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Ulm: Sightseeing der Zukunft? Ein virtueller Flug durch Ulm und die Zeit

Ulm

Sightseeing der Zukunft? Ein virtueller Flug durch Ulm und die Zeit

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    Aufwändig erstellt: das virtuelle Stadtbild von Ulm.
    Aufwändig erstellt: das virtuelle Stadtbild von Ulm. Foto: Visualierung: demodern

    Das Tor in die Vergangenheit liegt in einem mausgrauen Nachkriegsgebäude hinter dem Münster: In einem Ladengeschäft in der Kramgasse steht ein weißes Gerät, das aussieht wie ein umgekehrter Zahnarztstuhl. Das Aufsitzen ist beim ersten Mal etwas mühsam: Die Knie abgewinkelt, den Bauch auf die schwarz-weiße Liege postiert und die Arme greifen die beweglichen Flügel. Die Virtual-Reality-Brille aufgesetzt, zwei Knöpfe an den Flügelgriffen gleichzeitig gedrückt und ab geht’s: Über den Wolken, scheint die Freiheit grenzenlos. Intuitiv per Flügelschlag lässt sich eine Reise per Ganzkörper-3D-Flugsimulator steuern, die auf der Welt einzigartig in ihrer Perfektion sein soll. Bisher leisten sich nur Städte wie Dubai oder Singapur eine Technik, bei der allein die Hardware 150000 Euro kostet.

    Doch Ulm geht noch einen Schritt weiter und will ein High-end-Erlebnis präsentieren. Wie Alexander El-Meligi, der Geschäftsführer der programmierenden Hamburger Firma Demodern bei der Vorstellung der Technik erklärt, wollte er die vorhandenen Flugsimulationen von Dubai, New-York, Pittsburgh und Singapur nicht kopieren, sondern übertreffen. Während die Programmierer bislang auf Fotos zurückgriffen, wurde beim Flug über

    Die Zeitreisenden sind als Ulmer Spatzen unterwegs

    Ulm aus der Vogelperspektive: die Reisenden sind als Ulmer Spatzen „unterwegs“.
    Ulm aus der Vogelperspektive: die Reisenden sind als Ulmer Spatzen „unterwegs“. Foto: Visualierung: demodern

    Diesen Aufwand bemerkt der Fluggast: Die beiden Arme bewegen die Schwingen, schließlich ist man als virtueller Spatz unterwegs. Kippen bedeutet abwärts. Etwas nach hinten und schon fliegt der Vogel steil nach oben. Der Ventilator vor der Brille simuliert perfekt den Fahrtwind und sogar der eigene Schatten auf dem Boden stimmt. Und schon ist das Münster im Blick. Und die Donau. Die Augen wissen nicht, wohin sie schauen sollen, rundum schweift der neugierige Blick auf Ulm aus dem Jahr 1890.

    Menschen sind auf den Straßen nicht zu sehen, das hätte das Budget der ohnehin aufwendigen Programmierung gesprengt. Dafür liefern die Macher einen passenden Handlungsstrang: An einem sonnigen Morgen im Jahr 1890 spielt sich der Flug ab. Die Ulmer versammeln sich im Münster zum Gottesdienst. Die Gassen und Straßen der Altstadt sind wie leer gefegt. Nur vereinzelt dringen Geräusche aus den Häusern, während aus dem Münster Chöre und Kirchenklänge zu vernehmen sind.

    Rums. Einmal nicht aufgepasst, wird alles schwarz. Kollision mit dem höchsten Kirchturm der Welt, dessen Spitze 1890 noch im Bau war. Dann geht‘s weiter über das Münsterdach, Sturzflug ins Viertel „Auf dem Kreuz“. Sogar auf Fußgängerhöhe lässt sich der Computer-Spatz durch die Gassen steuern. Vorbei an hoch aufgelösten Details wie Blumenkästen. Ein paar Flügelschläge später ist der Marktplatz erreicht – freilich ohne die dort heute stehenden Glas-Pyramide. Ein kurzer Schwenk ist es nur zum Weinhof mit dem Schwörhaus, jenem Ort wo Ulms Oberbürgermeister jedes Jahr verspricht „Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein.“ Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch versteht die neue Attraktion als ein Stück Stadtentwicklung. Wie kaum ein anderes Projekt verbinde „Birdly“ den alten Traum vom Fliegen, den der Schneider von Ulm begründete, mit den Themen Innovation und Digitalisierung. Somit sei „Birdly“ auch ein für jedermann sichtbares Zeichen des Wandels, auf den sich Ulm einstelle.

    Die Macher haben nichts dem Zufall überlassen

    Eine Reise in die Vergangenheit auf ganz moderne Art.
    Eine Reise in die Vergangenheit auf ganz moderne Art. Foto: Visualierung: demodern

    Zudem lobt Czisch das „bürgerschaftliche Engagement“, das sich hinter dem Projekt verberge. Denn die Kosten in ungenannter Höhe trieb die gemeinnützige Berliner Firma Interactive Media auf. Dem Vernehmen nach sollen mehrere Unternehmer fast 250000 Euro gesammelt haben, um das Projekt zu realisieren. Hinter Interactive Media steckt in leitender Funktion wiederum Saskia Kress, Spross der bekannten Ulmer Unternehmerfamilie, die einst hinter der Gartengeräte-Firma Gardena stand. Die IMF hatte die Idee zu „Ulm Stories“, hat die Stadt Ulm, die Ulmer Münstergemeinde und weitere Partner von dem Projekt überzeugt und das Konzept komplett konzipiert.  Die Macher haben nichts dem Zufall hinterlassen: Im kleinen Ladegeschäft in der Kramgasse wird „Birdly“ gekonnt durch ein Konzept Berliner Designer inszeniert. Ein künstlicher Stein, der an das Münster erinnern soll, fungiert als Blickfang und Kinderkino: Denn der „Traum vom Fliegen“ ist erst ab sieben Jahren möglich.

    Mit zum Projekt „Ulm Stories“ gehört auch eine App, die das Ulmer Münster auf eine neue Art und Weise erlebbar machen soll. Elf atmosphärisch dicht inszenierte Geschichten führen durch die Geschichte rund um den höchsten Kirchturm der Welt. Der räumlich inszenierte Klang versetzt die Hörer dabei mitten ins Geschehen. Ab Samstag, 15. Juli, können im Münster Tablets mit Kopfhörern ausgeliehen werden. Alternativ kann die kostenlose App auch heruntergeladen und mit eigenen Kopfhörern ausprobiert werden. Ernst-Wilhelm Gohl, der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks, ist jetzt schon „restlos begeistert“. „Das ist ein unbeschreibliches Erlebnis.

    Besuch „Der Traum vom Fliegen“ kann in Ulm hinter dem Münster, in der Kramgasse 3, erfüllt werden. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag, von 10 bis 18 Uhr. Kostenpunkt: Fünf Euro. Flüge sind erst ab sieben Jahren und 1,40 Meter Körpergröße möglich. Online können Zeitfenster gebucht werden unter ulmstories.de

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