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Pesaro: Was die italienische Kulturhauptstadt 2024 zu bieten hat

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Kultur für Entdecker in Pesaro

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    Die große Bühne in Pesaro: Die elegante Einkaufsstraße der Stadt endet am Strand der Adria. Hier steht eine "Palla" des international berühmten Künstlers Arnaldo Pomodoro, der ganz aus der Nähe von Pesaro stammt.
    Die große Bühne in Pesaro: Die elegante Einkaufsstraße der Stadt endet am Strand der Adria. Hier steht eine "Palla" des international berühmten Künstlers Arnaldo Pomodoro, der ganz aus der Nähe von Pesaro stammt. Foto: Jana Tallevi

    Pesaro? Warum ausgerechnet ? Die Stadt an der Adria ganz im Norden der Region Marken, 35 Kilometer südlich von Rimini, ist zwar bei Liebhabern weltweit bekannt für das Festival rund um den bedeutendsten Sohn der Stadt, den Komponisten Giacomo Rossini. Aber muss sie deshalb gleich Kulturhauptstadt 2024 dieses an Kunst, Archäologie, Musik und Architektur so reichen Landes werden? Für Valeriano Santi ist das keine Frage. Als Allround-Künstler vom Goldschmied bis zum Bildhauer kennt er die Szene, die im heutigen Pesaro fast an eine Künstlerkolonie erinnert, kennt berühmte Vertreter und die Geschichte der Stadt, die in diesem Jahr entdeckt werden kann - und kann zu Geheimtipps führen.

    Auf zentralen Piazza del Popolo in Pesaro erinnert eine extra angeschaffte, unterschiedlich beleuchtete Kugel, an die "Palla di Pomodoro" am Ende der Straße.
    Auf zentralen Piazza del Popolo in Pesaro erinnert eine extra angeschaffte, unterschiedlich beleuchtete Kugel, an die "Palla di Pomodoro" am Ende der Straße. Foto: Jana Tallevi

    Als die Entscheidung als Kulturhauptstadt 2024 von Italien vor einigen Jahren auf Pesaro fiel, war Matteo Ricci Bürgermeister. Ihm war klar: Nicht nur der Stadtkern am Meer soll zeigen, warum er sich gegen Konkurrenten wie Viareggio, Grosseto (beide in der Toskana) oder Vicenza durchgesetzt hat. Auch die kleinen Stadtteile im Hinterland und die Gemeinden der gesamten Provinz Pesaro-Urbino sollen sich mit dem Titel schmücken dürfen. Denn hier, in der Natur, findet Kunst und Kultur der Region ihren Ausgangspunkt und wird über Generationen weitergetragen.

    Auch die kleinen Stadtteile sind Teil der Kulturhauptstadt Pesaro 2024

    Wie an der Stadtmauer von Candelara, einem Stadtteil von Pesaro im Hinterland, der nur etwa 700 Einwohner und Einwohnerinnen hat. Dort ist seit wenigen Wochen das große Wandgemälde „Stimmung dell‘alba sopra casa mia“ von Davide Mancini Zanchi aus Urbino angebracht, also die „Stimmung im Morgengrauen über meinem Haus“. Der 38-Jährige drückt aus, wie sich ein Sommermorgen in den Hügeln im Hinterland der Marken anfühlt: ein wenig heiß, ein wenig frisch, klar in der Konturierung der Linien am Horizont, die noch nicht von der Schwüle des Tages verwischt worden sind. Sein Werk hängt gleich neben dem eines aderen international begehrten Künstlers, der in ebendieser Umgebung die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte: Giovanni Gentiletti. Der war übrigens ein Lehrer von Valeriano Santi.

    Das Bild „Stimmung dell‘alba sopra casa mia“ von Davide Mancini Zanchi ist seit Kurzem an der Stadtmauer von Candelara angebracht.
    Das Bild „Stimmung dell‘alba sopra casa mia“ von Davide Mancini Zanchi ist seit Kurzem an der Stadtmauer von Candelara angebracht. Foto: Jana Tallevi

    Gentiletti (1947 bis 2010) ist einer der vielen Künstler, die sich rund um den Bildhauer Arnaldo Pomodoro (Jahrgang 1926) in Pesaro fast wie in einer Kolonie scharen und einen eigenen Teil der Stadtgesellschaft ausmachen. Der Bildhauer, bekannt für seine Sphären, die auf der ganzen Welt zu sehen sind, stammt aus einem kleinen Dorf ganz in der Nähe von Pesaro, Morciano die Romagna. Inzwischen ist Pomodoro fast 100 Jahre alt und ist immer noch die alles überstrahlende Künstlerfigur der Region, gemeinsam mit seinem Bruder Gio. Arnaldo studierte an der über Jahrzehnte hinweg berühmten Kunstakademie von Pesaro zunächst Bühnendesign, wurde dann Goldschmied und schließlich Bildhauer. Eine für die Region typische Künstlerkarriere, wie sie auch Valeriano Santi, geboren 1971, zwei Generationen später erlebt.

