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Miró, Chillida und viele mehr: Wo Künstler auf den Balearen Inspiration fanden

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Wo Künstler auf Mallorca und Menorca Inspiration fanden

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    An den Steinbrüchen von Lithica steht man direkt am Abgrund. Dem Kalkstein Marés, der dort abgebaut wurde, ist auf der gesamten Insel präsent.
    An den Steinbrüchen von Lithica steht man direkt am Abgrund. Dem Kalkstein Marés, der dort abgebaut wurde, ist auf der gesamten Insel präsent. Foto: Franziska Wolfinger

    Der ein oder andere mag bei der bloßen Erwähnung Mallorcas sofort Bilder von betonfarbenen Pauschalreisebunkern vor dem inneren Auge aufsteigen sehen. Und natürlich gibt es diese Gebäude, sowohl auf Mallorca als auch auf der Schwesterinsel Menorca. Aber wer einmal dort war (und dem Ballermann wenigstens kurz den Rücken kehrte) weiß um die Ursprünglichkeit und Schönheit der Balearen, die auch bei vielen Künstlerinnen und Künstlern Eindruck hinterließen. Zeit, die beiden Inseln aus deren Perspektive zu entdecken.

    Joan Miró ließ sich mit über 50 auf Mallorca nieder

    Mallorca und Menorca können in Sachen bildender Künstler durchaus mit bekannten, renommierten Namen aufwarten. Maler Joan Miró etwa reiste schon in seiner Kindheit nach Mallorca, seine Frau stammte von der Insel. Mit über 50 Jahren entschied er sich endgültig für den Umzug auf die Insel, wo er 1983 dann auch starb. Touristische Bettenbunker waren übrigens auch Miró ein Dorn im Auge. Eine Tatsache, der die Hauptstadt Palma bis heute einen ihrer schönsten Orte verdankt. Dazu später mehr. Der Baske Eduardo Chillida hingegen, den Kunsthistoriker zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts zählen, hatte zeit seines Lebens eine starke Verbindung zur Baleareninsel Menorca, wo er so einige Sommer verbracht hatte. Viele seiner Werke entstanden dort.

    Die Galerie Hauser und Wirth auf der Illa del Rei zeigte bis Oktober Werke Chillidas anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers.
    Die Galerie Hauser und Wirth auf der Illa del Rei zeigte bis Oktober Werke Chillidas anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers. Foto: Franziska Wolfinger

    Gerade in Spanien kommt man an Chillidas Skulpturen kaum vorbei. Sie zieren zig öffentliche Plätze im ganzen Land, in Deutschland findet man seine Arbeiten unter anderem vor dem Bundeskanzleramt in Berlin oder bei der Pinakothek der Moderne in München. Berühmt sind vor allem seine großen, raumgreifenden Skulpturen, die gleichzeitig massiv und elegant wirken. Das Spiel mit Raum und Leere zeichnet Chillidas meist sehr geometrisches Werk aus.

    Auf Menorca gibt es Orte, die fast wie eine Blaupause für Chillidas Werke wirken. Inspiration bezog der Bildhauer unter anderem aus dem menorquinischem Erbe aus prähistorischer Zeit. Die Menschen der sogenannten Talayot-Kultur hinterließen überall auf der Insel ihre Spuren – Überreste von Behausungen und Kultorten. Besonders auffällig sind die teils mehrere Meter hohen Monolithe, die in Form eines „T“ aufgestellt wurden und die quer über die Insel verstreut zu finden sind. Eine Ähnlichkeit zu Chillidas Skulpturen ist da durchaus erkennbar.

    Die T-förmig aufgestellten Steinquader sind charakteristisch für die Talayot-Kultur. Seit 2023 sind die archäologischen Stätten Teil des Unesco-Weltkulturerbe.
    Die T-förmig aufgestellten Steinquader sind charakteristisch für die Talayot-Kultur. Seit 2023 sind die archäologischen Stätten Teil des Unesco-Weltkulturerbe. Foto: Franziska Wolfinger

    Erst 2023 würdigte auch die Unesco diese archäologischen Stätten und erklärte das „Talayotische Menorca“ zum Weltkulturerbe. Eine besonders abwechslungsreiche Stätte findet sich nur vier Kilometer von der Hauptstadt Maó entfernt. Rund 100 Menschen sollen die Siedlung Talatí de Dalt zu deren Blütezeit zwischen dem 4. und 2. Jahrhundert v. Chr. bewohnt haben. Als Kultstätte soll der Ort sogar bis ins Mittelalter genutzt worden sein.

