Startseite
Icon Pfeil nach unten
Geld & Leben
Icon Pfeil nach unten

Kreuzfahrt: Wo ist noch mal das Azorenhoch? Eine unfreiwillige Suche auf den Azoren

Kreuzfahrt

Wo ist noch mal das Azorenhoch? Eine unfreiwillige Suche auf den Azoren

    • |
    Es brodelt: heiße Quellen auf der Azoreninsel Furnas.
    Es brodelt: heiße Quellen auf der Azoreninsel Furnas. Foto: Lilo Solcher

    Von wegen Azorenhoch! Diese neun Inseln mitten im atlantischen Ozean, geformt von den Launen der Natur, liegen eher in einer brodelnden Wetterküche mit ziemlich launischen Köchen. Wir kriegen hier jedenfalls alle Wetter mit: Regen, Nebel, Sturm, Sonnenschein und ein wild bewegtes Meer. Das heißt, dass unser kleines Kreuzfahrtschiff, die MS Hamburg, wegen Sturmwarnungen öfter mal eine andere Route fährt als geplant. 

    Gleich zu Beginn fällt die Insel Sao Jorge den über vier Meter hohen Wellen zum Opfer. Dafür haben wir mehr Zeit für die Hauptinsel Sao Miguel und ihre Hauptstadt Porta Delgado. Guide Frederic Horman – schlank, dunkelhaarig -, macht uns wenig Hoffnung auf Wetterbesserung. Gerade mal zwölf komplett wolkenlose Tage gäbe es auf Sao Miguel, sagt der 27-Jährige. Kein Wunder bei 88 Prozent Luftfeuchtigkeit. Und das Azorenhoch? Frederic, der im Alter von fünf Monaten aus Venezuela auf die Inseln kam und sich hier zu Hause fühlt, lacht. Das legendäre Hoch sei verantwortlich fürs schöne Wetter im gut 1000 Kilometer entfernten Europa, erklärt er. Auch wegen des feuchtwarmen Klimas waren die Azoren früher die Kornkammer Portugals, heute ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig für die rund 250.000 Einwohner. Auch dank der Kreuzfahrtschiffe, die vermehrt Porta Delgada anlaufen.

    Besteht eine Chance, auf den Azoren Wale zu beobachten?

    Die Azoren sind nur eine Etappe einer ausgedehnten Fahrt, die weiter in die Antarktis und nach Südamerika führt. Diese lange Reise gefällt auch der Crew. Gaetano, der philippinische Kellner mit den markanten Gesichtszügen, schätzt das Weltreise-Feeling ebenso wie Randi, der Videofilmer aus Yogyakarta in Indonesien. Der 32-Jährige ist seit sieben Jahren auf Schiffen unterwegs, war aber meist in der Karibik. Sein erstes Mal auf der MS Hamburg habe ihm dagegen ganz neue Seiten unserer Welt erschlossen, sagt Randi – auch die Azoren. 

    Horta von der Seeseite aus gesehen.
    Horta von der Seeseite aus gesehen. Foto: Lilo Solcher

    Die Nacht wird ruckelig, keine guten Aussichten für die Walbeobachtung am nächsten Vormittag in Horta auf der Insel Faial, der blauen Insel. Gisela Dionisio, Tiago Lima und José Nun Pereira von der Atlantic Naturalist Association wollen trotz der hohen Wellen mit dem Zodiac rausfahren.

    Die drei sind Meeresbiologen und engagierte Klimaschützer. Gisela kommt aus Lissabon, lebt aber die meiste Zeit des Jahres in Horta „wie im Paradies“. Ihre Forschungsarbeiten werden von den Geldern der Touristen, die auf eine Walbeobachtungstour gehen, unterstützt. Heute freilich ist außer einem grauen Walrücken und spielenden Delphinen wenig zu sehen. Zu grau ist das Meer, zu hoch schlagen die Wellen.

    Pico ist die karge Insel des Azoren-Atolls

    Die Weltumsegler, die sich seit über 100 Jahren im legendären Peter‘s Café Sport zu einem Gin Tonic treffen, lassen sich von Sturmwarnungen die gute Laune nicht verderben. Auch auf dem Schiff verdunkeln die grauen Wolken nicht die Stimmung. Dafür sorgt schon Chefkoch George Podder – rundes Gesicht, lachende Augen – aus Mumbai. Der 63-Jährige hat bei Carnival Cruises als Schiffskoch angefangen. Seit 23 Jahren ist er Plantours-Koch. Auf der MS Hamburg befehligt der stets gut gelaunte Podder 14 Köche und zahlreiche Hilfskräfte. Beim Galadinner zeigen Köche und Kellner, was sie drauf haben. Und selbst ein bayerisches Büfett mit Bier, Spanferkel und Weißwürsten meistert die Brigade locker. 

    Die MS Hamburg im Hafen.
    Die MS Hamburg im Hafen. Foto: Lilo Solcher

    Pico, die graue Insel, steht nicht auf unserem Programm. Aber das stürmische Wetter hat Ausflugsmanager Daniel Schütz gezwungen umzuplanen. Also Pico statt Graciosa. Weil wir mit der Fähre auf die Insel fahren, müssen wir früh aufstehen. Es lohnt sich: Die karge Insel, auf der bis 1984 Walfang betrieben wurde, zeigt, wie es Menschen trotz widriger Umstände geschafft haben, zu überleben. Zwischen Mauern aus Vulkangestein wächst Wein – am Boden entlang. Der Garten Misterio Sao Joa erinnert an den Vulkanausbruch von 1718, der einen Teil des nahen Dorfes zerstörte. Es regnet, Nebelfetzen hängen am Pico, dem mit 2350 Metern höchsten Berg der Azoren, von dem die Insel ihren Namen hat. 