    Giovanni Gentiletti stammt aus Candelara, einem Stadtteil von Pesaro

    Auch Giovanni Gentiletti studierte seine Kunst in Pesaro und unterrichtete anschließend selbst bis zu seinem Lebensende 2010 an der staatlichen Kunstakademie der Stadt, ebenso wie in einem Zentrum, das von Arnaldo Pomodoro in der Provinz geschaffen wurde. Nur wenige Kilometer von Candelara entfernt, in Santa Maria dell‘Arzilla, haben die Töchter von Giovanni Gentiletti ihm im ehemaligen Wohnhaus der Familie ein Museum gesetzt. Seine Tochter Ilaria führt selbst durch die Ausstellung, die die Familie nach dem Tod Gentilettis zusammengetragen hat. Ein Tryptychon für den Dom in Pesaro sei seine letzte Arbeit gewesen, erzählt sie. Seine Werke stellen zoomorphe Gestalten dar, immer wieder ist da der Ibis, Pferde oder darüber hinaus auch Schiffswracks. Das nahe Meer, das ist neben den Tiergestalten die andere Konstante in Gentilettis Werken.

    Candelara ist ein kleiner Stadtteil von Pesaro im Hinterland. Hier wurde Giovanni Gentiletti geboren und verbrachte seine Kindheit.
    Candelara ist ein kleiner Stadtteil von Pesaro im Hinterland. Hier wurde Giovanni Gentiletti geboren und verbrachte seine Kindheit. Foto: Pro loco Candelara

    Die künstlerische Atmosphäre im touristisch in Deutschland wenig bekannten Pesaro ist etwas für Insider. Eine weitere Künstlergruppe reiht sich um Bruno Bruni, ebenfalls Bildhauer und Maler. Bei ihm war während seiner Amtszeit regelmäßig der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Gast. Sein Anwesen liegt an der nicht umsonst so genannten Strada Panoramica im Norden Pesaros, die ins Naturschutzgebiet des Monto San Bartolo führt. Ein Paradies für Fahrradfahrer, jeden Sonntagvormittag wird die Straße für sie extra für den Autoverkehr gesperrt. Wer an der Strada Panoramica zeitlebens auch ein Ferienhaus hatte, war der unvergessene Tenor Luciano Pavarotti. Auch Valeriano Santi war dort schon zu Gast. „Der riesige Park mit den vielen Skulpturen ist wirklich beeindruckend“, erinnert er sich.

    Wer müde ist von der Kultur: Ab an den Strand

    Kunst und Kultur können jedoch auch müde machen. Zum Glück hat Pesaro noch mehr zu bieten, gerade in diesem Jahr. Tägliches Yoga am Strand kann wieder munter machen - übrigens auch ein Programmpunkt der Kulturhauptstadt 2024. Überhaupt, der Strand. Für die Einwohner und Einwohnerinnen von Pesaro ist er ein Lebenselixir. Auch für Valeriano Santi: Vor seinem Studium an der Kunstakademie der Stadt schloss er eine Ausbildung zum Mechaniker für Schiffsmotoren ab. Während sich nur wenige Kilometer entfernt in Rimini oder Cattolica Touristen aus der ganzen Welt tummeln, ist der Strand in Pesaro zu einem Großteil die Domäne der Einheimischen, vielleicht mit Ausnahme der Strandbäder direkt vor den Hotels in der Stadtmitte.

    Der Strand von Pesaro "sotto monte", unterhalb des Monte Ardizio.
    Der Strand von Pesaro "sotto monte", unterhalb des Monte Ardizio. Foto: Jana Tallevi

    Schon ab dem späten Vormittag geht es bei den Badegästen praktisch nur um ein Thema: Was gibt‘s zum Mittagessen? Unverzichtbar: Regionale Produkte. Wie das Olivenöl. Drei Olivensorten wachsen im Hinterland von Pesaro: Leccino, Frantoio und Ascolana Dura. Die Mischung macht das Öl leicht pikant. Seit vier Generationen betreibt die Familie Zenobi eine Steinölmühle, in die die Besitzer von Olivenbäumen ihre Ernte bringen. Einen Teil des Öls bekommen die Olivenbaumbesitzer, den anderen verkauft Elvio Zenobi in seinem Geschäft. Auf ähnliche Weise funktioniert Herstellung und Verkauf von lokalem Wein.

