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Jersey: Seine Geheimnisse gibt das Watt auf Jersey nur bei Ebbe preis

Jersey

Seine Geheimnisse gibt das Watt auf Jersey nur bei Ebbe preis

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    Jersey ist die größte der Kanalinsel im Ärmelkanal.
    Jersey ist die größte der Kanalinsel im Ärmelkanal. Foto: Saimanfoto, stock.adobe.com

    Was macht eigentlich den typischen Bewohner oder die typische Bewohnerin von Jersey aus, dieser größten der Handvoll Inseln im Ärmelkanal zwischen Frankreich und England? Fast scheint es, als sei das einende Element, dass er oder sie nicht von dort stammt. Die Statistik sagt, dass die Hälfte der Inselbewohner dort nicht geboren sind. So wie Trudy Hairon. Sie ist in Augsburg auf die Welt gekommen und im Allgäu aufgewachsen, fast ihr gesamtes Arbeitsleben hat sie bei Verlagen rund um München gearbeitet. Und dann? Ja, dann kam die Liebe dazwischen. Seit 14 Jahren lebt

    Und nimmt uns mit ins Watt. Jersey, das ist eine nur 15 Kilometer lange und acht Kilometer breite Insel. Seit Jahrhunderten ist sie autonomer Kronbesitz, was so viel bedeutet, dass sie King Charles III. direkt unterstellt ist, obwohl Jersey viel näher an Frankreich liegt als an England. Und so sind die ersten Menschen wohl auch von dort auf die Insel eingewandert. In der Frühzeit ging das noch zu Fuß, als der Meeresspiegel viel niedriger lag. Immer wieder kamen Einwanderer aus der Normandie. Ein Zeugnis davon sind die Bauten in La Hougue Bie, die in etwa so alt sind wie das berühmte steinzeitliche Stonehenge in England. Später kamen andere Einwanderer, sie haben ihre eigene Sprache mitgebracht. Der normannische Dialekt Jèrriais wird heute noch bei der einheimischen Bevölkerung gesprochen und zumindest in den Grundschulen sogar gelehrt.

    Jersey Trudy Hairon stammt aus Augsburg, lebt aber seit 14 Jahren auf Jersey. Sie begleitet dort Touristen auf verschiedenen Touren zu Fuß über die Insel.
    Jersey Trudy Hairon stammt aus Augsburg, lebt aber seit 14 Jahren auf Jersey. Sie begleitet dort Touristen auf verschiedenen Touren zu Fuß über die Insel. Foto: Jana Tallevi

    Auf Jersey werden sogar eigene Pfundnoten gedruckt

    Ebenfalls kurios und auf seine Art typisch britisch: Auf Jersey werden eigene Pfundnoten gedruckt, sie haben einen Wert von 70 Millionen englischen Pfund. Sie haben zwar denselben Wert wie die Banknoten aus England, bezahlen kann man mit ihnen aber allein auf der Insel. Also: Lieber vor der Abreise wieder ausgeben.

    Das Wasser bestimmt das Leben auf der Insel. Heutzutage ist es aber weniger die Schifffahrt oder der Fischfang, sondern der Freizeitwert des Meers. Auf der Insel wurde einst der erste Surfclub Europas gegründet, die Strände im Westen sind beliebte Surfreviere. Buchten wie Quesnaiè Bay mit ihren über hundert Jahre alten Hotels zeugen davon, dass Strandleben hier Tradition hat. Trudy Hairon genießt genau das an ihrem Leben auf der Insel. Das ganze Jahr über geht sie schwimmen, auch dann, wenn die Wassertemperatur im Januar nur sieben oder acht Grand beträgt – dann eben mit Neopren-Handschuhen.

    Jersey La Hogue Bie ist eines der ältesten Bauwerke der Menschheit, ungefähr so alt wie Stonehenge. Der Eingang liegt unter einer wiederaufgebauten, mittelalterlichen Kirche.
    Jersey La Hogue Bie ist eines der ältesten Bauwerke der Menschheit, ungefähr so alt wie Stonehenge. Der Eingang liegt unter einer wiederaufgebauten, mittelalterlichen Kirche. Foto: Jana Tallevi

    Wer Schwimmen will, muss den Gezeitenkalender zur Hand haben

    Schwimmen funktioniert aber nur, wenn man den Gezeitenkalender im Kopf hat. Ähnlich wie am Mont St. Michel in der Normandie, nur wenige Kilometer durch den Ärmelkanal getrennt, sind Ebbe und Flut so extrem wie an kaum einem anderen Ort auf der Welt. Das Meer zieht sich so stark zurück, dass die Insel bei Ebbe doppelt so groß ist wie bei Flut.

