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Interview: Tui-Chef Ebel: "Reisen und Klimaschutz müssen kein Zielkonflikt sein"

Interview

Tui-Chef Ebel: "Reisen und Klimaschutz müssen kein Zielkonflikt sein"

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    Für den Vorstandsvorsitzenden der Tui Group, Sebastian Ebel, müssen sich Klimaschutz und Reisen nicht widersprechen.
    Für den Vorstandsvorsitzenden der Tui Group, Sebastian Ebel, müssen sich Klimaschutz und Reisen nicht widersprechen. Foto: Peter Steffen, dpa

    Herr Ebel, Sie sind Europas wichtigster Urlaubsstratege, da will man natürlich wissen: Wie macht dieser Mann eigentlich Urlaub?
    SEBASTIAN EBEL: Also im Frühjahr geht es nach Lanzarote – und zwar seit 30 Jahren. Und im Sommer auf die Ostsee-Insel Fehmarn.

    Sie zählen also eher zur Urlauber-Kategorie Stammgast. Sind Sie der Typ Liegen-Lieger oder der Typ Aktivurlauber?
    EBEL: Ich bin schon aktiv. Wobei aktiv bei mir nicht heißt, dass ich mit meinem Fahrrad pro Tag 200 Kilometer fahren muss. Aktiv ist für mich, zu wandern oder auch zu lesen … Also ne gesunde Mischung.

    Viele Deutsche machen jetzt im Frühjahr ihren Urlaub klar. Laut einer aktuellen ADAC-Studie will jeder Vierte im Urlaub sparen. Bekommen Sie diesen Trend bei Tui zu spüren?
    EBEL: Ich würde andere Aspekte der Studie in den Vordergrund stellen. 50 Prozent wollen genauso viel reisen und über 20 Prozent mehr dafür ausgeben. Das ist ein erstaunlich positives Ergebnis. Wir haben nach Corona gesehen, dass längerer und höherwertiger Urlaub gebucht wurde.Wir haben durchaus erwartet, dass dieser Trend in diesem Jahr zurückgehen könnte. Das sehen wir aber nicht. Im günstigen und mittleren Segment des Marktes haben wir zurzeit viele All-Inclusive-Buchungen, weil dies den Kunden Kostensicherheit gibt.

    Wie sieht denn anhand der aktuellen Buchungszahlen Ihre Prognose für das Reisejahr 2023 aus?
    EBEL: Derzeit haben wir ein sehr starkes Buchungsmomentum. Aber wir müssen unterscheiden im Vergleich zu 2022 und zu 2019, also zu dem Jahr vor Corona. Wenn gesagt wird, dass Reisen boomt, dann wird das häufig auf die Zahlen von 2022 Jahr bezogen.Zurzeit sehen wir, dass der Markt noch nicht ganz auf dem Niveau von 2019 ist. Ob wir da genau schon in diesem Jahr rankommen? Vor vier, fünf Wochen wäre ich etwas skeptischer gewesen … Aktuell sehen wir aber eine Entwicklung, die dort hingehen könnte.

    Wohin zieht es die Urlauberinnen und Urlauber denn? Eher in die Ferne oder geht es vor allem wieder rund um die berühmte Badewanne Mittelmeer?
    EBEL: Die Langstrecke wird im Augenblick weniger als 2019 nachgefragt. Die ist allerdings auch absolut betrachtet viel teurer geworden, das liegt am höheren Flugkostenanteil. Und dann sind das ja auch in der Regel Dollar-Destination – der Dollar hat gegenüber dem Euro massiv an Wert gewonnen. In Richtung Asien war es zuletzt durch die lange bestehenden Corona-Einschränkungen schwieriger.Davon haben im Winter etwa die Kanarischen Inseln, Ägypten und die Kapverden profitiert. Im Sommer verkaufen sich im Moment Spanien und Griechenland sehr gut. Bis zum Erdbeben galt dies auch überdurchschnittlich für die Türkei. Ich bin überzeugt, dass die Nachfrage für die

    Corona war für die ganze Reisebranche existenzbedrohend. Auch die Tui hat Staatshilfen erhalten. Wie geht es Tui?
    EBEL: Ja, wir haben Staatshilfe bekommen und wir haben von Anfang an klar gemacht, dass wir die auch zurückzahlen. Wir haben jetzt auf der letzten Hauptversammlung implizit die Genehmigung für eine weitere Kapitalerhöhung erhalten, die wir auch in diesem Jahr durchführen wollen. Und mit dieser Kapitalerhöhung werden wir die „Silent Partizipation“ des Staates, das ist eine Art Eigenkapitalersatz, zurückzahlen.Das wird dazu führen, dass dieses Engagement für den deutschen Staat und für den deutschen Steuerzahler sehr lukrativ sein wird. Das könnte abhängig von der Aktienkursentwicklung rund 800 bis 900 Millionen Euro Rückzahlung für den Staat bedeuten.

    Und wirtschaftlich scheinen Sie ja durchaus optimistisch …
    EBEL: Ja, genau. Wir werden durch die Kapitalerhöhung ein sehr solides Fundament haben und wir sehen vor allem die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr. Wir erwarten schon deutlich mehr Volumen, was die Passagierzahl angeht, und umsatzmäßig ein hohes Wachstum. Wir können sehr zuversichtlich sein, dass bald diese Delle gegenüber einem sehr starken 2019 ausgeglichen wird.