    Ilaria Gentiletti, die Tochter der Künstlers Giovanni Gentiletti, führt durch das Museum mit den Werken ihres Vatres.
    Ilaria Gentiletti, die Tochter der Künstlers Giovanni Gentiletti, führt durch das Museum mit den Werken ihres Vatres. Foto: Jana Tallevi

    Anders ist es beim Käse. In der ganzen Region beliebt und in vielen kleinen Geschäften zu haben ist der Schafskäse, Pecorino, der Familie Manca. Schafe sind in der Region keine typischen Weidetiere. „Meine Eltern sind 1969 mit sechs Kindern von Sardinien eingewandert“, erzählt Rina Manca. Sie kamen, um in den Fabriken der Region zu arbeiten und brachten ihre Kultur der Milchverarbeitung mit. „Den Käse haben wir am Anfang in der Küche gemacht“, so Rina Manca weiter. Heute gibt es eine kleine Werkstatt im bergigen Hinterland, wo der Käse traditionell hergestellt wird. Die Kunden lieben vor allem den frischen Pecorino, der vor allem über die Wintermonate produziert wird, wenn die Schafe viel Milch haben. Was dann übrig bleibt, darf länger lagern und wird zum typisch sardischen Pecorino - original aus Pesaro.

    Rina Manca stellt mit ihren Geschwistern im Hinterland von Pesaro sardischen Pecorino her.
    Rina Manca stellt mit ihren Geschwistern im Hinterland von Pesaro sardischen Pecorino her. Foto: Jana Tallevi

    Kurz informiert

    • Anfahrt Pesaro ist die nördlichste Stadt der italienischen Region Marken und per Flugzeug über die Flughäfen Bologna und Ancona unter anderem mit Lufthansa-Flügen (ab 250 Euro für Hin- und Rückflug) zu erreichen. Günstiger ist die Anreise mit Spartickets der Deutschen Bahn nach Rimini (ab ca. 29 Euro für die einfache Fahrt) und dann mit einem Ticket der italienischen Bahn weiter. Diese Spartickets sind oft schnell ausverkauft, der Normalpreis beträgt um 135 Euro. Weil vor Ort ein Transport mit dem Auto gerade für Fahrten ins Hinterland empfehlenswert ist, ist auch die Anreise per Auto über die Brennerautobahn und weiter über die A1 Richtung Bologna und dort auf die A14 in Richtung Bari möglich. Der Preis für Sprit und Maut liegt bei rund 300 Euro hin und zurück.
    • Unterkunft Pesaro bietet eine Vielzahl von Unterkünften jeglicher Art. Strandhotels jeder Preisklasse gibt es in der Viale Trieste und den angrenzenden Straßen. Etwas Besonderes ist das „Alexander Museum Palace Hotel“, das halb Museum, halb Hotel ist, Viale Trieste 20, 61100 Pesaro, Telefon 0039-0721-34441, E-Mail alexander@viphotels.it. Die Zimmer sind teilweise von Künstlern gestaltet. Eine Nacht kostet hier, je nach Saison, ab 85 Euro, in der Hochsaison etwa 130 Euro. Im Hinterland gibt es eine Reihe von Ferienhäusern oder kleine Ferienanlage, etwa den „Agriturismo Casa Renili“, Strada Lunga 13, 61122 Candelara, Telefon 0039-334-1910468, E-Mail agriturismo@casarenili.it, die Apartements kosten ab 650 Euro pro Woche.
    • Kulturhauptstadt Auf der zentralen Piazza del Popolo in Pesaro gibt es einen Infopoint rund um das Jahr als Kulturhauptstadt, das noch bis Ende Dezember mit vielen Veranstaltungen und Ausstellungen gefeiert wird. Die Pesaro-Card (gibt es auch online unter card.pesaro2024.it) ermöglicht in vielen Museen freien oder vergünstigten Eintritt für nur 14 Euro. Das komplette Programm gibt es auch im Internet.
    • Das „Casa Mueso Giovanni Gentiletti“, Strada dei Guazzi 4, 61122 Santa Maria Dell’Arzilla (PU) hat jeden dritten Sonntag im Monat geöffnet, Kontakt über Telefon 0039-347-7219106 oder per E-Mail an info@pesaromusei.it.
    • Agricola F.lli Manca, Via Petricci 9, 61024 Monteciccardo, Telefon 0039-333-3741294, werktags geöffnet von 8.30 bis 12 Uhr und von 15 bis 19 Uhr. Wer nicht so weit fahren möchte, bekommt den Käse beispielsweise auch im Dorfladen von Candelara.
    • Zenobi Vino e Olio, Via Padre Massimiliano Kolbe 82, 61122 Pesaro, Telefon 0039-0721-30227, geöffnet Montag bis Samstag von 8 bis 12.30 Uhr und von 15.30 bis 19.30 Uhr. Produkte von Zenobi gibt es auch auf dem Münchner Großmarkt am Stand „Mokaffee“ oder im dortigen Online-Shop.

    Diese Reise wurde unabhängig und ohne Unterstützung der genannten Hersteller oder Unterkünfte recherchiert.

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