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Corona - Mallorca: Inzidenz geht durch die Decke

Spanien

Droht für Mallorca-Urlauber der große Sommertraum zu platzen?

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    Nahezu jeden Abend muss die Polizei auf Mallorca ausrücken, um das Partyvolk am "Ballermann" zu bändigen - oft ohne Erfolg.
    Nahezu jeden Abend muss die Polizei auf Mallorca ausrücken, um das Partyvolk am "Ballermann" zu bändigen - oft ohne Erfolg. Foto: Clara Margais, dpa

    An Mallorcas berühmtestem Sandstrand, der Playa de Palma, sonnen sich Tausende Urlauberinnen und Urlauber. Kleine Wellen rollen ans Ufer. Kinder planschen im badewannenwarmen Wasser. Die Palmen wehen an der dahinterliegenden Promenade im leichten Wind. Es scheint fast so, als ob auf Mallorca, der meistbesuchten Urlaubsinsel Europas, wieder die Normalität eingezogen ist. Aber auch nur fast.

    Denn die Infektionszahlen sind in den vergangenen Tagen regelrecht explodiert. Sie sind um ein Vielfaches höher als in Deutschland. Mit Wirkung ab diesem Dienstag, wenige Tage vor Beginn der Sommerferien in Bayern, hat deswegen das Berliner Robert Koch-Institut die Insel und zugleich ganz Spanien zum Hochinzidenzgebiet erklärt.

    Urlaubende, die ohne Impfung aus Mallorca zurückkehren, müssen ab sofort also mindestens fünf Tage in Selbstisolierung, bevor sie sich freitesten können – das gilt sogar für Kinder. Doch viele, die schon auf der Insel sind oder kurz vor dem Abflug in Richtung Ferien stehen, scheint dieses Szenario nicht zu schrecken.

    Am sichtbarsten wird dies an der Playa de Palma, der „Ballermann“-Partyzone. Tausende junge Menschen, darunter viele Deutsche, feiern dort jeden Abend mit viel Alkohol und ohne Abstand oder Maske. „Saufen, saufen, saufen“, grölt die Menge. Ein Partyheld ist mit einem Megafon auf die Mauer der Promenade geklettert und heizt die Stimmung mit lockeren Sprüchen an. „Das ist total geil hier“, ruft er in die tropische Nacht.

    Nachts wird die Polizei auf Mallorca oft nur ausgelacht

    Eigentlich ist seit dem Wochenende auf Mallorca ein nächtliches Versammlungsverbot in Kraft. Schließlich gelten die wilden Open-Air-Partys als Infektions-Hotspot. Jede Nacht taucht die Polizei auf und versucht, die Menschen nach Hause zu schicken – mit nur mäßigem Erfolg. Vielerorts werden die Beamtinnen und Beamten ausgelacht und mit Sprüchen bedacht wie: „Sie gehen, wir kommen.“ Denn kaum ist die

    „Für das Verhalten der Partyurlauber möchte man sich fremdschämen“, überschrieb die Mallorca Zeitung einen Meinungsartikel zu den nicht endenden Auswüchsen. „Als gebe es keine Corona-Pandemie“, schimpfte das Blatt entsetzt. „Sie trinken – obwohl das längst verboten ist – Alkohol in der Öffentlichkeit, liegen sich in den Armen und haben in ihrer feucht-fröhlichen Euphorie von Corona-Regeln offensichtlich nie etwas gehört.“

    Außer Rand und Band: Touristen vergnügen sich nachts am Strand von Arenal.
    Außer Rand und Band: Touristen vergnügen sich nachts am Strand von Arenal. Foto: Clara Margais, dpa

    Die Zeitung erinnert daran, dass die Insel vom Tourismus lebt und ein erneutes vorzeitiges Ende der Saison wie im vergangenen Jahr viele Familien in die Armut stürzen würde. „Es kann nicht sein, dass sich ein Großteil der Menschen auf Mallorca monatelang diszipliniert an alle Corona-Auflagen hält, um irgendwie die Tourismussaison 2021 zu retten. Und dass dann eine winzige Minderheit, noch dazu eine derart rücksichtslose, diese massiven Anstrengungen der Bevölkerung mit Füßen tritt.“

    Willi Verhuven, Chef des Reiseveranstalters Alltours, sieht das ähnlich. „Die Sauftouristen repräsentieren nur zwei bis drei Prozent der Urlauber auf Mallorca“, sagt der Reise-Experte. Er fordert ein Verbot des Sauftourismus. „Diese Leute schaden dem Image und der Wirtschaft Mallorcas.“

    Die Corona-Maßnahmen am "Ballermann" zeigen kaum Wirkung

    So sieht das auch Aage Dünhaupt. Der Sprecher von Tui Deutschland befindet sich gerade auf Mallorca, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. „Auf dem Ballermann geht es zu wie auf der Reeperbahn zu besten Zeiten.“ Ab 22 Uhr dürfe auf der Partymeile zwar kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden, und in den All-inklusive-Hotels der Gegend seien Wein und Bier nicht im Preis inbegriffen. Doch scheinen die Maßnahmen keine Wirkung zu haben. „Es gibt wohl einen Riesenbedarf, dass die Leute sich wieder ausleben wollen“, sagt Dünhaupt.