    Doch das tägliche gewonnene Land im Watt kann gefährlich werden. Das Wasser zieht sich zwar zweimal am Tag zwölf Kilometer zurück, kommt aber ebenso schnell zurück und kann zur Falle werden. Denn Priele, Flüsse auf dem Meeresboden, füllen sich schneller wieder mit Wasser und können den Rückweg ans sichere Ufer abschneiden. Deshalb sollte das Watt nur mit einem Führer oder einer Führerin betreten werden. Trudy, die nicht am Meer groß geworden ist, kennt sich heute dort bestens aus, hat sogar Meereskunde im englischen Plymouth studiert.

    Jersey Praktisch um jede Ecke findet man in Jersey wieder neue Blicke auf kleinere Buchten.
    Jersey Praktisch um jede Ecke findet man in Jersey wieder neue Blicke auf kleinere Buchten. Foto: Jana Tallevi

    Alte Türme bieten Zuflucht, wenn die Flut zurückkommt

    Im Laderaum ihres Transporters hat Trudy Dutzende Gummistiefel für Touristen dabei. Ohne die geht es einfach nicht ins Watt. Trudy weiß genau, welchen Stein sie umdrehen muss, um einen Seestern zu zeigen oder wo sich in einer Lache Meerwasser auch bei Ebbe manchmal kleine Haie zurückziehen. Ihre spezielle Passion gilt den unterschiedlichen Arten von Tang. Der werde auch als Nahrungsmittel immer beliebter, weiß sie. Gerade der weitverbreitete Blasentang habe aber noch eine andere Eigenschaft: Die Braunalge könne besonders viel Kohlenstoff binden, die Pflanzenwälder sind ein Mittel, um den hohen Ausstoß an CO₂ in den Griff zu bekommen. 

    Jersey Ist die Gruppe im Seymour Refugee angekommen, gibt der Guide der Küstenwache Bescheid. Außerdem muss die Flagge von Jersey gehisst werden.
    Jersey Ist die Gruppe im Seymour Refugee angekommen, gibt der Guide der Küstenwache Bescheid. Außerdem muss die Flagge von Jersey gehisst werden. Foto: Jana Tallevi

    Etwa eine gute Stunde Weg ist es vom Strand zwischen den kleinen Orten Le Hurel und La Rocque bis zum Ziel der Wanderung, dem Seymour Refuge. Einmal, so zeigt Trudy Hairon einen etwa 30 Jahre alten Zeitungsausschnitt, hätten hier sogar zwei Reiterinnen mit ihren Pferden Zuflucht vor dem aufflutenden Meerwasser gesucht. Manche Gruppen bleiben freiwillig über Nacht. In einem Raum gibt es eine einfache Küche, in einem anderen ein paar Stockbetten. Es riecht, wie in einer feuchten Jugendherberge. Doch die Gruppe junger Männer, die sich für diesen Tag einquartiert, scheint das nicht zu stören. Ach ja, ganz oben im Turm gibt es außerdem noch eine Art Campingtoilette. Oder man wartet, bis das Meer zurückkommt.

    Eine Insel mit besonders noblen Unterkünften

    Nicht jede Unterkunft auf Jersey ist so spartanisch und schon gar nicht das „The Atlantic Hotel“, dessen Eigentümer und Geschäftsführer der aus England stammende Patrick Burke ist. Er lehnt sich entspannt in der Lobby des Hotels zurück, als er erzählt, warum die Touristen auf die Insel kommen. 

    Kurz informiert: Das ist Jersey

    Anreise Etwas beschwerlich kann sich die Anreise nach Jersey gestalten. Im Sommer gibt es zwar Direktflüge, etwa ab München und Düsseldorf, in allen anderen Monaten führt der Weg jedoch auf jeden Fall über einen Londoner Flughafen. Spielt das Wetter nicht mit, fallen Flüge auf die Insel auch aus. Möglich ist es zudem, aus der Normandie oder der Bretagne mit einer kurzen Fährfahrt nach Jersey zu gelangen. Auf jeden Fall muss der Reisepass mit, als Kronbesitz gehört die Insel ebenfalls wie Großbritannien nicht mehr zur EU.

    Unterkunft Das Angebot bietet für jeden Geldbeutel etwas, vom günstigen B & B bis zum Fünf-Sterne-Hotel. In Herst- und Wintermonaten sind Doppelzimmer auch in anspruchsvolleren Hotels schon für weniger als 100 Euro zu haben. In Loungeville Manor sind es aber nie weniger als 250 Euro und im The Atlantic Hotel 135 Euro.

    Nicht Verpassen Das Museum "Jersey War Tunnels" in der Nähe von St. Lawrance zeigt eindrücklich die Geschichte der Insel während der Zweiten Weltkriegs. Moderne Museumspädagogik versetzt die Besucher und Besucherinnen in die Schrecken dieser Zeit. Im Central Market von St. Helier gibt es alle Spezialitäten der Insel direkt zu probieren. Zudem beeindruckt die im Original mehr als 100 Jahre alte Glaskuppel. (jah)

    Diese Recherchereise wurde unterstützt durch Visit Jersey

    „Jersey ist einfach das Gegenteil von Massentourismus.“ Dann fügt er hinzu: „Einige unserer Gäste kommen, um ihre Geldgeschäfte zu erledigen und dann bei uns zu entspannen.“ Etwa 20 Prozent der Einwohner auf Jersey arbeiten im Finanzsektor, der Tourismus ist der zweitgrößte Wirtschaftsmarkt. Eine statistische Zahl belegt den dadurch hohen Lebensstandard: Auf 105.000 Inselbewohner kommen 130.000 zugelassene Autos.

