Es müssen nicht immer gleich die Socken in den Sandalen oder das Handtuch über dem Liegestuhl sein, an denen uns im Urlaub die Welt erkennt. Es gibt noch andere Merkmale und Umgangsformen, die den Gastländern signalisieren, woher wir kommen und die zugleich viel über unsere Mentalität verraten.
Am sichtbarsten wird das an unserer Kleidung. Obwohl es Karl Lagerfeld, Wolfgang Joop und Jil Sander zu einer gewissen internationalen Bekanntheit geschafft haben, genießen die Bewohner der Bundesrepublik nicht gerade den Ruf, besonders gut angezogen zu sein. „Bella figura“ machen, also eine gute Figur abgeben, das können Italiener sowieso und Franzosen viel besser als wir. Wir dagegen mögen es eher zweckdienlich, und das bedeutet: Funktionskleidung, um garantiert für jeden Fall und vor allem für jedes Wetter vorbereitet zu sein.
Schweißabsorbierende, wasserabweisende Beinkleider aus atmungsaktiver Microfaser, deren Hosenlänge sich mithilfe von Reißverschlüssen in Sekunden auf Bermudakürze stutzen lässt, sind ein eindrücklicher Beleg dafür, wie man extremere Klimadifferenzen in ein- und dasselbe Kleidungsstück integriert. Hier hat jemand wie ein Ingenieur das Problem auf die direkteste Weise nach dem Motto „form follows function“ gelöst – Hauptsache, es ist praktisch.
Wir haben eben keinen Schmäh
Praktisch und zweckdienlich zu denken, bedeutet unter anderem, wenig Zeit zu verlieren. Und wer ungern Zeit vertut, der sinniert ständig darüber nach, wie die Dinge schneller und besser organisiert werden können. Das heißt, eleganter Small Talk gehört nicht zum Repertoire deutscher Konvention. Direktheit und Offenheit werden daher vielen von uns nachgesagt. Das unterscheidet die Deutschen zum Beispiel von den Österreichern, die wir wegen ihrer üppigen Freundlichkeiten gern des Schmähs bezichtigen. Brauchen wir nicht, es reicht doch, direkt zu sagen, was ist.
Selbst wenn wir damit nicht nur bisweilen die Nachbarn zwischen Bregenz und Wien vor den Kopf stoßen, dieses Streben nach Effizienz hat vermutlich dazu geführt, dass die Bundesrepublik weltweit immer noch zu den führenden Werkzeugbauern zählt. Das ist die positive Seite dieser deutschen Eigenschaft.
Der Nachteil besteht freilich darin, dass viele mit dieser Art überall da anecken, wo Kulturen komplett anders ticken. Um damit konfrontiert zu werden, müssen sie nicht erst nach Japan reisen. Bereits rund ums Mittelmeer kommen die Bewohner nicht mehr so direkt wie wir auf den Punkt und pflegen unterschiedliche Interpretationen von Pünktlichkeit.
Außerdem finden nicht wenige Mitbewohner auf diesem Planeten, dass wir Erbsenzähler sind. Denn unabhängig vom tatsächlichen Nettohaushaltseinkommen verlangen Deutsche beim Essen mit Freunden oder Verwandten meist nach getrennten Rechnungen im Lokal. Vor allem in Ländern, wo noch große Sippen zum sonntäglichen Mittagessen ins Restaurant ausrücken, ist das oft verpönt. Kein Wunder also, dass die Kellner die Augen verdrehen, wenn ein Rudel deutscher Radfahrer in die Kneipe einfällt. Gleich müssen sie 14 Spezis und Radler einzeln abrechnen! Und außerdem wollen die deutschen Gäste auch alle nur sprudelndes und bloß kein stilles Wasser trinken.
Und unser Rechtsbewusstsein...
Genauigkeit und Rechtsbewusstsein ergeben eine Mixtur, für die deutsche Urlauber berüchtigt sind. Die Kombination tritt besonders deutlich beim Autofahren zutage, wenn es um so wichtige Dinge wie die Vorfahrt geht. Im eigenen Land sind diese Rechte bekanntermaßen unverhandelbar, aber im Ausland tut sich manch Deutscher am Steuer mit dem flexiblen Fahrverhalten der dortigen Bevölkerung schwer. Schnell ist dann die Rede von „Chaos“ und „die können gar nicht Auto fahren“.
Das ausgeprägte teutonische Rechtsbewusstsein kommt aber auch immer dann zum Tragen, wenn es um Dinge geht, auf die er oder sie ein sogenanntes Recht haben. Das kann sehr nerven, wenn es sich um Leistungsbeschreibungen handelt, die im Reiseangebot aufgeführt sind und auf die der Kunde nun unnachgiebig pocht.
Und zuletzt noch eine Eigenart, worüber andere Nationalitäten nur den Kopf schütteln. Weil wir bekannt sind für unsere Reiselust, stößt man noch im letzten Winkel dieser Welt auf Deutsche. Doch nicht wenige Bundesbürger reagieren pikiert, wenn sie Landsleuten an solch fernen Orten begegnen. Es ist dabei egal, ob es sich um Hipsters der Generation X oder Wohlstandssenioren aus der Vorstadt handelt – sie mögen nicht als Deutsche erkannt werden und würden lieber als Kosmopoliten im Schmelztiegel der Nationen verschwinden.