Am Bodensee wird dieser Tage ein spannendes Projekt angegangen: In über 200 Metern Tiefe schlummert hier das Dampfschiff Säntis. Im Jahre 1933 wurde es ausgemustert und versenkt, da die Kosten für eine Entsorgung zu hoch gewesen wären. Nun soll das Schiff geborgen werden. Ein überaus kompliziertes Unterfangen, das im Frühjahr 2024 hätte stattfinden sollen und nun aufgrund einiger Stolperstellen verschoben werden musste. Wer dennoch bereits jetzt etwas in der Vergangenheit der mondänen Schifffahrt auf dem Bodensee schwelgen möchte, dem sei eine Fahrt auf einem wahrlich herrschaftlichen Jugendstil-Dampfer angeraten, der in derselben Werft – Escher Wyss & Cie aus Zürich – wie die Säntis hergestellt wurde: Die Hohentwiel.
Auf der Schönheit, die nach dem Singener Hausberg benannt ist, kann man sich nicht so sicher sein, was mehr glänzt: Die Augen der Besucher oder das Schiff selbst. Die goldfarbenen Armaturen, ja selbst das Steuerrad und der Fußboden strahlen und blitzen in einer wunderbaren Einigkeit. Damit das auch noch lange so bleibt, sind Stöckelschuhe an Bord nicht erlaubt. Der hervorragende Zustand des Schaufelraddampfers lässt die Vergangenheit lebendig werden und man wünscht sich insgeheim ganz stilecht im Vintage-Outfit angereist zu sein.
Graf Zeppelin feierte auf der Hohentwiel
Durch gläserne Bullaugen lassen sich die roten Schaufelräder bei ihrer Arbeit betrachten, ebenso wie die Dampfmaschine im blauen Salon, die die 950 PS unter Kontrolle hat und selbst blitzt und blankt. Auch die durch die Stuttgarter Glockengießerei Heinrich Kurtz hergestellte Schiffsglocke verdient besondere Aufmerksamkeit. Über Jahrzehnte war sie verschollen und thront nun durch eine glückliche Fügung wieder an ihrem Platz, der Schriftzug „Hohentwiel 1913“ ist deutlich zu erkennen. Neben all der Glorie wird so bewusst, dass das etwa 57 Meter lange und 13 Meter breite Schiff bereits über 110 Jahre alt ist. Viel erlebt hat sie auf ihrer Reise durch die Zeit: Graf Zeppelin feierte an Bord, König Wilhelm II. und der König von Sachsen unternahmen zusammen eine Ausflugsfahrt mit ihr, während des Zweiten Weltkrieges entging sie der Zerstörung nur knapp und diente dann ab den 1960er- bis in die 1980er-Jahre als Clubhaus des Bregenzer Segelclubs, dies stets vor Anker.
Ein Verein setzte sich für das Schiff am Bodensee ein
In wenig schmeichelhaftem Zustand hätte sie dann fast das gleiche Schicksal wie die Säntis ereilt, hätte sich der Verein „Internationales Bodenseeschifffahrtsmuseum e. V.“ nicht ihrer angenommen und die liebevolle detailgetreue Restaurierung mit viel Herzblut vorangetrieben. Heute kann man sich von ihrer Einzigartigkeit bei einer von vielen Themenfahrten selbst überzeugen, die oft auch kulinarisch einiges zu bieten haben. Von der klassischen Rundfahrt bis zur Gourmet-Fahrt mit 5-Gang-Menü und Live-Musik oder dem „Dixie Törn“ begleitet von Dixiemusik – die Auswahl ist groß.
Infos zur Bodensee-Tour
Wichtig: Die Hohentwiel startet von verschiedenen Häfen aus. Es ist ratsam, die Tickets vorab zu kaufen und mindestens 20 Minuten vor Abfahrt am Hafen zu sein. Für Menschen mit Gehbehinderung ist das Schiff nur eingeschränkt nutzbar.
Preise: Abhängig von der gewählten Fahrt, z.B. Rundfahrt 48 Euro Erwachsene/24 Euro Kinder (6-15 Jahre) oder Mittags-Törn mit 3-Gänge-Menü 95 Euro Erwachsene/48 Euro Kinder (6-15 Jahre), alle für Familien geeignete Fahrten sind auf der Homepage als solche gekennzeichnet.
Homepage: https://www.hs-bodensee.eu/
Auch interessant: Auch für das historische Motorschiff „Oesterreich“ können Fahrten gebucht werden.
Da könnte man fast vergessen zu erwähnen, dass nicht nur der Anblick des Schiffes, sondern auch der Ausblick von diesem auf den Bodensee, seine Städte und Ufer oder den Pfänder selbst sensationell ist. Von der Hohentwiel aus hat man sogar fast den Eindruck, dass der See und seine Umgebung sich bemühen, noch etwas mehr zu strahlen als sonst.