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Frankreich: Katakomben von Paris: Unterwegs im Unterirdischen

Frankreich

Katakomben von Paris: Unterwegs im Unterirdischen

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    Millionen Bürgerinnen und Bürger von Paris haben in den Katakomben ihre letzte Ruhe gefunden. Doch manchmal kommen Touristen.
    Millionen Bürgerinnen und Bürger von Paris haben in den Katakomben ihre letzte Ruhe gefunden. Doch manchmal kommen Touristen. Foto: Dirk Wenzel

    „Bleib stehen! Hier ist das Reich des Todes.“ Ich stocke kurz, als ich die Aufschrift an einer Steinmauer lese. Und da will ich wirklich hin? Aber kneifen gilt nicht mehr, jetzt, wo ich bereits in der Schlange angestanden habe und 130 Treppenstufen hinabgestiegen bin, 20 Meter in die Tiefe.

    Also rein in das „Reich des Todes“, wie sich die Katakomben von Paris nennen – und ich bin ja nicht alleine, sondern in der Gesellschaft anderer Besucherinnen und Besucher und der Kunsthistorikerin Trâm. Sie wird uns ja hoffentlich sicher durch den knapp zwei Kilometer langen Bereich bringen, der öffentlich zugänglich ist. Eigentlich handelt es sich um ein rund 300 Kilometer langes System aus labyrinthisch verschlungenen Gängen und finsteren Räumen, in denen illegal hinabgestiegene „Kataphile“ Partys feiern und sich manchmal auch verirren – ein lebensgefährlicher Spaß.

    So fühlt es sich an, das unterirdische Paris: gruselig.

    Mir ist der offizielle Teil gruselig genug. Die Luft ist kühl und abgestanden und das Licht schummerig. Ich höre nicht nur jeden meiner Schritte, sondern auch das dumpfe Nachhallen. Weit weg scheint der Trubel der französischen Metropole jetzt. In einer anderen Welt, der oberirdischen. In einer anderen Zeit, der Zeit der Lebenden. Hier unten lagern hingegen die Gebeine von sechs bis sieben Millionen Menschen. Ordentlich sind ihre Knochen und Schädel entlang der schmalen Gänge aufgereiht, dahinter liegt alles kreuz und quer. Religiöse Inschriften erinnern an die Vergänglichkeit des Lebens. Algen und Schimmelpilze ziehen sich über die schmierigen Wände; die Luftfeuchtigkeit liegt bei 70 Prozent. Das unterirdische Paris wird gerne mit einem Emmentaler verglichen: Ein dicker Laib mit großen Löchern.

    In den unzugänglichen Arealen liegen die Kanalisation, U-Bahn-Schächte und die Versorgungsleitungen. Doch es gab auch schon andere Verwendungsmöglichkeiten. Anfang des letzten Jahrhunderts nutzten sie Winzer als Weinkeller und Anwohnerinnen und Anwohner zum Anbau von Pilzen. Im Zweiten Weltkrieg diente der Untergrund Widerstandskämpfern als Versteck.

    Millionen Skelette wurden hierher verlegt

    Der Ursprung der Katakomben fällt mit dem von Paris zusammen: Zum Bau der Stadt wurde der so typische Kalkstein aus der Tiefe hervorgeholt, zunächst in offenen Steinbrüchen, ab dem 13. Jahrhundert erfolgte der Abbau nur noch unter Tage. Die fortschreitende Unterhöhlung führte aber nicht nur zu Sorgen der Bevölkerung, sondern auch zu tödlichen Unfällen.

    Da zugleich die völlig überfüllten Friedhöfe der Stadt zu einem hygienischen Problem wurden, schloss man diese und verlegte bis Mitte des 19. Jahrhunderts Millionen Skelette unter die Erde. Und da liegen sie noch immer – sollten nicht Besucherinnen und Besucher versuchen, einen Knochen als Souvenir mitzunehmen. Weil dies immer wieder passiert, müssen am Ausgang alle ihre Taschen öffnen. Meine ist natürlich leer geblieben: Die Gebeine lasse ich lieber an ihrem Ruheort. Die morbide Atmosphäre zu erleben, ist eindrucksvoll, aber als es wieder hinauf und zurück ins pralle Pariser Leben geht, spüre ich Erleichterung: Da oben mag die Luft nicht sehr sauber sein; aber sie ist herrlich frisch!

    Die Katakomben 1 Avenue du Colonel Henri Rol-Tanguy Metro 4/6 Denfert-Rochereau, RER B Denfert-Rochereau, catacombes.paris.fr, Dienstag bis Sonntag 9.45 bis 20.30 Uhr

    Das Cover des Buchs.
    Das Cover des Buchs. Foto: Michael Müller Verlag

    Das Buch Wer nach Paris fährt, besteigt den Eiffelturm und besucht den Louvre – doch Frankreichs Hauptstadt hat noch viel mehr zu bieten als die Klassiker. In dem neuen Paris-Reiseführer „Stadt-Abenteuer“ des Michael Müller Verlags werden neben den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, Tipps zum Ausgehen, Essen, Schlafen und Shoppen insgesamt 33 Erlebnisse vorgestellt, mit denen Besucher sich der französischen Weltstadt etwas anders nähern können. Wie wäre es, unter freiem Himmel an der Seine Tango zu tanzen, Paris bei einer Fahrt in einem Bistro-Bus zu besichtigen oder zu lernen, wie man Macarons bäckt? Mehr als die Hälfte der vorgestellten Aktivitäten ist kostenlos oder günstig, viele eignen sich für Familien und einige führen über die Stadtgrenzen hinaus.
    (Birgit Holzer: Paris – Stadtabenteuer. Michael Müller Verlag, 240 Seiten, farbig, 17,90 Euro
    )

    Die Autorin Eigentlich hatte Birgit Holzer nur eine sechsmonatige Auszeit in Paris geplant – dann aber wurden viele Jahre daraus. Seit sie alle Wege auf dem Fahrrad zurücklegt, erscheint ihr die Hauptstadt sogar ganz gut überschaubar. 1981 in Kelheim geboren, studierte sie Literatur- und Kommunikationswissenschaft in Augsburg und Lille und war Stipendiatin der Katholischen Journalistenschule ifp in München. Ihr Volontariat hat die Journalistin bei der Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg absolviert. Im Anschluss ging sie 2009 nach Paris und arbeitet seither als Frankreich-Korrespondentin für mehrere Tageszeitungen, darunter die Augsburger Allgemeine. 2012 wurde sie von dem Fachmagazin "medium magazin" unter „Die besten 30 unter 30“ gewählt.

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