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Interview: "Eine umweltfreundliche Kreuzfahrt gibt es nicht"

Interview

"Eine umweltfreundliche Kreuzfahrt gibt es nicht"

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    Schiff an Schiff: In Florida liegen die größten Kreuzfahrthäfen der Welt. Unser Bild zeigt Port Everglades.
    Schiff an Schiff: In Florida liegen die größten Kreuzfahrthäfen der Welt. Unser Bild zeigt Port Everglades. Foto: Broward County´s Port Everglades/dpa-tmn

    Herr Diesener, Sie sind seit vier Jahren Kreuzfahrt-Experte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Mit welchen Gefühlen beobachten Sie, dass immer mehr und immer größere Schiffe auf den Meeren unterwegs sind?

    Sönke Diesener: Immer größere Schiffe bedeuten auch immer geballtere Besuchermengen. Dadurch steigen  natürlich die damit verbundenen Aufkommen an Abwasser, Müll und Abgasen. Andererseits sind die neueren Schiffe technisch schon häufig deutlich besser ausgerüstet, um Umweltschäden zu verringern. Dennoch muss jedem Passagier bewusst sein: Ein auf 3000 Menschen ausgelegtes Kreuzfahrtschiff – es gibt ja längst auch größere – verbraucht an einem ganz normalen Fahrtag 150 Tonnen Schweröl. Um es plastischer auszudrücken: Das entspricht der Füllmenge von vier bis fünf Tanklastern. Das sind etwa fünf Tonnen gesundheitsgefährlicher Stickoxide, die jeden Tag ausgestoßen werden. Zum Vergleich: Ein Pkw in Deutschland produziert pro Tag im Durchschnitt etwa 13 Gramm.

    Der NABU veröffentlicht jedes Jahr ein viel beachtetes Kreuzfahrt-Ranking, in dem er die Umweltbilanz der einzelnen Schiffe bewertet. Kann es überhaupt eine umweltfreundliche Kreuzfahrt geben?

    Diesener: Eine Kreuzfahrt, die am Ende einen positiven Einfluss auf die Umwelt hat, wird es wohl nicht geben. Wie bei allen Reiseformen lassen sich aber natürlich die negativen Auswirkungen reduzieren. Und da ist gerade in der Kreuzfahrtbranche noch sehr viel Luft nach oben. Ein Schiff, das emissionsfrei durchs Meer gleitet, ist ja technisch keine Unmöglichkeit mehr und sollte das langfristige Ziel der Branche sein. Mit dem Einsatz von Brennstoffzellen und Batterien etwa oder der Nutzung von Wind kann viel erreicht werden. Hurtigrouten setzen ab diesem Jahr ein erstes Schiff mit Hybrid-Antrieb ein, das Fährunternehmen Scandlines ist da sogar Vorreiter. Wir erwarten, dass sich die Reedereien mit diesen innovativen Ideen auseinandersetzen. Stattdessen aber wird an Uralttechnik wie dem hochgiftigen Schweröl festgehalten.

    Derzeit ist viel von den umweltfreundlicheren Flüssigerdgas-Antrieben (LNG) die Rede. Welche Verbesserungen bringt diese neue Antriebsart gegenüber Schweröl?

    Diesener: Ein Schiff, das Flüssigerdgas als Treibstoff einsetzt, verbrennt immer noch einen fossilen Kraftstoff, kann aber seine Kohlendioxid-Bilanz gegenüber Diesel und Schweröl leicht verbessern. Der besondere Nutzen beim Gas liegt in der drastischen Reduzierung der Luftverschmutzung. Schwefeloxid und Ruß-Emissionen verschwinden ganz und Stickoxid-Emissionen werden um etwa 70 Prozent reduziert. Das macht was aus.

    Sönke Diesener, Kreuzfahrt-Experte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU).
    Sönke Diesener, Kreuzfahrt-Experte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Foto: Nabu

    Wie viele Kreuzfahrtschiffe sind auf den Meeren unterwegs und wie viele davon setzen LNG ein?

    Diesener: Es ist noch kein Kreuzfahrtschiff mit LNG unterwegs. Die über 500 Kreuzfahrtschiffe werden mit Schweröl betrieben, einige verwenden Marinediesel. In den Orderbüchern der Werften stehen aber an die 20 LNG-Kreuzfahrtschiffe, die in den nächsten Jahren in Dienst gestellt werden. Die deutsche Reederei Aida wird voraussichtlich die erste sein. Heute sind schon zwei Aida-Schiffe in der Lage, während der Liegezeit im Hafen mit LNG den Bordstrom zu erzeugen.

    Kreuzfahrt ist ein Mega-Geschäft. Aber wird auch mega-viel für den Schutz der Meere und der Atmosphäre getan? Was sind Ihre wichtigsten Kritikpunkte an den Reedereien?

    Diesener: Der Kreuzfahrtindustrie geht es sehr gut. Es werden Milliarden investiert. Leider bleibt wirksame Umwelttechnik dabei auf der Strecke. Nur die wenigsten Schiffe verfügen über Katalysatoren, auf keinem Schiff läuft ein Partikelfilter. Diese Techniken sind an Land seit Jahrzehnten Standard. Der Kostenanteil umfassender Abgasnachbehandlung an den Neubaukosten für ein Schiff liegt im Promill-Bereich, die größten Schiffe kosten immerhin über eine Milliarde Euro. Dass die meisten Schiffe immer noch mit dreckigem Schweröl betrieben werden, ist vor dem Hintergrund der werbewirksamen Lippenbekenntnisse zum Umweltschutz ein Skandal.

    Sie haben Wünsche frei. Was müsste noch getan werden?

    Diesener: Neue Schiffe müssen mit neuen Treibstoffen und Antrieben gebaut werden. Die bestehende Flotte muss auf Schweröl verzichten und mit wirksamer Abgasreinigung nachgerüstet werden.

    Worauf sollten umweltbewusste Verbraucher achten, wenn sie eine Kreuzfahrt buchen?

    Diesener: Wer eine Kreuzfahrt buchen möchte, kann zum Beispiel auf unser jährliches Kreuzfahrt-Ranking schauen. Denn es gibt ja zum Glück einige Schiffe, die deutlich besser abschneiden als das Gros der Branche. Tui etwa setzt Katalysatoren ein, die den Stickoxid-Ausstoß reduzieren. Wir bewerten es unter anderem auch positiv, wenn in den Häfen Landstrom für den Betrieb der Schiffe genutzt wird. Wenn die Passagiere im Hafen von Bord gehen, um die Metropolen dieser Welt zu erkunden, laufen die Maschinen der Kreuzfahrtschiffe, etwa für Klimaanlagen, Kühlanlagen und Licht, ja weiter. Mit der Nutzung von Landstrom werden die Luftschadstoffemissionen komplett vermieden. Wenn der Strom zudem regenerativ erzeugt ist, fällt auch die Kohlendioxid-Bilanz auf null. Natürlich kann der einzelne Verbraucher auch bei den Reedereien direkt nachfragen, wie diese zum Beispiel zur Schwerölnutzung stehen.

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