Nur 16 Kabinen auf jedem Schiff haben einen eigenen Balkon, manche sogar einen eigenen Whirlpool. "Die sind immer als Erstes weg", sagt Pia Kuusisto.
34 Häfen gibt es entlang der Postschiffroute, sie alle werden von den Havila-Schiffen wie einst angefahren. Manchmal gibt es einen halben Tag Aufenthalt mit dem Angebot von Ausflügen in die Umgebung, manchmal auch nur zehn Minuten. Das reicht gerade, um Ladung zu löschen oder aufs Schiff zu bringen. Post ist zwar nicht mehr dabei, sondern vor allem Sperrgut. Aber auch Menschen: Norwegerinnen und Norweger nutzen die heutigen Kreuzfahrtschiffe immer noch, um von einem Hafen zum nächsten zu kommen.
Schlechtes Wetter? Das ist zwischen Polarkreis und Nordkap Ansichtssache
Kurz vor dem Hafen Örnes geht es übrigens über den Polarkreis. Dann ist von der sprichwörtlich milden Witterung kaum noch etwas zu spüren. Aber was ist eigentlich schlechtes Wetter zwischen dem Polarkreis und dem Nordkap? Ansichtssache. Capella-Kapitän Brynjard Ulvöy sieht das so: Wenn es auf der 13 Tage langen Fahrt nur zur Hälfte schlechtes Wetter gibt, dann ist das immer noch wirklich gutes Wetter.
Kurz informiert
Anreise Die Anreise ist jener Teil der Reise, der nicht besonders umweltfreundlich ist. Denn wer nicht mit Bahn und Fähre von Kiel nach Oslo und dann weiter nach Bergen fahren will, kommt um einen Flug kaum herum. Verbindungen gibt es mit der Lufthansa und dem Partner SAS von München über Kopenhagen nach Bergen. Dort startet die Postschiffroute.
Reiseroute Die Postschiffroute führt von Bergen über 34 kleine und größere Häfen bis nach Kirkenes, das sogar noch weiter östlich hinter dem Nordkap liegt. Die Häfen werden alle angefahren, außer das Wetter ist zu schlecht. Das kann im Winter durchaus passieren. In diesem Jahr wird die Postschiffroute 130 Jahre alt. Bei Havila gibt es deswegen des ganze Jahr über eine Reihe von Angeboten. Es kann übrigens auch ein Teil der insgesamt 13 Tage langen Hin- und Rückreise gebucht werden.
Ausflüge Ein wichtiger Teil einer Kreuzfahrt sind die Ausflüge an Land. Je nachdem, was man bucht, können sie die Reise sehr viel teurer machen, als der reine Reisepreis vermuten lässt. Während man die Hafenstädte wie Trondheim oder Alesund durchaus auch alleine erkunden kann, ist das bei Abenteuerausflügen schwieriger. Dafür hat man dann auch die Möglichkeit, eine Fahrt mit einem Hundeschlitten oder das Fischen von Königskrabben zu erleben.