    Wir fahren durch eine Urlandschaft mit Lorbeer, Baumheide, Wacholder. So hat es hier wahrscheinlich schon vor tausenden von Jahren ausgesehen. Am Strand, wo die „Sommerhäuser“ der Portugiesen in einer spektakulären Vulkanlandschaft stehen, brechen sich die Wellen im Felslabyrinth. Und ausgerechnet auf dieser teilweise so unwirtlichen Insel steht der zweitälteste Drachenbaum der Welt – den ältesten reklamiert die Kanareninsel Teneriffa für sich. Gleich daneben bilden viele Drachenbäume ein natürliches Labyrinth. Sie stehlen dem Weinmuseum im Kloster fast die Schau. 

    Die Azoren sind der "Außenposten Europas"

    Pico mit seinen zwei Gesichtern, dem grünen und dem grauen, könnte sinnbildlich für die Azoren mit ihren Sonnen- und Schattenseiten stehen. Lektorin Dr. Ursula Blanchebarbe – klein, leise Stimme –, Kunsthistorikerin im Ruhestand, begleitet diese Reise und wirft an diesem Nachmittag einen Blick in die Geschichte des Archipels, der vor über 700 Jahren von Portugiesen besiedelt wurde. Dabei weist sie auch darauf hin, dass die älteste Erwähnung der Azoren auf einer Landkarte von Abraham Ortelius stand, dem Spross einer Augsburger Familie, die nach Antwerpen ausgewandert war. 1595 war das. Schon früher hatten die Inseln den portugiesischen Namen „Ilhas dos Acores“ bekommen, Habichtinseln. Dass es Mäusebussarde waren und keine Habichte, die damals die Entdecker über den Inseln kreisen sahen, änderte nichts mehr am Namen dieses „paradiesischen Außenpostens Europas“, wie die Lektorin den Archipel nennt. Jeden Morgen erfahren die Mitreisenden, was sie zu erwarten haben. Dann ertönt von der Brücke nach einem Gong die sanfte Stimme von Dr. Ursula Blanchebarbe. 

    Weinanbau auf der Azoreninsel Pico.
    Weinanbau auf der Azoreninsel Pico. Foto: Lilo Solcher

    Auch dass auf Terceira, der lila Insel, 400 Jahre lang die Hauptstadt der Azoren lag, weiß die Lektorin. 55.000 Einwohner leben heute auf der nach Sao Miguel und Pico drittgrößten Azoreninsel. Luis Daniel – grauhaarig, Brille –, Lehrer, Verleger und Reiseleiter, weiß noch mehr: Dass Terceira als dritte (terceira) Insel entdeckt wurde und ursprünglich Ilha de Jesus Christo hieß. Dass die Insel bis heute Stützpunkt der US Army ist und dass die Luftbrücke nach Berlin über Terceira führte. Dass die auf dem Reißbrett entworfene und im Stil der Renaissance erbaute Hauptstadt Angra do Heroismo Unesco-Welterbe ist. 

    In den Schlund des Vulkans Algar do Carvao

    Doch auch die Natur hat sich auf der Insel ausgetobt. Wo sonst kann man in den Schlund eines Vulkans hinabsteigen? Ohne Fahrstuhl in die Tiefe geht es in den Algar do Carvao. 200 Stufen führen hinunter zu einem kleinen Vulkansee, vorbei an von Moos und Farnen überwucherten Basaltwänden, bläulich schimmernden Felsen, an tropfenden Stalaktiten. Eine Wunderwelt, auf die durch den offenen Vulkanschlot fast mystisches Licht fällt. Und dann noch die Biscoitos, vom Meerwasser und den Vulkanen geformte Naturbecken, in denen das Wasser aufschäumt – wie in einer Badewanne. 

    Terceira ist unsere letzte Azoreninsel. Auch für die nächste Station hat Daniel Schütz – groß und hager – umplanen müssen. Santa Maria entfällt. Die MS Hamburg nimmt Kurs auf Porto Santo, Madeiras kleine Schwester. Man glaubt Schütz gern, wenn er sagt, dass „Excursions-Manager“ einer der stressigsten Jobs an Bord ist. Oft müsse er über Nacht „alles ummodeln“. Und doch liebt der 48-Jährige seinen Job, die verschiedenen Länder, die Häfen, die neuen Herausforderungen. „Dieses Fernweh“ hat den Tiroler aus St. Anton aufs Meer gelockt. „Stillstand ist nicht meins“, sagt der ehemalige Golfclub-Leiter und Golflehrer. Er liebt die Abwechslung „von den Bergen ans Meer“. Die 162 Mitglieder der Crew, die aus der ganzen Welt kommen, sind für ihn wie eine Familie, ganz anders als auf einem der großen Kreuzfahrtschiffe. „Mit vielen Menschen kann man sehr einsam sein“, sagt Schütz. 

    Wissenswertes zur Kreuzfahrt

    Die MS Hamburg fährt nicht im Kreis, sondern bietet immer wieder neue Routen - und Inseln - an. In diesem Jahr etwa die Kanalinseln. 12 Tage vom 30. 6. bis 7. 9. kosten beispielsweise in der Außenkabine pro Person rund 3400 Euro: plantours-partner.de, Tel. 0421/173690. 

    Hinweis. Die Reise wurde unterstützt von plantours.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden