Die Drohne reicht mit ihren sechs Propellern quer über den Weg. David Wegner steht mit seiner Fernbedienung bereit. Gleich wird der geschulte Drohnenpilot sie aufsteigen lassen. Und Wasser an den steilen Rebhängen versprühen. Heute nur Wasser, zu Demonstrationszwecken.
Technische Hilfsmittel wie Drohnen haben Eingang gefunden im Landkreis Emmendingen zwischen Kaiserstuhl und Schwarzwald, wo der Weinbau Tradition hat. Wer in der Gegend auf den Spuren der edlen Tropfen unterwegs ist, sollte sich also nicht erschrecken müssen, wenn mal wieder ein Flugobjekt die Steilhänge entlang surrt.
Unterwegs sind wir auf der Badischen Weinstraße. Hinter dem Marketingbegriff verbirgt sich eine beschilderte touristische Route, die entlang des Schwarzwaldes durch die badischen Weinregionen bis zur Bergstraße führt und damit durch ein Kerngebiet deutschen Weines - geeignet für einen Roadtrip im Südwesten der Republik. Man kann radeln, das Wohnmobil nutzen, Nostalgiker mieten einen Oldtimer.
Los ging alles jedoch mit einem Omnibus. Das Motto der ersten Ausflüge im Postbus, der mit Blumengirlanden geschmückt vor 70 Jahren am 21. Mai 1954 erstmals lostuckerte, lautete: «Wein probieren an der Quelle». Die Ursprungsstrecke führte von Baden-Baden nach Oberkirch, ganze 76 Kilometer war sie lang.
Zahlreiche «Wiifeschte» bis in den Oktober
Zweimal am Tag bediente die «Badische Weinstraßenpost» diese Linie. Im Jahr darauf, 1955, wurde die Weinstraße erweitert, Richtung Süden über den Kaiserstuhl bis ins Markgräflerland, also Richtung Basel. 250 Kilometer waren es nun, und die Touristen und Ausflügler begannen begeistert der Weinstraße auch in eigenen Fahrzeugen zu folgen. Heute ist die «Badische Weinstraße», abermals erweitert, rund 500 Kilometer lang.
Im Jubiläumsjahr 2024 steigen zwischen Laudenbach im Rhein-Necker-Kreis und Weil am Rhein in Südbaden, die Endpunkte der Ferienstraße, allein bis in den Oktober noch zahlreich «Wiifeschte», Weinfeste. Auch in Emmendingen, das als «Metropole des Breisgauer Weines» beworben wird und an dessen Stadtrand das Weingut Dreher liegt.
In durchaus historischer Lage: Denn oberhalb der Reben stehen mächtige Mauer- und Gebäudereste - das, was von der mittelalterlichen Hochburg übrig blieb. Es sei «die zweitgrößte Burgruine Baden-Württembergs, nach dem Heidelberger Schloss», betont Florian Dreher. Gegenüber sieht man die ersten Schwarzwaldberge.
Und gestern wie heute sind Besucher auf einem Weingut wie dem der Drehers direkt an der Quelle. Seit dem Jahr 2000 baut Dreher hier Trauben an, vorwiegend Grauen Burgunder, aber auch Spätburgunder und Müller-Thurgau, auf kleineren Lagen auch pilztolerantere Sorten. Cabernet Vito zum Beispiel.
«Pilzresistent» gebe es nicht, so lernen wir, doch pilzwiderstandsfähig: «Piwi-Sorten» heißen die neuen Züchtungen. Ohne passende Gegenmittel, die regelmäßig gespritzt werden müssen, kämen selbst diese nicht aus, sagt Dreher. Deshalb die Drohne. Sie soll gegenüber herkömmlichen Methoden auch mit weniger Spritzmitteln auskommen.
Regelmäßig begrüßt Dreher Gäste, leitet Führungen und Verkostungen. Unter dem Dach der Remise stehen auch dieses Mal Köstlichkeiten bereit: Quiche, marinierter Spargel, feiner Schinken. Und natürlich Wein. «Tamino», ein Rotwein-Cuvée aus besagten Piwi-Weinen, Gutsabfüllung Weingut Dreher, wird gereicht. Er ist vollmundig, dunkler in der Farbe als ein klassischer Spätburgunder.
Wein aus der Box
Ortswechsel: Nächster Stopp auf der Badischen Weinstraße ist Ihringen am Kaiserstuhl, noch so ein Ort mit langer Weinbaugeschichte, der zudem mit dem Slogan «wärmster Ort Deutschlands» wirbt - in Zeiten der Klimakrise irritierend, mit Blick auf Wein schon eher nachvollziehbar.
In Ihringen begrüßt die Gäste Kolja Bitzenhofer, Leiter des Weinguts Blankenhornsberg, das zum Staatsweingut Freiburg gehört. Auch hier hält neue Technik Einzug, um den Weinbau zukunftsfest zu machen. So erprobt ein Mitarbeiter sogenannte Agri-Photovoltaik-Anlagen - die die Reben vor Witterungseinflüssen schützen, zugleich soll der selbst generierte Strom die Einkommenssituation der Winzer verbessern.