    Jersey Trudy kennt sich mit Tang richtig gut aus. Hier zeigt sie bei einer Wattwanderung Blasentang.
    Jersey Trudy kennt sich mit Tang richtig gut aus. Hier zeigt sie bei einer Wattwanderung Blasentang. Foto: Jana Tallevi

    Lukrative Geldgeschäfte, das ist das Klischee, das die meisten mit dem Namen Jersey in Verbindung bringen. Kein Wunder: Auf der Kanalinsel gibt es keine Kapitalertrags-, Erbschafts- oder Mehrwertsteuer, sondern einzig eine Einkommensteuer in Höhe von 20 Prozent. Doch nur ein Teil der Touristen, die meisten aus Großbritannien, kommen deshalb. „Jersey ist für sie englisch genug, damit sie sich heimisch fühlen, aber gleichzeitig exotisch genug, um ein lohnendes Urlaubsziel zu sein", sagt Daniela Corasaniti, aus Italien stammende Sales-Managerin des den Bewertungen nach edelsten Hotels der Insel, Longueville Manor. Das milde Klima das ganze Jahr über, das sorge dafür, dass man draußen immer etwas erleben könne, vom individuellen Strandurlaub bis zum „Storm-Watching“, dem Sturm-Beobachten, im Herbst und Winter.

    Eine Spezialität der Insel ist die leckere Black Butter

    Und dann habe Jersey noch ein Geheimnis, findet Daniela. „Selbst die Einheimischen wissen nicht, wie gut das Essen hier sein kann“, sagt sie. Die Kuchen, die einstmals bäuerliche Bohnensuppe, heute in einer edleren Variante serviert, oder die Black Butter, das seien Produkte, die man nur hier finden könne. Letzteres hat übrigens nichts mit Butter der weltweit berühmten Jersey-Kühe zu tun, deren Milch besonders fetthaltig ist. Black Butter, das ist eine Art gewürztes Apfelmus, das ganze 24 Stunden lang eingekocht wird. In St. Helier, der Inselhauptstadt, wird daraus ein kleines Fest gemacht, jeder darf mal rühren im Topf. 

    Jersey Gehört zu einem Picknick in Jersey dazu: Frische Austern.
    Jersey Gehört zu einem Picknick in Jersey dazu: Frische Austern. Foto: Jana Tallevi

    Doch Jersey hat noch ein anderes Geheimnis. Zwischen 1940 und dem 9. Mai 1945 war die Insel während des Zweiten Weltkriegs von der Deutschen Wehrmacht besetzt. Noch heute gibt es entlang der Küste verschiedene Bunker- und Festungsbauten, einige können besichtigt werden. Zwar wurden kurz vor Beginn der Besatzung rund 30.000 Inselbewohner nach England evakuiert. Doch dann blieb weitere Unterstützung für die Bevölkerung lange aus. Auch von der Befreiung der Normandie im Juni 1944 war Jersey nicht betroffen. Zu unwichtig sei die Insel, so die Begründung damals. Oder gab es doch noch andere politische Gründe für diese Entscheidung?

    Aus industrieller Herstellung: frische Austern

    Zurück zur Wattwanderung. Dort zeigt Trudy Hairon gerade, wie ein anderes typisches Produkt nahezu industriell hergestellt wird: Es geht um Austern. Zieht sich das Wasser zurück, werden die Gestelle sichtbar, auf denen sie in Säcken gelagert und festgebunden, aufwachsen. Als Baby-Muscheln werden die pazifischen Austern aus Südfrankreich nach Jersey geliefert und dort nach Größe sortiert und in Säcke verpackt. Die kommen ins Meer. Alle drei bis vier Monate werden die Säcke geöffnet und wieder nach Größe sortiert. Nach etwa zwei Jahren sind die Austern erntereif und werden in ganz Europa verkauft. Das größte Unternehmen der Insel produziert rund 1000 Tonnen Austern pro Jahr, erzählt Trudy Hairon. Nur wer auf Jersey zu Hause ist, kann sie freilich ganz frisch direkt vom Lager fürs Picknick kaufen. Das findet dann aber doch besser auf festem Grund anstatt auf dem Watt statt.

    Jersey Loungeville Manor ist eine exklusive Destination für Jersey-Reisende.
    Jersey Loungeville Manor ist eine exklusive Destination für Jersey-Reisende. Foto: Jana Tallevi
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