    Der Reiseveranstalter sei im engen Austausch mit der Inselregierung und den Tourismusverantwortlichen. „Der Partytourismus schadet dem Ruf der Insel, da muss man hart durchgreifen.“ Der Konzern mit Firmensitz in Großbritannien bringt die meisten Urlauber auf die Insel. Auch Tui hatte einst Party-Urlaub auf Mallorca im Programm. Letztes Jahr wurde das Angebot eingestellt. „Das passt einfach nicht in diese Zeit“, so Dünhaupt.

    Das Gros der deutschen Mallorca-Feriengäste benimmt sich vorbildlich. Doch durch die Höherstufung der Insel vom Risikogebiet zum Hochinzidenzgebiet und die damit verbundene Reisewarnung werden nun alle getroffen. Trotzdem lassen sich die meisten nicht aus der Ruhe bringen. „Viele Urlauber reagieren gelassen“, schrieb die Mallorca Zeitung nach einer Straßenumfrage.

    Tagsüber herrscht an den Stränden Mallorcas meist entspanntes Treiben, hier werden die Corona-Regeln meist auch befolgt.
    Tagsüber herrscht an den Stränden Mallorcas meist entspanntes Treiben, hier werden die Corona-Regeln meist auch befolgt. Foto: Clara Margais, dpa

    Das hat auch Dünhaupt im Gespräch mit den Reiseleiterinnen und Reiseleitern vor Ort festgestellt. Die Urlauberinnen und Urlauber hätten gelernt, mit Corona umzugehen, sagt er. Nur wenige wollen früher abreisen, die Zahl ist „überschaubar“. Einige erkundigten sich nach den Quarantänebestimmungen zu Hause, oft gehe es aber auch um den geplanten Ausflug am nächsten Tag. Vor einem Jahr wären die Reaktionen vieler weniger gelassen ausgefallen, ist Dünhaupt überzeugt.

    Eine Urlauberin schreibt: Wir kommen auf alle Fälle

    Die meisten Kommentare von Reisenden in einschlägigen Mallorca-Foren bestätigen diesen Eindruck weitgehend. „Wir kommen auf alle Fälle, solange Mallorca nicht noch weiter höhergestuft wird. Wir sind beide vollständig geimpft“, schreibt eine Inselfreundin namens Sabine. „Ich fliege im August und freue mich. Ich lasse mir den Urlaub nicht versauen“, verkündet eine andere Reisende, die sich als Anita vorstellt. Aber es gibt auch Absagen: „Gut, dass wir storniert haben. Das bringt doch nichts, wenn man mit Kindern hinterher in Quarantäne muss.“

    Die Einstufung Spaniens und auch der Niederlande als Hochrisikogebiete verunsichert zwar viele Urlauberinnen und Urlauber. Am Donnerstag startet Bayern in die Sommerferien. Gleichzeitig steigen in ganz Europa die Corona-Zahlen wieder. Viele Urlauberländer verschärfen ihre Pandemie-Regeln.

    Die Reisebranche jedoch spürt derzeit noch keine größere Stornierungswelle. Gleichwohl wächst die Sorge, dass der Kater noch kommen könnte und dass neue Buchungen gebremst werden könnten. Die aktuelle Entwicklung in Spanien und den Niederlanden trifft besonders Familien. Denn die Lage ist so: Wird ein Land zum Hochrisikogebiet erklärt, müssen die geimpften Eltern nach einer Rückkehr nicht in Quarantäne, die meist ungeimpften Kinder aber schon. Es muss also eine unter Umständen im Urlaub eine Kinderbetreuung für zu Hause organisiert werden. Es kann schon sein, dass viele Familien, die erst in einigen Wochen in den Urlaub fliegen, ihre Reise noch auf ein anderes Urlaubsziel umbuchen werden, so Tui-Sprecher Dünhaupt. Für eine belastbare Einschätzung sei der Zeitpunkt allerdings noch zu früh.

    Mallorca jedoch ist jetzt schon in Sorge. Bereits vor der Berliner Entscheidung hatten die Hotelbetriebe einen Rückgang der Reservierungen um 30 Prozent gemeldet, was sie auf die neue Coronawelle zurückführen.

