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Viele Deutsche würden gerne in den Urlaub fahren, trauen sich aber nicht zu planen.

Urlaub 2021
25.01.2021

Wann sind Reisen wieder möglich – und welche Rolle spielt der Impfstoff?

Von Lilo Solcher

Wird es wieder werden, wie es war? Reise-Experte Martin Lohmann über die Reisepläne der Deutschen und wie Tourismus nach der Pandemie aussehen wird.

Vor einem Jahr hätte sich noch niemand vorstellen können, dass Skigebiete geschlossen bleiben und ganze Länder ihre Grenzen dicht machen. Werden die Menschen nach über einem Jahr Corona wieder Lust auf Reisen haben, Herr Lohmann?

Lohmann: Ja, die Reiselust ist da. Die positive Antwort ist allerdings nicht selbstverständlich. Die Urlauber könnten sich auch in einer Höhle verkriechen und auf bessere Zeiten warten wollen. Unsere Befragungen deuten darauf hin, dass es großes Interesse an Reisen gibt, kaum geringer als vor einem Jahr.

Weltweit oder doch nur lieber innerhalb der eigenen Grenzen?

Lohmann: Beides. Die Präferenzen für Urlaubsziele haben sich nicht geändert. Aber die Möglichkeiten sind begrenzt. Das fließt in die Überlegungen mit ein. So wird es eher Urlaub in Deutschland und in den Nachbarländern werden. Aber wenn Reisen wieder unbeschränkt und weltweit möglich ist, dann werden viele auch wieder in die Ferne reisen.

Hilft da der Impfstoff weiter? Und was halten Sie von der Diskussion um eine Impfpflicht etwa für Flugpassagiere? Oder den europäischen Impfpass, den der griechische Ministerpräsident Mitsotakis angeregt hat?

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Foto: privat
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Tourismusforscher Martin Lohmann.


Lohmann: Der Impfstoff hilft natürlich. In erster Linie direkt, weil die Menschen nicht mehr erkranken. Und dann auch indirekt, weil er zur Beruhigung beitragen kann und aufzeigt, wie man der Pandemie Herr werden kann. Eine Impfpflicht für Reisende halte ich für unproblematisch. Wir haben das doch schon bei Gelbfieber. Ob da im Impfausweis auch Covid-19 drinstehen darf, ist für mich eine eher überraschende Diskussion.

Corona hat ja nicht nur das soziale und kulturelle Leben fast zum Stillstand gebracht. Weil niemand weiß, wie lange der Zustand andauert, lähmt das Virus auch die Planungsfreudigkeit vor allem bei Reisen. Wer weiß denn schon, wann welche Urlaubsländer neue Einreisebeschränkungen erlassen oder alte aufheben?

Lohmann: Die meisten wissen, wohin sie wollen. Die konkrete Planung oder gar Buchung aber schieben viele noch auf.

Trotzdem verbreiten die Veranstalter Optimismus, sie reden von Nachholbedarf und , davon, dass die Menschen nach der langen Phase des Eingesperrtseins raus wollen.

Lohmann: Was die Nachfrage angeht, haben die Veranstalter Recht. Da ist ein Druck rauszukommen.

FTI hat für dieses Jahr auf Kataloge verzichtet. Könnte der Verzicht Schule machen?

Lohmann: Das ist eine zweischneidige Geschichte. Kataloge sind im Winterhalbjahr schnell Makulatur gewesen. Irgendwann wäre der Verzicht auf die üblichen dicken Kataloge mit langen Preislisten sowieso passiert. Die Bäume werden’s danken. Aber ganz auf Print zu verzichten, wäre auch falsch. Das Blättern durch die bunte Reisewelt ist ja auch inspirierend.

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Die meisten Veranstalter haben ihre Storno- und Umbuchungsregeln flexibler gestaltet. Die TUI hat einen neuen Flextarif eingeführt, bei Studiosus sollen die Gäste bis vier Wochen vor der Abreise kostenlos umbuchen oder stornieren können, bei anderen Veranstaltern sogar bis 14 Tage vor Abreise. Hilft das?

Lohmann: Ja, das hilft jetzt Buchungen zu generieren. Vor allem bei der derzeitigen Planungsunfreudigkeit kombiniert mit Reiselust. Ob das auch dazu führt, dass man künftig keine Storno- oder Umbuchungskosten hat? Das glaube ich nicht. Die Veranstalter gehen ja in Vorleistung und müssen auch vor der Reise ihr Geld haben. Ich könnte mir vorstellen, dass man für die eigene Flexibilität mehr bezahlt – so wie bei der Bahn oder wie es etwa TUI geplant hat.

Viele Deutsche werden trotz aller staatlichen Hilfen damit rechnen müssen, weniger Geld zur Verfügung zu haben. Das könnte dazu führen, dass auch bei Reisen gespart wird. Oder?

Lohmann: Es wird dazu führen, dass manche gar nicht reisen. Das vertieft die Kluft in der Gesellschaft noch. Während die einen von Arbeitslosigkeit oder wirtschaftlichem Niedergang bedroht sind, können die anderen reisen wie „Gott in Frankreich“. Das ist bedenklich, weil vor allem die ohnehin Schwachen die Last der Pandemie tragen.

Nicht nur Veranstalter und Hoteliers sind von Insolvenz bedroht, auch Solo-Selbstständige, Künstler und kleine Gewerbetreibende leiden - auch in den Urlaubsländern. Weltweit fehlt das Geld, das Touristen bringen. Wie wirkt sich das auf das Urlaubsgefühl aus?