Beim Rundgang werden Weine gekostet, von der Vinothek aus hat man bei schönem Wetter einen Weitblick bis zu den Vogesen. Unterwegs stellt Bitzenhofer eine Selbstverständlichkeit infrage: die Flasche. Diese sorge bei Herstellung und Transport für einen relativ großen CO2-Abdruck - anders als die «Bag in Box». Die zum Beispiel in Frankreich übliche Variante mit kleinem Zapfhahn werde in Deutschland jedoch schlecht angenommen. So ist das Staatsweingut dazu übergegangen, einige Bioweine in Bierflaschen abzufüllen. Kronkorken drauf, fertig. Im Supermarkt gibt's Pfand zurück.
Wildbienen und Hohlwege
Nächste Station: Bickensohl, ein kleines Winzerdorf, das für den Kaiserstuhl Typisches bietet: Hohlwege. Und im Hinblick auf Insekten einen Superlativ. Denn mit 385 Arten soll der Kaiserstuhl die an Wildbienen reichste Region in Deutschland sein.
Entsprechend heißt ein Wanderweg Wildbienenpfad, 5,5 Kilometer ist er lang. Schautafeln erläutern die Lebenswelt der emsigen Insekten, zum Beispiel, dass manche Art in den Lösswänden nistet. Wir spazieren durch die Hohlwege, an zur Saison üppig blühenden Wiesen und Obstbäumen entlang. Es geht durch Schilf und natürlich die Weinberge.
An den Abenden laden die Weinstuben ein, viele mit lauschigem Innenhof. Hier lassen sich die Weine mit der feinen badischen Küche kombinieren - man kann hier gemütlich genießen. Im Herbst öffnen die Straußwirtschaften der Weingüter mit einfachen Speisen.
Letzter Halt während dieses Trips auf der Badischen Weinstraße ist Oberkirch im Renchtal, Zielort schon vor 70 Jahren. Wein und Obst werden angebaut, die Kirschen wachsen auf hohen alten Bäumen. Es sind «schwarze Brennkirschen», genutzt werden sie unter anderem für das Schwarzwälder Kirschwasser, erklärt Monika Bähr, vor über 20 Jahren Badische Weinkönigin, heute preisgekrönte Winzermeisterin.
Während wir mit zwei Pferdestärken und Kutsche durch die Obstgärten zuckeln, testen wir einige von Bährs besten Weinen. Später steht noch eine Wanderung an, hoch zur Schauenburg, eine der vielen Burgen und Schlösser an der Badischen Weinstraße. Von der Ruine hat man einen herrlichen Ausblick über die Rheinebene. Stellvertretend für viele Orte an der Ferienroute, die vor 70 Jahren ins Leben gerufen wurde.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Die Badische Weinstraße führt von Weil am Rhein nahe Basel unter anderem über Freiburg, Bruchsal und Heidelberg nach Laudenbach. Sie ist rund 500 Kilometer lang. Die südlichen Weinbaugebiete Markgräflerland, Breisgau und Ortenau grenzen an den Schwarzwald. Kaiserstuhl und Tuniberg liegen in der Rheinebene, näher am Rhein. Auf dem Fahrrad bietet sich der 460 Kilometer lange Badischen Weinradweg an.
Beste Reisezeiten: In Frühjahr und Herbst erlebt man Blüte beziehungsweise das sich verfärbende Laub. Im Hochsommer kann es für Aktivitäten zu heiß werden, vor allem am Kaiserstuhl.
Anreise: Mit der Bahn (ICE) bis Freiburg oder Offenburg. Von dort weiter mit Regionalzügen und/oder Fahrrädern. Wer einen Roadtrip ab Laudenbach plant, ist mit dem Auto zum Beispiel ab Frankfurt am Main bis dorthin etwa eine Stunde, ab Berlin oder Hamburg zwischen fünf und sechseinhalb Stunden unterwegs.
Unterkunft: Weingenießer können auf das Weinsüden-Siegel achten, 75 sogenannte Weinhotels sind damit ausgezeichnet.
Wein, Führungen, Essen: Weinproben und Veranstaltungen zum Thema in Emmendingen finden sich hier; weitere «Wein-Erlebnisse» im Breisgau hier. Termine für Weinproben auf dem Staatsweingut Freiburg müssen angefragt werden. In Vogtsburg-Bickensohl unterhält das Weingut Hauser-Bühler eine Vesperstube, Weinproben ebenfalls auf Anfrage. Die Weinprobe auf der Pferdekutsche in Oberkirch auf dem Weingut Bär kostet pauschal für bis zu zehn Personen 500 Euro.
Weitere Auskünfte: www.tourismus-bw.de; www.schwarzwald-tourismus.info; zum Wildbienenpfad unter www.vogtsburg.de
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