    Der Reiseveranstalter TUI sieht noch keinen Grund zur Panik

    Bei Tui, Europas größtem Urlaubsveranstalter, sieht man nach der Verschärfung der deutschen Reisehinweise keinen Grund zur Panik: „Eine Reisewarnung ist kein Reiseverbot“, erklärt der Konzern auf seiner Webseite. „Wir werden die Reisen auch weiterhin durchführen“, betont Dünhaupt. Der Urlaubsanbieter hatte ja schon vor den Osterferien für Schlagzeilen gesorgt, als er Mallorca-Urlaub anbot, obwohl für die Insel noch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bestand. TUI-Vorstandsmitglied David Schelp verspricht, dass Pauschalurlaube wegen der ausgefeilten Hygienekonzepte sicher seien. „Die Inzidenzrate unter TUI-Urlaubern liegt bei unter 1“, sagt er.

    Die mallorquinischen Hoteliers beten unterdessen, dass die Stimmung nicht doch noch kippt. Die Vizechefin des Hotelverbandes FEHM, María José Aguiló, räumt nach der deutschen Reisewarnung ein: „Das ist eine schlechte Nachricht.“ Und die Inselzeitung Diario de Mallorca urteilt: „Das ist ein neuer Schlag für die Sommersaison.“

    Noch ist einiges los an den Flughäfen: Trotz der Hochstufung Spaniens zum Hochinzidenzgebiet gibt es bislang keine neue Stornierungswelle.
    Noch ist einiges los an den Flughäfen: Trotz der Hochstufung Spaniens zum Hochinzidenzgebiet gibt es bislang keine neue Stornierungswelle. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Spaniens Tourismusministerin Reyes Maroto hatte noch vor Kurzem den Traum von einer touristischen Erholung Mallorcas genährt. „Wir wollen dieses Jahr wenigstens die Hälfte der Urlauber, die 2019 gekommen sind, zurückgewinnen, “ sagte sie. In 2019 waren 10,3 Millionen ausländische Feriengäste nach Mallorca gekommen, darunter 4,2 Millionen Deutsche. Daraus wird wohl nichts.

    Zugleich ist Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes, davon überzeugt, dass der reine Inzidenzwert wegen des Impffortschritts bei Weitem nicht mehr die Aussagekraft habe, wie zu Beginn der Pandemie. Stattdessen müsse die Belastung des Gesundheitssystems in den Mittelpunkt der Einschätzung gerückt werden. Fiebig schätzt, dass sich derzeit rund 400.000 deutsche Urlauberinnen und Urlauber in Spanien befinden – ein Großteil davon auf Mallorca.

    Inzidenz auf Mallorca liegt derzeit deutlich über 300

    Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag auf der Insel nach Angaben der örtlichen Behörden bei 341 und damit wieder etwas niedriger als am Sonntag – in Deutschland war die Vergleichszahl bei etwas über 14. Der mittlere Wert für alle Baleareninseln, zu denen auch Ibiza, Menorca und Formentera gehören, nähert sich mittlerweile 400.

    Mehr als 330 Menschen liegen auf den Balearen mit Covid-Komplikationen im Krankenhaus. Die Kliniken stehen noch nicht vor dem Kollaps wie in früheren Viruswellen, aber sie müssen wegen des wachsenden Drucks bereits Routine-Eingriffe verschieben.

    Dabei macht Sorge, dass zunehmend Menschen mit komplettem Impfschutz erkranken. Nach Angaben der Inselbehörden sind etwa 20 Prozent der Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen vollständig Geimpfte. Die hochansteckende Delta-Variante verursacht inzwischen 85 Prozent aller Infektionen.

    Auch immer mehr Feriengäste stecken sich im Urlaub an. Hunderte wurden in den letzten Wochen bei den obligatorischen Corona-Tests, die vor dem Rückflug gemacht werden müssen, positiv getestet. Die speziellen Quarantäne-Herbergen auf den Balearen sind überfüllt. Immer mehr Hotels müssen deswegen für infizierte Gäste Quarantäne-Zimmer bereitstellen.

    Auf der Insel drohen nun neue Restriktionen

    Doch die Schnelltests vor dem Rückflug entdecken längst nicht alle Infizierten. Immer mehr Mallorca-Urlauber merken erst nach der Rückkehr in die deutsche Heimat, wenn plötzlich Symptome auftreten, dass sie das Virus als Souvenir mitgebracht haben.

    Das Robert Koch-Institut vermutet inzwischen bei zehn Prozent aller in Deutschland registrierten Infektionsfälle eine Ansteckung im Ausland. Infektionsregion Nummer eins ist dabei laut RKI mit großem Abstand Spanien – und dort die deutsche Lieblingsinsel Mallorca.

    Wie geht es nun weiter? Möglicherweise mit neuen Restriktionen auf der Insel. Die Mallorca-Regierung schließt nicht aus, dass Bars und Restaurants bald nur noch mit Gesundheitspass betreten werden dürfen. Die regionale Regierungschefin Francina Armengol bittet zudem, nicht ohne Maske auf die Straße zu gehen. Die Maskenpflicht im Freien wurde zwar aufgehoben – wenigstens soweit Abstand eingehalten werden kann. Doch dies war nach Meinungvon Fachleuten wohl etwas voreilig. Deswegen ihr Appell: „Bitte nicht oben ohne.“

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