Startseite
Icon Pfeil nach unten
Geld & Leben
Icon Pfeil nach unten

Analyse: Neue Chance durch Stillstand? Nach Corona werden wir anders reisen

Analyse

Neue Chance durch Stillstand? Nach Corona werden wir anders reisen

Doris Wegner
    • |
    Jetzt schon Urlaub buchen?
    Jetzt schon Urlaub buchen? Foto: Andrea Warnecke, dpa (Symbolfoto)

    Da war doch mal diese Reisefreiheit: Ein Ziel aussuchen, die Koffer packen und – einfach losfahren. Gefühlt ist das eine Ewigkeit her, praktisch allerdings nur ein Jahr. Übrig geblieben ist nur das Fernweh. Das Reisen ist geradezu fiktiv geworden, reduziert auf schöne Träume, die Erfüllung derzeit so weit entfernt wie die Aleuten aber auch schon wie der Böhmerwald.

    Auch 2021, das ist klar, wird kein normales Reisejahr werden. Wieder stehen Grenzschließungen zur Diskussion – dieses Mal, um die Mutationen des Virus eindämmen zu können. Normales Reisen ist wohl erst ab Pfingsten denkbar, kündigte Thomas Bareiß, der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung an. Eine Einschätzung, die auch die Reiseveranstalter teilen. Die Unsicherheiten in dem kapriziösen Pandemiegeschehen sind einfach zu groß. Alles in allem kein gutes Reiseklima. Da können die Reiseveranstalter noch so viele Sorglos-Pakete mit Covid19-Versicherung auflegen: Wer will da schon planen? Zumal auch viele Urlaubsländer sich in einem Lockdown befinden.

    Reisebuchungen liegen wegen Corona 80 Prozent unter den Vorjahreszahlen

    Eigentlich sind die Monate bis März die buchungsstärksten. Wenn es draußen kalt ist und der Matsch in den Städten am größten, machen die Bundesbürger ihren Urlaub fürs Jahr klar. Derzeit liegen die Reisebuchungen 80 Prozent unter den Vorjahreszahlen. Der Impfstart sorgte für ein wenig Optimismus, die Nachrichten über die Virusmutation, die Streichung der Faschingsferien für die nächsten Tiefschläge.

    Die erfolgsverwöhnte Branche, die zuletzt ein Rekordjahr nach dem anderen verbuchte, wurde von einem Tag auf den anderen in die Krise gestürzt – und hat kaum eine Chance, schnell wieder herauszufinden. Die mit Milliardenkrediten gestützte Tui berichtet von etwa hundert Buchungen pro Woche für die Malediven. Eine Größenordnung, über die der einst so stolze weltgrößte Reisekonzern früher nicht eine Silbe verloren hätte.

    Aber was wird das für ein Reisejahr werden? Ein kurzes wohl. Und auch ein enges. Die Veranstalter haben ihr Angebot deutlich reduziert. Das Vertrauen ist durch Corona erschüttert. Eine Fernreise planen wohl die wenigsten. Die Bilder von der Rückholaktion vergangenes Jahr stecken noch in vielen Köpfen. Wie groß ist die Infektionsgefahr in Flugzeugen tatsächlich? Wie sind die Hygienemaßnahmen vor Ort? Schon jetzt zeichnet sich ab, dass viele auf Nähe setzen werden, auf Ziele, die sie einschätzen können.

    In der Tourismusbranche kämpfen gerade sehr viele um ihr wirtschaftliches Überleben

    Sind aber unerfüllte Reiseträume nicht Luxusprobleme? Ja doch, das ist so – vor allem, wenn gerade Tausende um ihr Leben kämpfen. Man muss aber auch sehen, dass in der Tourismusbranche gerade sehr viele um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen: die Wanderführerin, der Hotelier, der seit Monaten nicht öffnen darf, das Reisebüro, das nur noch Stornierungen oder Umbuchungen abwickelt – da gäbe es viele Beispiele mehr.

    Vielleicht ist der erzwungene Stillstand gut für eine Denkpause. Das Reisen hatte zuletzt viel von seiner Faszination eingebüßt. Überlaufene Städte, zu viele Kreuzfahrtschiffe, Sehenswürdigkeiten dienten oft nur als Kulisse für die Selbstdarstellung. Mit dem eigentlichen Ideal des Reisens, in fremde Lebenswelten einzutauchen, hatte das alles nicht mehr viel zu tun. Aber brauchen wir wirklich, dieses Schneller, Weiter, Ferner? Reines Abhaken bringt keine Intensität.

    Das Reisen hat seine Selbstverständlichkeit verloren. Das birgt die Chance, dass es wieder mehr Wertschätzung erfährt. Wieder losziehen zu können, das ist auf ganz ungeahnte Art und Weise zum Luxusgut geworden. Das hätte so vor einem Jahr noch niemand gedacht.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden