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Ab nach Swiftkirchen zum Taylor-Swift-Konzert: Der neue Charme von Gelsenkirchen

Interview

Taylor Swift und EM: Warum ist auf einmal Gelsenkirchen so gefragt?

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    Das Stadion ist Anziehungspunkt für viele internationale Stars.
    Das Stadion ist Anziehungspunkt für viele internationale Stars. Foto: uslatar/stock.adobe.com

    Herr Slawetzki, Gelsenkirchen ist in den Schlagzeilen. Mit verärgerten englischen Fußballfans und als Latenight-Thema bei US-Comedian Jimmy Kimmel. Jetzt kommt Taylor Swift. Wann hat Gelsenkirchen zuletzt so viel Aufmerksamkeit erfahren?
    DIRK SLAWETZKI: Seit Ende der 1980er und einem Konzert von Michael Jackson hat Gelsenkirchen regelmäßig sehr viel Aufmerksamkeit bei Konzerten zahlreicher Rock- und Popgrößen auf sich gezogen.

    Zu den Swift-Konzerten reisen sogar Fans aus den USA an. Weil die Tickets günstiger sind.
    SLAWETZKI: Leider wissen wir nicht, wie viele kommen werden. In den USA versammeln sich Fans, die keine Tickets mehr ergattern konnten, im Umfeld der Stadien. Wir kriegen bei jedem der drei Taylor-Swift-Konzerte knapp 60.000 Menschen unter. Wenn da fünf bis zehn Prozent hinzukommen, wäre das wohl schon viel. Vor und nach den Konzerten wird es kleinere Veranstaltungen geben, um sich einzustimmen und Gleichgesinnte zu treffen. Gelsenkirchen hat zwei Innenstädte, wenn man so möchte, Gelsenkirchen und Buer. In Gelsenkirchen selbst wird es eine eigens errichtete Taylor Town geben.

    Gelsenkirchens Kohlenpottromantik zieht noch immer Besucher an.
    Gelsenkirchens Kohlenpottromantik zieht noch immer Besucher an. Foto: stock.adobe.com

    Was hat es mit Taylor Town auf sich?
    SLAWETZKI: Es wird am Heinrich-König-Platz über drei Tage ein buntes Programm geben, mit DJ-Sets, Karaoke und Swift-Merchandise.

    Wie kam es eigentlich dazu, dass diese Großevents nach Gelsenkirchen gingen?
    SLAWETZKI: Auch wenn die Veltins-Arena nicht mehr ganz neu ist: Sie ist noch immer ein modernes und komfortables Stadion. Und eins der größten in Deutschland: Zur Eröffnung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2010 kamen fast 80.000 Zuschauer.

    Bei der EM-Austragung lief zuletzt aber nicht alles rund, die Verantwortlichen mussten deutliche Kritik einstecken. Es war die Rede von überfordertem ÖPNV, einer unattraktiven Fanmeile und Fans, für die es keine Kneipen gibt. Was ist schiefgelaufen?
    SLAWETZKI: Beim ersten Spiel gab es wohl kleinere Probleme im Transport. Einige englische Fans waren enttäuscht, weil wir in Gelsenkirchen keine Ausgehmeile wie die Düsseldorfer Altstadt bieten können. Die Fanzone und das Public-Viewing waren im Nordstern Park aber eigentlich sehr gut untergebracht, wo 1997 die Bundesgartenschau stattfand. Dazu hatten wir auf der Trabrennbahn einen riesigen Treffpunkt für 40.000 englische Fans aufgezogen, mit jeder Menge Bier.

    Man hätte auch annehmen können, die Kohlenpottromantik sei den englischen Fans besonders gut vermittelbar.
    SLAWETZKI: Ja, zumindest für die nordenglischen Fans. Allerdings hat es diese Probleme nur beim ersten Spiel gegeben. Bei den drei anderen Spielen hat alles reibungslos funktioniert. Das muss man auch sagen. Das ist dann wieder keine Nachricht wert. Die Polizei hat nach der Auslosung sehr starke Restriktionen durchgesetzt. Beim englischen Fanverband fühlte man sich, auch aufgrund des Light-Biers im Stadion, nicht so willkommen wie in anderen Städten. Die Polizei hat gesagt: Okay, das Spiel gegen Serbien ist für uns ein Hochsicherheitsspiel. Das waren, sagen wir mal, ungünstige Grundvoraussetzungen.

    Wie ist der Spott, der über Gelsenkirchen ausgeschüttet wurde, in der Stadtbevölkerung aufgenommen worden?
    SLAWETZKI (LACHT) : Ambivalent, sag ich mal. Manche haben das gefeiert. Andere haben ironisch reagiert. Der Food-Blogger, der diese shithole-Geschichte in die Welt gesetzt hat, ist übrigens hinterher zurückgerudert. Wir haben ihm vom Stadtmarketing ein Überlebenspaket mit Bier, Pumpernickel und Currywurst beim zweiten Spiel der Engländer überreicht.

    Was muss man unbedingt gesehen haben in der Stadt?
    SLAWETZKI: Was sich eigentlich immer anbietet, ist eine Stadiontour. Mit Kabinen und Schalke-Museum. Schalke hat eine reichhaltige Geschichte. Der Nordstern Park ist einen Besuch wert, weil man da noch Dinge aus der industriellen Zeit findet und eine sehr, sehr schöne Aussicht. Entdecker kommen auf den Halden Rheinelbe und Rungeberg auf ihre Kosten. Kulturinteressierten empfehle ich das Kunstmuseum Gelsenkirchen mit kinetischer Kunst. Diese bewegliche Kunst ist viel zugänglicher als ein Gemälde. Und dann gibt es in Gelsenkirchen-Ückendorf, an der Bochumer Straße, seit den letzten vier, fünf Jahren viele Künstlerateliers und eine abwechslungsreiche Gastronomie.

    An der Emscher ist Gelsenkirchens neue grüne Lunge entstanden.
    An der Emscher ist Gelsenkirchens neue grüne Lunge entstanden. Foto: hepasoft/stock.adobe.com

    An der Emscher soll es auch ganz schön sein, habe ich gehört.
    SLAWETZKI: Auf der Emscher-Insel zwischen Rhein-Herne-Kanal und Emscher gibt es den Hafen Graf Bismarck. Unsere zweite, etwas größere Veranstaltungsstätte ist das Amphitheater direkt am Rhein-Herne-Kanal, wo man Open-Air auch immer wieder ganz attraktive Künstler zu Gast hat. Und Gelsenkirchen ist gerade entlang der Emscher auf dem Radweg und über alte Bahntrassen sehr gut mit dem Fahrrad zu entdecken. Eine gute Option, um das Ruhrgebiet zu erkunden, meist ohne mit dem Autoverkehr in Berührung zu kommen.

    An der Emscher soll es auch ganz schön sein, habe ich gehört.
    SLAWETZKI : Auf der Emscher-Insel zwischen Rhein-Herne-Kanal und Emscher gibt es den Hafen Graf Bismarck. Unsere zweite, etwas größere Veranstaltungsstätte ist das Amphitheater direkt am Rhein-Herne-Kanal, wo man Open-Air auch immer wieder ganz attraktive Künstler zu Gast hat. Und Gelsenkirchen ist gerade entlang der Emscher auf dem Radweg und über alte Bahntrassen sehr gut mit dem Fahrrad zu entdecken. Eine gute Option, um das Ruhrgebiet zu entdecken, meist ohne mit dem Autoverkehr in Berührung zu kommen.

    Was fehlt dem Ruhrpott eigentlich zum neuen Berlin? Gemeinsamkeiten gibt es ja: Man glänzt weniger mit Schönheit und Reichtum, hat dafür aber viel Platz für Kultur. Die eigenständigen Stadtteile werden an der Hauptstadt geschätzt. Ihr Vorteil: Von astronomischen Mieten bleibt das Ruhrgebiet dagegen weitgehend verschont.
    SLAWETZKI (LACHT): Im Gegensatz zu Berlin haben wir einen Nachteil: Berlin ist 1920 zu Groß-Berlin geworden. Damals hat man im Ruhrgebiet den Steinkohlenbezirk Ruhr gegründet. Es gibt natürlich eine Zusammenarbeit der Ruhrgebietsstädte, aber manchmal ist es doch ein bisschen provinziell. Einer der Engländer hat gesagt, am besten in Gelsenkirchen habe ihm die Zeche Zollverein gefallen. Die liegt nun mal in Essen. Aber nur einen guten Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Das ist der Punkt. Für den internationalen Besucher spielt es keine Rolle, ob die Zeche in Essen oder in Gelsenkirchen ist. Aber es gibt eben diese lokalen Befindlichkeiten und eine Politik, die immer nur auf ihre Stadt achtet. Viele fühlen sich in erster Linie ihrem Stadtteil zugehörig. Zwar haben wir mit Schalke einen der berühmtesten Stadtteile mindestens Deutschlands in Gelsenkirchen – und klar, Fußball ist für uns sehr, sehr wichtig – aber so eindimensional sind wir eigentlich gar nicht. Nicht in Gelsenkirchen und noch weniger im Ruhrgebiet. Was das Kulturangebot angeht, muss man sich europaweit vor niemandem verstecken.

    Eine letzte Frage: Wenn ich kein Ticket für das Taylor-Swift-Konzert am Freitagabend mehr bekommen habe, wo sollte ich hingehen?
    SLAWETZKI: Ich persönlich würde, das „Hier ist nicht da“ in Gelsenkirchen-Ückendorf empfehlen, wo es eine kleinere post-concert party geben wird. Übrigens wird Gelsenkirchen vorübergehend offiziell umbenannt, auf Anregung einer Schülerin hin: in Swiftkirchen.

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