Lohmann: Das Urlaubsgefühl hat man ja erst, wenn man da ist. Und am Urlaubsort sind die Probleme meist erst mal aus dem Blick.

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Die Veranstalter haben den Sommer bereits durchgeplant. Es zeichnet sich allerdings jetzt schon ab, dass manche Ziele wegen Corona ausfallen könnten. Das bedeutet auch eine Verknappung des Angebots. Werden Reisen teurer werden?

Lohmann: Mittelfristig schon. Bei Flugreisen wird das Angebot knapper, was die Flüge verteuern wird und damit auch das Reisen. Aber für den Sommer 2021 erwarten wir auch einen Kampf um Marktanteile. Die Veranstalter werden vorsichtig mit den Preisen sein, auch weil ihr Image nicht unbedingt an Verlässlichkeit gewonnen hat. Da wäre es wagemutig, die Preise zu erhöhen.

Und wenn gebucht wird, werden dann Pauschalreisen wieder mehr gefragt sein, weil sie mehr Sicherheit bieten?

Lohmann: Ich denke, das ist sehr Ziel-spezifisch. 2021 wird das Inland einen großen Teil an Reisen ausmachen und das werden kaum Pauschalreisen sein. Wenn es allerdings weiter geht – auf die Kanaren oder in die Karibik – dann sind die Menschen mit Pauschalreisen gut bedient, auch wegen der Buchungssicherheit. Die Pauschalreise hat sich ja ausgesprochen flexibel gezeigt, auch individueller. Das hat der oft Totgesagten das Leben gerettet.

Gerade jetzt warnen Experten davor, Reisen zu Schleuderpreisen anzubieten.

Lohmann: Wenn ein Markt darnieder liegt, sind Preissenkungen eine probate Möglichkeit, den Verkauf anzukurbeln. Aber bei der bestehenden Reiselust sind Preissenkungen völlig überflüssig. Da ist es schon besser, die Storno- und Umbuchungsbedingungen anzupassen.

Reisen könnten wieder zu etwas Besonderem, ja etwas Magischem werden, heißt es hoffnungsvoll. Was ist da dran?

Lohmann: Positive Effekte gab es beim Reisen schon immer. Sie sind auch nicht verloren gegangen, sondern wichtiger Grund, warum Menschen verreisen wollen. Auch eine günstige Reise kann magisch sein. Das ist keine Frage des Preises.

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Der Tourismus war ja schon länger in Verruf geraten, Stichwort Klimawandel oder auch Overtourismus. Dass sich in Corona-Zeiten beides erledigt hat, ist doch eine positive Nachricht?

Lohmann: Jein. Overtourism hat sich auch nicht erledigt. Temporäre Belastungen durch zuviel Menschen gibt es immer noch – in den Bergen oder am Meer. Zuviel Nachfrage zur selben Zeit an einer Stelle, das hatten wir auch 2020. Auch die Inlandsurlauber waren vermehrt an den schönsten Stellen des Landes zu finden. Overtourism ist also nicht aus der Welt, er hat sich nur verlagert. Von Venedig an die Nordsee oder ins Allgäu. Allerdings leiden die meisten Feriengebiete den größten Teil des Jahres eher unter Undertourism.

Und der Klimawandel?

Lohmann: Schädliche Effekte waren tatsächlich 2020 deutlich geringer, aber das ist nur Pandemie bedingt und nicht nachhaltig. Wenn die Menschen wieder reisen wie vorher, machen sie auch so viel Dreck wie vorher. Man wird sich weiter darum kümmern müssen, Tourismus klima- und umweltfreundlich zu gestalten. Bis 2019 wurde jedes Jahr mehr und weiter geflogen. Aber gutes Urlaubsleben ist auch möglich, wenn wir weniger fliegen – so wie etwa 2010.

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Einige Reiseformen stehen besonders in der Kritik. Die Kreuzfahrt etwa, aber auch die Airlines. Wie können sie Vertrauen zurückgewinnen?

Lohmann: Kreuzfahrt-Enthusiasten werden sich nicht abschrecken lassen. Tatsächlich sind Passagiere, die mit Impfpass oder Corona-Test an Bord gehen, dort auch weitgehend sicher. Das bedeutet freilich nicht, dass einige Reedereien aufgrund des 2020er Einbruchs keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben. Viele der großen Schiffe liegen immer noch still – und kosten. Ähnlich ist es bei den Airlines. Letztendlich wird es darauf hinauslaufen, dass es weniger Flugkapazitäten gibt und Flüge zu kostendeckenden Preisen. Unter Umweltgesichtspunkten ist das gar nicht so schlecht.

Fakt ist auch, dass Touristen (und Geschäftsreisende) das Virus weiter verbreitet haben. Corona ging sozusagen auf Reisen. Das betrifft auch die neuen Mutationen. Könnte diese Tatsache die Reiselust für längere Zeit ausbremsen?

Lohmann: Offensichtlich ist nicht mal aktuell die Reiselust ausgebremst. Reisen bedeutet immer auch das Eingehen von Risiken, aber eben auch die Möglichkeit für großartige Erfahrungen, Erholung, Lernen und Abwechslung. Diese Werte werden ihren Reiz nicht verlieren.

Zur Person: Martin Lohmann ist Geschäftsführer der Forschungsgemeinschaft Reise und Urlaub, die jedes Jahre hunderte Deutsche nach ihren Urlaubsplänen befragt. Seine jährliche Reiseanalyse ist für die Branche ein wichtiger Indikator.

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