Nach der Trennung von Patricia Schlesinger hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) eine neue Chefin. Das Kontrollgremium RBB-Rundfunkrat wählte die WDR-Managerin Katrin Vernau interimsmäßig an die Spitze des ARD-Schwestersenders. Die 49 Jahre alte Verwaltungsdirektorin des Westdeutschen Rundfunks (WDR) setzte sich im zweiten Wahlgang zur Interims-Intendantin durch.
Vernau übernimmt den Posten in der schwersten Krise der RBB-Geschichte. Ihr Chef und WDR-Intendant Tom Buhrow hatte vor Tagen im Landtag Sachsen-Anhalt salopp von einem "Feuerwehreinsatz" gesprochen, der auf die Schlesinger-Nachfolgerin zukomme. Diese hatte wegen Vorwürfen des Filzes und der Vetternwirtschaft gehen müssen, zudem trat der ebenfalls angeschlagene Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf zurück.
Die Affäre beschädigte den öffentlich-rechtlichen Sender ebenso schwer wie das gesamte System. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt und durchsuchte die Intendanz. Es läuft zudem eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei. Schlesinger und Wolf wiesen die Vorwürfe zurück. Bis zur Aufklärung der Vorwürfe gilt die Unschuldsvermutung.
Vernau ist Kennerin - das wird aber auch kritisch gesehen
Mit Vernau kommt eine Kennerin des verwinkelten und weit verzweigten öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum RBB. Es hatte vor der Wahl auch Stimmen gegeben, die eine andere Lösung gefordert hatten - jemanden, der bislang überhaupt nichts mit dem System zu tun hatte, quasi "unbefleckt" ist.
Für den WDR als größte ARD-Anstalt ist Vernau eine feste Bank. Somit steuert sie eine der größten Organisationen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Hört man sich im ARD-Umfeld um, wird sie als kompetent und anpackend beschrieben.
Im Mai 2019 wurde sie mit großer Mehrheit in ihrem Amt als Verwaltungsdirektorin wiedergewählt. Sie hat den Posten seit 2015 inne. Ihre aktuelle Amtszeit läuft bis Ende Februar 2025.
Beim WDR ist Vernau für diverse Bereiche verantwortlich: Personal, Finanzen, Gebäudewirtschaft, IT-Entwicklung, interne Organisationsberatung, Archive und Kantinenbetriebe. Der RBB ist im Vergleich zum WDR eine der kleineren ARD-Anstalten.
Vernau bringt Erfahrungen aus der Privatwirtschaft mit
Vernau wurde 1973 in Villingen-Schwenningen in Baden-Württemberg geboren und ist promovierte Wissenschaftlerin. Sie sammelte auch Erfahrung in der Privatwirtschaft, so war sie Partnerin bei der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants und leitete die Roland Berger School of Strategy and Economics. Zeitweise war sie auch Kanzlerin der Uni Hamburg und danach der Uni Ulm bis 2015.
Durch die Entscheidung für Vernau wird auch die Position des WDR innerhalb der ARD gestärkt. Buhrow selbst war bereits beim wichtigen Posten des ARD-Vorsitzenden eingesprungen, den Schlesinger inmitten der RBB-Affäre abgeben musste. Er rückte als ihr Vertreter nach.
Der ARD-Chef vertritt die neun Häuser der Sendergemeinschaft bis Jahresende gegenüber Gesellschaft und Politik - eine Schlüsselfunktion. Danach wird voraussichtlich der SWR übernehmen.
Zuvor hatte Buhrow in einer beispiellosen Aktion im Namen der anderen ARD-Intendanten erklärt, dass man das Vertrauen in die aktuelle RBB-Geschäftsleitung verloren hat. Was den Intendanten und Intendantinnen aufstieß, war, dass sie Informationen zum RBB erst aus der Presse erfahren mussten und ihnen die Transparenz fehlte.
Sie isolierten so den ARD-Sender und schalteten inzwischen auch ohne den RBB. In Berlin und Brandenburg zeigte man sich zum Teil empört und beleidigt über diesen Schritt.
Kriitik vor allem von freischaffenden RBB-Mitarbeitern
Vernaus Wahl war alles andere als unumstritten. Doch dies lag nicht per se an ihrer Kompetenz. Dem Redaktionsausschuss und der Vertretung der freischaffenden Mitarbeiter des RBB, die in der Krise an Macht und Einfluss gewonnen haben, gefiel vielmehr nicht, dass es keine Auswahl von mehreren Kandidaten für die Interims-Position gab.
Zudem teilte die Freienvertretung mit: "Das Agieren des WDR-Intendanten im Umgang mit der RBB-Führungskrise wurde in der RBB-Belegschaft mit großer Skepsis wahrgenommen. Allein der Eindruck, mit Frau Vernau werde eine Statthalterin des WDR eingesetzt, wäre eine erhebliche Bürde."
Die RBB-Verwaltungsratsvorsitzende Dorette König hatte am Mittwoch im Medienausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus gesagt, dass sie zunächst auch einen Kandidaten außerhalb der ARD für das Amt hatte. Mit Blick auf die Aufgaben der neuen Interims-Chefin ergänzte König: Es gelte, das Haus wieder zu einen und eine Grundlage dafür zu schaffen, dass "der RBB wieder aufs Gleis gesetzt wird". (mit dpa)