    Und 2019 war ein absolutes Rekordjahr für die Tourismusbranche. Damals beherrschte das Schlagwort „Overtourism“ die Debatte. Viele Orte, wie Venedig, Amsterdam oder Dubrovnik holten geradezu Luft, als die Touristen wegblieben. Ist dieses bedingungslose Zurück überhaupt wünschenswert?
    EBEL: Wir haben in der Pandemie gemerkt, wie wichtig Tourismus für viele Länder ist. Auf den Kapverden, wo mehr als 70 Prozent der Wirtschaftskraft vom Tourismus abhängen, hatten viele Menschen während Corona kein Geld für Lebensmittel. Ansatzweise haben wir so was auch auf den spanischen Inseln gesehen, wo durch das Fernbleiben der Touristen viele unter das Existenzminimum fielen.Und auf der anderen Seite hatten wir natürlich die Problematik in Venedig, aber auch an der deutschen Ostsee und Nordsee, dass wir mit der Menge an Touristen über ein bestimmtes Niveau kamen, das den Orten nicht immer guttat. Deshalb ist es so wichtig, ein breites Portfolio zu haben und zu schauen, welches Zielgebiet, welche Gästezahlen verträgt. Aber eines ist klar, wenn Reisende in bestimmte Gebiete nicht kommen, dann ist in vielen Ländern wirtschaftlich die Grundlage entzogen.

    Wie sehen die Steuerungsmöglichkeiten eines Reiseveranstalters denn aus? Sie wollen ja Ihre Hotels füllen und die Flieger sollen ja voll sein, sonst funktioniert Ihr ganzes Konstrukt nicht …
    EBEL: Da reguliert der Markt vieles selbst. Wenn Mallorca boomt und ausgebucht ist, dann sind die Preise hoch und wenn ein Gebiet weniger gefragt ist, gehen die Preise runter … Da gibt es schon eine Lenkungswirkung. Wir können zudem, weil wir eine eigene Fluggesellschaft haben, sehr schnell reagieren und Kapazitäten verschieben.

    Ich sage, dass die Reisebranche sehr lange die Herausforderung und die gesellschaftliche Brisanz des Klimawandels nicht erkannt beziehungsweise vernachlässigt hat. Was sagen Sie?
    EBEL: Dass das so nicht stimmt. Tui hat schon in den 90er-Jahren, also früh, damit angefangen, bei Investitionsmaßnahmen den Umweltschutz zu berücksichtigen. Was sich verändert hat, ist, dass heute viel mehr Technologie zur Verfügung steht, um Emissionen zu senken. Wir haben uns bis 2030 verpflichtet die Emissionen von Hotels um 50 Prozent, von Flugzeugen um 25 und von Schiffen um minus 28 zu reduzieren. Intern haben wir weitaus ambitioniertere Ziele.Es ist ganz einfach, wenn wir nur noch die Hälfte verbrauchen, müssen wir nur noch die Hälfte an Green Energy einkaufen oder selber produzieren. Vom reinen Kompensieren halten wir wenig. Sondern wir wollen wirklich reduzieren beziehungsweise grün produzieren.

    Aber es wird doch ein systemimmanenter Zielkonflikt bleiben. Reisen und Klimaschutz werden nie zusammengehen …
    EBEL: Nein. Reisen und Klimaschutz müssen kein Zielkonflikt sein. Nehmen wir die Dominikanische Republik und Haiti, Nachbarn auf einer Insel. In aller Kürze:

    Sehen Sie da die Tui als Branchenprimus in einer besonderen Verantwortung?
    EBEL: Ja. Wir haben gerade zusammen mit der griechischen Regierung ein Projekt auf Rhodos gestartet, in dem wir Vorreiter in der Reduktion bis hin zu null Emissionen sein wollen. Da geht es um die Reduktion des Wasserverbrauchs, von Plastik, die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort, dem Bauern, der seine Produkte in die Hotels bringt – dieser gesamtheitliche Ansatz ist uns wichtig. Wir glauben, dass wir als Marktführer eine große Verantwortung und die Möglichkeit haben, Dinge positiv zu beeinflussen.

    Wo sehen Sie die Zukunft des Tourismus?
    EBEL: Ich glaube, dass die Kunden in gewissen Maßen bereit sein werden, etwas mehr zu zahlen. Wenn Sie zum Beispiel in einem Null-Emissions-Haus übernachten, kostet dies pro Nacht vielleicht ein, zwei Euro mehr pro Person. Das heißt, ein Ehepaar, zehn Tage, 40 Euro. Ich kann mir vorstellen, dass es dafür schon eine Preisbereitschaft geben wird.Auf der anderen Seite, wenn diese Preisbereitschaft weniger ausgeprägt ist, dann ist es trotzdem gut, zu zeigen, dass man Klimaschutz leisten kann und soll. Einfach, weil es der richtige Weg ist. Langfristig könnte der verstärkte Einsatz von grüner Energie zu einer Kostenentlastung führen.

    Zur Person

    Sebastian Ebel ist seit Oktober 2022 Vorstandsvorsitzender der Tui Group, zuvor war er Finanzchef des Konzerns. Seit 2014 gehört er dem Vorstand des Tourismuskonzerns an.

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