    Wo Steinbrüchen auf Menorca neues Leben eingehaucht wird

    Als Bildhauer war Eduardo Chillida das Material Stein sehr nahe – wenngleich er auch mit Stahl und Ton gearbeitet hatte. Auf den Balearen war der Kalkstein Marés lange Zeit das stadtbildprägende Baumaterial. Steinbrüche, in denen schwere Quader unter größter Anstrengung abgebaut wurden, rissen Wunden in die Landschaft. Viele wurden wieder mit Schutt verfüllt – in Lithica nahe der Stadt Ciutadella ging man einen anderen Weg. In den Steinbrüchen dort gibt es längst nichts mehr zu holen, mit modernen Maschinen wurde zuletzt alles abgebaut, was Wert hatte. Heute macht schon allein der Kontrast zwischen alten handwerklichen und den neueren maschinell bearbeiteten Steinbrüchen Lithica zu einem eindrucksvollen Ort. Nicht minder spannend ist, was in den aufgelassenen Steinbrüchen eingerichtet wurde: Besucher spazieren im Schatten der hohen Steinwände durch eine grüne Parklandschaft. Auf dem Boden eines der beiden „industriellen Steinbrüche“ wurde ein Labyrinth aus Steinquadern errichtet, der andere wird regelmäßig zur Konzertbühne.

    Ein Labyrinth lädt in Lithica zu Entdeckungen ein.
    Ein Labyrinth lädt in Lithica zu Entdeckungen ein. Foto: Franziska Wolfinger

    Lluïsa Seguí ist Mitglied der verantwortlichen Stiftung. Viele Besucherinnen und Besucher würden sich von den Steinbrüchen an große Künstler erinnert fühlen, sagt sie. Es fallen Namen wie M. C. Escher oder Piet Mondrian. Sie selbst erkennt darin auch Eduardo Chillida wider. Schließlich ist die Leere, die Abwesenheit von Material, ein wichtiges Element seines Werks.

    Zurück nach Mallorca. Den Weg zwischen den Inseln legt man entweder per Fähre oder mit dem Flugzeug zurück. Letzteres ist die bei Einheimischen beliebtere Variante, wohl weil es der direkte Weg zwischen den beiden Hauptstädten Palma und Maó ist. Kleine Propellermaschinen fliegen die Strecke mehrmals täglich. Die Inselbewohner warnen zudem vor der teils recht rauen See, die die Überfahrt mit dem Schiff zum ungewollten Abenteuer werden lassen kann. Die Fähren verkehren ebenfalls regelmäßig zwischen Ciutadella im Westen Menorcas und Alcudia an der mallorquinischen Nordküste.

    Per Flugzeug oder Fähre geht von Menorca nach Mallorca.
    Per Flugzeug oder Fähre geht von Menorca nach Mallorca. Foto: Franziska Wolfinger

    In Alcudia angekommen lohnt sich ein Abstecher in das Museo Sa Bassa Blanca – noch ein echter Geheimtipp auf der gut besuchten Insel. In ihrem Privatanwesen, das abgeschieden und in vollkommener Ruhe rund 16 Autominuten von Alcudia entfernt liegt, haben die Kunstsammler Ben Jakober und seine Frau Yannick einen besonderen Ort geschaffen. Ihr Museum wirkt bisweilen wie ein Kuriositätenkabinett, wo ein Wollnashornskelett vor einem wild glitzernden Kristall-Vorhang steht. Ein paar Schritte weiter Kunst aus Plastikabfall von afrikanischen Müllhalden, eine Lichtinstallation, die mathematische Formeln zeigt und noch so viel mehr. Ein anderer Raum zeigt eine der größten Sammlungen von historischen Kinderporträts, es gibt einen Skulpturenpark und noch einiges mehr in dem im arabischen Stil von Architekt Hassan Fathy gebauten weißen Haus zu entdecken.

    Erinnerung an Rebecca Horn auf Mallorca

    Das Ehepaar Jakober war gut befreundet mit der in diesem Jahr verstorbenen Rebecca Horn. Auch Horn zählt zu den Künstlerinnen und Künstlern, die auf Mallorca Inspiration und eine zweite Heimat gefunden haben. In Pollenca hatte sie sich ein Atelier eingerichtet. Eine Handvoll Werke von Horn finden sich heute im Museo Sa Bassa Blanca, Sammler Ben Jakober hatte erst im Mai – noch vor Horns Tod – einen eigenen kleinen Ausstellungsraum für die deutsche Bildhauerin und Installationskünstlerin einrichten lassen.

