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Kommentar: Wer grünes Reisen anbietet, muss das Versprechen auch halten

Kommentar

Wer grünes Reisen anbietet, muss das Versprechen auch halten

Doris Wegner
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    Wer fliegt oder mit dem Kreuzfahrtschiff urlaubt, tut der Erde nichts Gutes.
    Wer fliegt oder mit dem Kreuzfahrtschiff urlaubt, tut der Erde nichts Gutes. Foto: Rob Wilkinson, stock.abobe.com

    New York, Rio oder vielleicht Tokio? Es wird gereist wie lange nicht mehr. Auf der Internationalen Tourismusbörse, die heute in Berlin startet, wird deshalb ausgesprochen optimistisch auf die Saison geblickt. Das Selbstbewusstsein ist bei vielen Urlauberinnen und Urlaubern nach der großen Verunsicherung in den Corona-Jahren wieder zurück. Damit aber auch die alten Probleme. Wer mit dem Flugzeug reist oder auf einem Kreuzfahrtschiff urlaubt, tut der Erde nach wie vor nichts Gutes. Laut Umfragen wächst der Wunsch zwar, nachhaltiger zu reisen, gehandelt wird aber oft anders – wenn die Schnäppchen gar zu verführerisch sind.

    Klimaneutrales Reisen soll die Lösung der Zukunft sein. Auch wenn die Reisebranche davon noch flugmeilenweit entfernt ist, einen Namen dafür gibt es schon: Green Traveling, grünes Reisen also. Denn ein gewisser grüner Anstrich ist schon jetzt gut gegen das schlechte Gewissen von Reisenden. Es gibt viele hübsche Initiativen, die mit dem Kernproblem, der dringend notwendigen Senkung von Energieverbrauch und Emissionen, wenig oder gar nichts zu tun haben. Da gibt es zum Beispiel die Reederei, die auf ihrer Homepage Seife mit gesammeltem Kaffeesatz aus den Schiffstouren anbietet, als Beitrag zur Müllreduzierung an Bord. Dass bei einer einwöchigen Kreuzfahrt aber im Schnitt mindestens 827 Kilogramm Kohlendioxid pro Kopf freigesetzt werden – wie Wissenschaftler der Hochschule München errechnet haben, steht freilich nicht neben den Angeboten. Dies entspricht in etwa dem jährlichen Stromverbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts.

    Grün reisen: Viele Initiativen sind adrett positionierte Feigenblätter

    Tatsächlich, das muss man anerkennen, ist das Bemühen in der Reisebranche deutlich gestiegen, Energieverbrauch und Emissionen zu senken. Sie ist damit aber auch reichlich spät dran. Viele Initiativen, wie die Kaffeesatzseife, sind nicht mehr als adrett positionierte Feigenblätter. Die Lösungen und Ideen für einen branchenweiten Einsatz sogenannter E-Fuels sind noch nicht gefunden. Stattdessen gibt es wortreiche Ankündigungen, denen letztendlich die technologische Substanz fehlt. Auch deshalb hat die Deutsche Umwelthilfe kürzlich Klage gegen die Tui eingereicht. Das Urteil könnte der Reisebranche zu schaffen machen. Darum geht's: Europas größter Reiseveranstalter wirbt damit, bis 2050 klimaneutrale Kreuzfahrten anbieten zu können. Für die Deutsche Umwelthilfe ein klarer Fall von Greenwashing. Die Tui wolle mit unklaren Nachhaltigkeitszielen für ferne Jahre, schon jetzt Kunden gewinnen. Allerdings ist bislang überhaupt nicht klar – außer vielleicht für Kaffeesatz-Experten –, wie nicht nur für die Reisebranche der steigende Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen für E-Fuels gedeckt werden kann. 

    Manche Öko-Siegel verleihen sich die Unternehmen selbst

    So werden Hoffnungen geschürt mit Lösungen, die noch gar nicht in Sicht sind. Unternehmen, die nachhaltige Aussagen machen, sollten diese auch belegen können. Zumal die Verbraucherinnen und Verbraucher kaum Chancen haben, sich Durchblick zu verschaffen. Ein anderes Beispiel – diesmal an Land: Mindestens 140 verschiedene Umweltsiegel gibt es für Beherbergungsbetriebe – einen Anforderungskatalog dafür allerdings oft nicht. Und um die Verwirrung perfekt zu machen: Manche Siegel verleihen sich die Unternehmen einfach selbst. 

    Alles schlecht also? Nein, tatsächlich nicht. Es gibt viele vorbildliche Gastgeberinnen und Gastgeber, die auf Regionalität setzten, Reiseveranstalter, die von sich aus bei Flügen den CO2-Ausgleich übernehmen. Vergangenes Jahr bewältigte ein mit Frittenfett betankter Flieger den Flug über den Atlantik. Aber halt erst mal nur einer.

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