    Traumhafte Aussichten in Deià. Das kleine Dörfchen im Tramuntana-Gebirge entwickelte sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts zur Künstlerkolonie.
    Traumhafte Aussichten in Deià. Das kleine Dörfchen im Tramuntana-Gebirge entwickelte sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts zur Künstlerkolonie. Foto: Franziska Wolfinger

    Von der Inspirationskraft der Balearen können auch die Bewohnerinnen und Bewohner des kleinen Dorfes Deià berichten. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Örtchen im Tramuntana-Gebirge zur Künstlerkolonie, die auch heute noch lebendig ist, wenn auch etwas kommerzialisiert und bestens auf Touristen und Touristinnen eingerichtet. Kleine Galerien säumen die engen, steilen Gassen. Der Blick über kleine sandsteinfarbene Häuschen hinaus aufs leuchtend blaue Meer ist nicht nur Ansporn für Künstlerinnen und Künstler, auch Wanderer finden hier ein kleines Paradies vor.

    Mirós Atelier auf Mallorca ist eine Oase

    Ein Paradies, das in und um die Hauptstadt Palma vielfach verbaut ist. Auch der Vorort Cala Major, in dem sich Joan Miró 1956 niederließ, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Für Miró war allein die Vorstellung ein Graus. „Ich wünsche nicht, dass eines Tages an dieser Stelle irgendeiner dieser schrecklichen Wolkenkratzer gebaut werde, die mich von allen Seiten umringen“, soll er gesagt haben.  

    Joan Mirós Atelier ist seit seinem Tod quasi unberührt geblieben. Alles ist geblieben, wie es der Maler hinterlassen hatte.
    Joan Mirós Atelier ist seit seinem Tod quasi unberührt geblieben. Alles ist geblieben, wie es der Maler hinterlassen hatte. Foto: Franziska Wolfinger

    Mirós Anwesen mit Wohnhaus, Werkstätten und Atelier wurde nach seinem Tod in eine Stiftung überführt und hat sich als kleine Oase mitten im Großstadtgewühl erhalten. Wer die Treppen nach oben steigt, wird bis heute mit dem Blick auf das Wasser belohnt. Wie in der Zeit eingefroren erscheint dem Besucher auch das Atelier des Künstlers: Leinwände, Pinsel, Malerkittel liegen noch genau dort, wo Miró sie vor seinem Tod hinterlassen hatte. Nur die fertigen und unfertigen Gemälde, an denen er bis zuletzt gearbeitet hatte, wurden inzwischen durch Repliken ersetzt. Die Stiftung hat auch für einen eindrucksvollen Museumsbau gesorgt, in dem seit 1992 wechselnde Ausstellungen gezeigt werden. Im Zentrum dabei natürlich Miró, der Surrealist wird oft auch im Kontext seiner Zeitgenossen und neuerer Kunst gezeigt.

    Allen Bausünden und „Overtourism“ zum Trotz: Sowohl auf Mallorca als auch auf Menorca gibt es sie noch, die ursprünglichen Orte, die zum Träumen anregen und die die Kreativität beflügeln.

    Kurz informiert

    Nahverkehr: Zwar bieten zahlreiche Autoverleiher ihre Dienste an, aber gerade auf Mallorca ist auch das Busnetz hervorragend ausgebaut. Man braucht zwar etwas länger, doch weil Parkplätze an den sehenswerten Orten teils sehr rar sind, ist der Bus oft die bessere Alternative. Bezahlt wird kontaktlos mit Kredit- oder EC-Karte. Fahrpläne unter tib.org.

    Illa del Rei: Von der menorcinischen Hauptstadt Maó aus lohnt sich ein Abstecher auf die kleine Insel Illa del Rei, Touristenfähren verkehren regelmäßig. Dort gibt es ein altes Militärkrankenhaus zu sehen. Außerdem betreibt die renommierte Züricher Galerie Hauser und Wirth eine Außenstelle mit wechselnden Ausstellungen. Im Winter geschlossen.

    Nit de l‘Art: Die Kunstnacht verwandelt Palma immer in der dritten Septemberwoche in ein Eldorado für Kunstliebhaber. Bis spät in die Nacht haben die vielen Galerien geöffnet. Etablierte und junge Künstler zeigen ihre Werke.

    Die Autorin recherchierte auf Einladung von Illes Balears.

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